Volltext Seite (XML)
Dienstag. Rr. 77. 1. October 1872. WePerih-Aettung. Amts-Matt für die KeriPts-Aernter und Stadträtye zu Dippoldiswalde und Krauenstein. Verantwortlicher Redakteur: Cart Ichne in Dippoldiswalde. Dieses Blatt erscheint wöchentlich zwei Mal: Dienstags und Freitags. Zu beziehen durch alle Post-Anstalten und die Agenturen. Preis Vierteljahr!. 18'/- Ngr. Inserate, welche bei der bedeutenden Auflage des Blattes eine sehr wirksame Verbreitung finden, werden mit 1 Ngr. für die Spaltcn-Zeilc berechnet. Monats - Bericht. Beim Rückblicke auf den Monat September haben wir zunächst der Dreikaiser-Zusammenkunft in unserer Reichshaupt stadt zu gedenken. Die Thatsache, daß es die drei mächtigsten Monarchen Europa'« waren, welche sich in Berlin freund schaftlich begegneten, ist die beste Garantie für die Aufrecht haltung des Friedens. Es giebt fortan, so lange diese drei Herrscher einig sind, keine europäischen Fragen mehr, und ein Krieg gegen diese Drei, welche zusammen über mehr als zwei Millionen Soldaten verfügen, ist eine tatsächliche Un möglichkeit. An die Stelle der auswärtigen Fragen treten nun in verschärfter Weise zwei innere, die kirchliche und die so ciale Frage. Beide Fragen sind fast so alt, al« die Ge schichte der Menschheit, und werden von Zeit zu Zeit immer wieder aus die Tagesordnung kommen und eine, den Zeitver hältnissen entsprechende Regulirung fordern. Auf kirchlichem Gebiete ist besonders die Verfassungsfrage in den Vorder grund getreten und zwar sowohl für die evangelische, als für die katholische Kirche. Das Streben geht auch hier, wie auf politischem Gebiete, nach Centralisation, und wir glauben in der Annahme nicht zu irren, daß in Zukunft neben dem Reichstage auch eine Reichsshnode oder ein Reichsconcil für jede der beiden großen Confessionen Deutschlands tagen und die naturgemäße Lösung der gegenwärtigen Bewegung bilden wird. Unbeschadet dieser Centralisation in den wichtigsten Punkten, wird übrigens, dem germanischen Volkscharakter entsprechend, gerade wie auf politischem Gebiete, das indivi duelle Leben der Kirchengemeinden seine ungeschmälerte Geltung behaupten, und der alte Spruch: „Im Nothwendigen die Einheit, im Zweifelhaften die Freiheit, in Allem aber die Liebe!" auch hier sein Recht finden. Auf materiellem Gebiete ist durch die Vermehrung des Geldes eine erhebliche Entwerthung desselben eingetreten und die Vertheuerung aller Lebensbedürfnisse die nothwendige Folge hiervon. Das allgemeine Streben geht daher dahin, durch Vermehrung der Einnahmen die Differenz auszugleichen, welche durch die gestiegenen Ausgaben entstanden ist. Inso weit hat die sociale Frage ihre volle Berechtigung, und wir finden auch auf allen Gebieten des menschlichen Wirkens die geistige und körperliche Arbeit höher bezahlt, als dies vor einem Jahrzehnt) noch der Fall war. Weitere Veränderungen des GeldwertheS werden auch hier fortschreitende Verände rungen der Gehalte und Arbeitslöhne von selbst bedingen. Naturwidrig und deshalb unsinnig ist dagegen der kom munistische Gedanke einer gleichmäßigen Gütervertheilung; denn wenn man heute die irdischen Güter unter die Menschen gleich- vertheilen wollte, so würde bereits in den nächsten 24 Stunden wieder die allergrößte Verschiedenheit bestehen und eine aber malige Theilung sich nöthig machen. Wie die fortschreitende Gesetzgebung und die Humanität bereits wesentlich zur Ver besserung des Looseö der Armen beigetragen hat, so wird dies auch ferner eine dankbare Aufgabe für edeldenkende Menschen bleiben, und umsomehr, jemehr die Hebung des allgemeinen Wohlstandes eine größere Anzahl hierzu in den Stand setzt. Eine Versöhnung der vorhandenen Gegensätze anzubahnen, darin wird die Lösung der socialen Frage bestehen; die Gegen sätze selbst aber aufheben zu wollen, heißt nichts weiter, als Wasser mit dem Siebe schöpfen. Werfen wir noch einen Blick auf die übrigen Länder Europa'«, so ist besonders zu erwähnen, daß unsere besiegten Feinde, die Franzosen, wieder eine halbe Milliarde Kriegs kosten bezahlt haben. Ihre Hoffnung, zwei von uns noch besetzte Departements geräumt zu sehen, hat aber einen Auf schub erfahren, weil die Herren Franzosen mit dem Baracken bau, welcher unsere abziehenden Truppen aufnehmen sollte, nicht fertig geworden sind. Die Nationalversammlung wird nächstens wieder zusammentreten und uns manche heitere Episode bieten. — Während in Spanien das revolutionäre Fieber noch nicht weichen will, haben sich in Italien die Zustände recht gut consolidirt. — Auch unser Nachbarstaat Oesterreich gewährt unter dem gegenwärtigen Ministerium ein recht freundliches Bild, und es scheint, als ob in den nationalen Feindseligkeiten ein Ruhepunkt eingetreten wäre und allmählig eine versöhnlichere Stimmung Platz griffe. Zum Schluß ist noch zu erwähnen, daß in Schweden durch den Tod des Königs ein Regentenwechsel eingetreten ist. Man erwartet von dem Bruder unv Nachfolger des Verstorbenen, daß er gute Beziehungen zu Deutschland pflegen werde. —r. Tagesgeschichte. Dippoldiswalde, den 30. Septbr. Wie unsere Leser aüs den amtlichen Bekanntmachungen dieser Nummer ersehen werden, nimmt unsere Eisenbahn-Angelegenheit nun auch von anderer Seite eine höchst hoffnungsreiche Ge stalt an. Es werden in den nächsten Tagen Vorarbeiten zu einer Linie Freiberg-Pirna über Dippoldiswalde be ginnen, und wenn das derselben zu Grunde liegende Projekt zur Ausführung gelangen sollte, was wir natürlich von ganzem Herzen wünschen müssen und, was nicht minder zu hoffen und zu wünschen ist, auch die Berlin-Duxer Bahn unsere Stadt berühren wird, so wird Dippoldiswalde sogar zu einem nicht unwichtigen Knotenpunkt werden, ein Ereigniß, an welches bisher kaum noch gedacht werden konnte. Aber in der That, es wäre uns zu wünschen, daß durch eine Ein fügung in das deutsche Eisenbahnnetz unser bisher so stagnirendeS Leben zu rascherem Schlage gebracht und unsere Stadt der