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Dienstag. Nr. 73. 17. September 1872. Weißerih-Zeitung. Amts-Matt für die Kerichts-Aemter Md StadtrSthc zu Dippokdiswakde und Araumstein. Verantwortlicher Rcdacteur: Carl Sehne in Dippotdiswalde. Dieses Blatt erscheint wöchentlich zwei Mal: Dienstags und Freitags. Zu beziehen durch alle Post-Anstalten und die Agenturen. Preis Vierteljahr!. 18'/» Ngr. Inserate, welche bei der bedeutmden Auflage des Blattes eine sehr wirksame Verbreitung finden, werden mit 1 Ngr. für die Spalten-Zttte berechnet. Tagesgefchichte. Dippoldiswalde, 16. Septbr. Es hat in unserer Kirchfahrt, wie wir aus verschiedenen, von hier und auswärts an uns gerichteten Anfragen wissen, Erstaunen erregt, daß Heuer, bei der so reichen, bald und glücklich beendeten Ernte, nicht schon Anfang September das Erntedankfest gehaltök worden ist. Allermindestens hatte man dasselbe am 8. Sept, erwartet; so aber ist dasselbe erst gestern für nächsten Sonntag, den 22. Septbr., abgekündigt worden. Das ist offenbar zu spät, namentlich wegen der Nähe des bisher stets den Montag nach Michaelis gehaltenen Kirchweihfestes. Um aus dieser letzteren Calamität herauSzukommen, hat sich indeß, wie wir hören, der Kirchenvorstand durch Verlegung des Kirchweihfestes auf den 14. October zu helfen gewußt! Uns dünkt, daß ein Kirchweihfest, wenn es auch seiner ur sprünglichen Bedeutung nach und nach immermehr entfremdet worden ist, von der Kirchengemeinve als stabiler Feiertag festzuhalten sei, und ebensowenig, als man das ReformationS« fest nach Belieben 14 Tage verschieben kann, ebensowenig kann dies beim Kirchweihfeste der Fall sein, am allerwenigsten Seiten des Kirchenvorstandes, der doch offenbar die kirchliche Bedeutung des Festes aufrecht erhalten muß. Freilich ist die allzugroße Nähe beider Festtage, deS Erüte- ulld des Kirch weihfestes, unpraktisch; aber um in die Verlegenheit nicht zu kommen, beide Feste allzuschnell hinter einander feiern zu müssen, vergesse man künftig nicht, das Erntefest zeitig genug abzuhalten. In Schmiedeberg, auch in Pretzschen dorf rc., ist es bereits gestern gefeiert worden. Es geht uns so eben noch eine Mittheilung zu, aus der wir ersehen, daß der Kirchenvorstand alsGrund der Ver legung des Kirchweihfestes 1) den angiebt: daß es störend sei, wenn Erntefest und Kirchweih sehr nahe zusammen fielen. Dem hätte nun sehr gut durch zeitigere Abhaltung des Erntefestes abgeholfen werden können. Als weitere Gründe des Kirchenvorstandes für die Verlegung sollen gelten: 2) der von hiesigen Gewerbetreibenden besucht werdende, mit unserer Kirchweih zusammenfallende Markt in Tharandt, und 3) der Umstand, daß die Kartoffelernte die Arbeitskräfte in Anspruch nehme! Diese können wir durchaus nicht als genügende gelten lassen; der Tharandter Markt wird zwar von Hiesigen besucht, doch trifft dieser Umstand immer nur Einzelne, und die Kartoffelernte beginnt stets erst nach unserer Kirchweih, falls sie, wie seit langer Zeit, am Montag nach Michaelis ge halten wird. Bei der Sorge für die Besucher des Tharandter Marktes hat zu allem Malheur der Kirchenvorstand leider ganz übersehen, daß an dem, nunmehr für unsere Kirchweih bestimmten Tage (14. October) der Jahrmarkt in Glashütte stattfindet; auch fällt sie jetzt mit der ObercarSdorfer und anderen in der Nähe zusammen, was so Manchem ganz und gar „nicht paßt!" Hält man also 's Erntefest hübsch zeitig, Wird man um die Kirchweih auch nicht streitig I — Der Turnrath hat sich nunmehr auch zu einer „Verlegung" bequemest müssen: däs Schallturnen findet nicht döst 22., sondern erst den 29. September statt. — Am Freitag haben Schülerinnen der 1., 2. und zum Theil auch 3. Klasse hiesiger Stadtschule unter Führung ihrer Lehrer, der Herren 6. Hellriegel und Lehrer Dreßler, sowie mehrerer Kinderfreunde, eine Fahrt in den zoolo- gischenGartön unternommen. Die von den Herren Ritter gutsbesitzer Oehmtchen auf Berreuth, Stadtgutsbesitzer Müller, Oeconomen Röhringer und Merbk, Ebert und Zoberbier un entgeltlich gestellten, mit Birken geschmückten Erntewagen er möglichten diese Tagereise, welche ohne ein solches Fortkommen für die meisten, wohl für alle Schülerinnen allzu strapaziös gewesen wäre. Dank darum den freundlichen Unterstützern des durch das herrlichste Herbstwetter begünstigten Vergstügen«, das gewiß Allen eine unvergeßliche Erinnerung bleiben wird. — In Obercarsdorf hat sich am 13. Septbr., Vor mittags zwischen 10 und 11 Uhr, die Ehefrau des Gutsbe sitzers Renner daselbst, Eytistiane Caroline, geb. Wolf, in einer Kammer ihrer Behausung an einer sog. Aufhängestange, und zwar aus Schwermuth, erhängt. — Alsbald nach seiner Rückkehr von den Festlichkeiten in Berlin, ist unser Kronprinz Albert hier durchgereist, um sich nach seinem Jagdschloß in Rehefeld zu begeben, woselbst seine Gemahlin schon seit Montag, 9. Septbr., eingetroffen war. Letztere ist in der Nacht vom Mittwoch zum Donnerstag einer großen Gefahr durch die Aufmerksam keit des Jagdschloß-Wächters entgangen, der ein in der Küche entstandenes Feuer, das eine Balkenwand ergriffen hatte, entdeckte und rechtzeitig löschte, — ein großes Glück bei der ganz hölzernen Bauart des Gebäudes. Der von Sr. kgl. Hoheit dem Kronprinzen, der Tags darauf ankam, sofort aus Dresden berufene Baumeister des Jagdschlosses mußte die betreffende Küchenwand massiv Herstellen lassen. Berlin. Mit der Abreise der Kaiser hat die „große Woche" von Berlin ihr Ende erreicht; die Welt, die mit so großer Spannung dem Ereigniß entgegensah, kann nun ihr Facit ziehen, — und das ist kein anderes, als daß der Zweck und das Ergebniß der Drei-Kaiser-Zusammenkunft nur auf moralischem Gebiete zu finden ist. Die Annäherung der Fürsten und die vertraulichen Besprechungen der politischen Fragen der Jetztzeit und der nächsten Zukunft werden ihre Früchte tragen bei Gelegenheiten, die in wichtigen Fragen zu einer Krisis führen könnten.