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)ienstag. Rr. 81. 15. October 1872. Weißerih-Zeitung. Amts-Matt fiir die Herichts-Aemter und StadträHe zu Dippoldiswalde und Kraueustein. Verantwortlicher Redatteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. Dieses Blatt erscheint wöchentlich zwei Mal: Dienstags nnd Freitags. Zu beziehen durch alle Post-Anstalten und die Agenturen. PreiS Vierteljahr!. 18'/- Rgr. Inserate, welche bei der bedeutenden Auflage des Blattes eine sehr wirksame Verbreitung finden, werden mit l Ngr. für die Spalten-Aeile berechnet. Tagesgeschichte. Dippoldiswalde, 14. Octbr. Manchem unserer Leser im Stadt- und Amtsbezirke ist es vielleicht von Interesse, zu erfahren, daß der wohlbekannte ehemalige Amtmann Leh mann, seit 1858 pensionirt und in Freiberg lebend, in voriger Woche dort verstorben ist. Poffendorf. Den 21. Sonnt, n. Trin. (20. Octbr.) findet in hiesiger Kirche die erste Gastpredigt für das erledigte Diakonat statt, und zwar durch den Hilfsgeistlichen Herrn Krenkel aus Treuen. Den nächstfolgenden Sonntag (22. n. Trin.) wird nach vorläufig getroffener Bestimmung der Herr Hilfsgeistliche Nächster aus Döhlen die 2. Gastpredigt halten. Hinsichtlich des erwählten 3. Gastpredigers kann zur Zeit etwas Näheres nicht angegeben werden. (*) Frauenstein. Es ist recht zu bedauern, daß unsere vor dem Stadtbrande bestandene Sonntagsschule, in welcher aus der Volksschule entlassenen jungen Leuten Ge legenheit zu ihrer Fortbildung in verschiedenen Unterrichts fächern geboten war, seit dieser Zeit eingeschlafen ist. Wohl ist leider wahr, daß die Betheiligung an diesem anerkannt nützlichen Institut in der letzten Zeit ihres Bestehens eine nicht gerade erfreuliche war. Aber daran sind die Eltern und Lehrherren meist schuld. Denn einestheilS werden diese jungen Menschen zum Besuch einer solchen Anstalt von den selben nicht gehörig angehalten, oftmals durch Arbeit sogar abgehalten; anderntheils aber sehen solche junge Leute den Nutzen ihrer Fortbildung in ihrem Alter nicht ein und be reuen oft zu spät, die ihnen gebotene Gelegenheit so unbe nutzt bei Seite liegen gelassen zu haben. Darum sollten eben die Eltern und Lehrherrn, von denen es vielleicht Manchen jetzt ebenso ergeht, die Vernünftigeren sein und das Fortbe stehen einer solchen Anstalt nach Kräften fördern. Ist doch in Berlin während der großen Kämpfe des Jahres 1871 von einer Anzahl hervorragender Männer Deutschlands die „Gesellschaft für Verbreitung von Volks bildung" gegründet worden, welche der Ueberzeugung waren, daß die dauernde Macht und das wahre Heil unseres Vater landes auf keinem sichereren Boden, als auf dem einer all gemeinen und tüchtigen Volksbildung, gegründet werden könne. Die „Gartenlaube" brachte vor Kurzem in Nr. 37 einen Artikel über die gedachte Gesellschaft, in welchem es u. A. heißt: „Man klagt so oft über die Versumpfung des geistigen Lebens in kleineren Orten. Wohlan denn, schließt euch dieser mächtigen, frische», gesunden, geistigen Bewegung an! Legt aber vorher euern engherzigen Kastengeist und Standeshoch- muth ab. Gründet Vereine, in denen sich Alles zusammen finde, was Sinn für geistige Interessen besitzt; der Bortheil wird bei Gelehrten und Ungelehrten, bei Reich und Arm gleich groß sein. Alle werden geben, Alle empfangen und Alle sich fortbilden. Glaube doch Keiner, er habe das nicht mehr nöthig, er könne das in solchen Kreisen nicht! Hier lernt selbst der Gelehrte erst wahrhaft seine Wissenschaft be herrschen, bringt sie sich selbst erst zur höchsten Klarheit, wenn er sie, ohne etwas Anderes al« gesunden Menschenver stand voraussetzen zu dürfen, in unfern Fortbildungsvereinen vortragen soll. Und welche geistige Gymnastik liegt in den dann folgenden Diskussionen! Eine Stadt ohne Bildungs verein, an denen sich Borträge, Lesezirkel, geschichtliche, tech nische und naturwissenschaftliche Sammlungen, gewerbliche Ausstellungen, Bibliotheken, Sängerchöre und gemeinsame Ausflüge anschließen, muß bald eine so unerhörte Erscheinung werden, wie ein Dorf ohne Schule. Und wollt ihr wissen, wie man dies zu Wege bringt, so fragt bei der Gesellschaft an, sie wird euch bereitwillig mit Rath und That beistehen." Ja, wenn wir so etwas hier zu Stande bringen könnten! Der Zweck dieser Zeilen ist daher, die Errichtung einer Fortbildungsschule oder Fortbildungsvereins auch in unserm Städtchen anzuregen. Wie überall, so werden sich gewiß auch bei uns Kräfte finden, die das anerkannt Gute und Nützliche unterstützen, wäre es auch nur in dem, ohne Ausnahme Jedem so nützlichen und unentbehrlichen Schön-, hauptsächlich aber Rechtschreiben, den Stylübungen und Rechnen, ohne von den übrigen Fächern des Wissens, z. B. Geographie, Naturgeschichte u. s. w., reden zu wollen. Welchen widrigen Eindruck macht es nicht z. B. auf uns, wenn wir etwas Geschriebenes von einem jungen Mann lesen, das von orthographischen und schiistischen Fehlern strotzt! Die Selbstübung unterbleibt in der Regel, und das in der Schule Gelernte verschwitzt sich, wenn es nicht weiter geübt wird, nur zu bald. Darum dürfte es, nachdem unsere Stadt nunmehr wieder aufgebaut ist, wohl an der Zeit sein, auch an das geistige Wohl seiner jüngeren Bewohner zu denken, und diese werden gewiß in späteren Jahren noch Denen dankbar die Hand drücken, welche auf ihre Fortbildung bedacht gewesen sind und sie dazu angehalten haben. Berlin. Der Zusammentritt der Abgeordneten der deutschen Reichsregierung und Oesterreich-Ungarns zur Lon- ferenz über die sociale Frage wird noch im Monat October erfolgen. — Die Vorbereitungen für die Preß-, Vereins - und Patentgesetze, welche dem nächsten Reichstage vorge legt werden, sind bereits getroffen. Frankreich. Die bonapartistischen Umtriebe sind Ver anlassung geworden zu einer Aufforderung der französischen Regierung an den Prinzen Napoleon, sowie an seine Gemahlin, Prinzessin Clotilde, alsbald Frankreich zu ver lassen. Beide weigerten sich jedoch, der Aufforderung zu folgen, und wollten nur abreisen, wenn ein VerhaftungSbe- faü gegen sie erlassen würde. Dies ist auch geschehen, und