Volltext Seite (XML)
dem Ezaar von Rußland in Berlin wirkt auf die czechische Opposition entmuthigend, da Rußland immer der Popanz war, mit welchem die nationalen Führer da« böhmische Volk bei guter Laune erhalten und Oesterreich schrecken wollten. Jetzt, wo sich beide Kaiser zum dauernden Freundschaftsbunde die Hand reichen, wird die czechische Opposition bald isolirt dastehen. Frankreich. Die neue französische Anleihe hat einen mährchenhaften Erfolg gehabt, um welchen den allen ThierS die allergeschicktesten Gründungsmänner beneiden werden: 42 Milliarden sind gezeichnet worden, anstatt der begehrten 3 Milliarden! Man jubelt in Frankreich, daß des Landes Credit eine so außerordentliche Probe siegreich bestanden; die Milliarden sind freilich nur als Einnahme für die deutsche Regierung zu betrachten, die den größten Theil des größten Schatzes, der je in der Welt vereinigt worden, einheimsen wird. Ob die Creditgeber nun bei diesem Börsenmanöver oder Börsenschwindel ihr Geld verlieren werden oder nicht, das ist für Herrn ThierS und für Frank reich vorläufig eine gleichgültige Frage. Die Franzosen werden sich nun schon wieder als „große Nation" aufblähen und vielleicht schon davon träumen, welche Kriegsentschädigung sie uns in Berlin nach Beendigung des, ohne Zweifel für sie siegreichen Rachekrieges auferlegen sollen. Es ist aber nur gut, daß dafür gesorgt ist, daß die Bäume nicht in den Himmel wachsen; wir werden mit großer Ruhe der weiteren Entwickelung der französischen Angelegenheiten entgegensehen und einstweilen uns der Tüchtigkeit und Bescheidenheit unseres Kaisers Wilhelm, der Klugheit unseres Reichskanzlers Bis marck, der weisen Voraussicht unseres großen Strategen Moltke getrösten, denen es auch an dem entsprechenden Nach- wuchs nicht fehlen wird. Einstweilen mag den Franzosen die zum September bevorstehende Drei-Kaiser-Zusammenkunft in Berlin schon einen kleinen Dämpfer aufsetzen. Vermischtes. In Metz ist am 29. Juli der Eisenbahnhof abgebrannt und dabei sind die, in der Eilgut-Niederlage befindlich gewesenen Güter ebenfalls vom Feuer verzehrt worden. Die Gebäude waren nur aus Holz gebaut. Eine Spukgeschichte aus der Wiener Hofburg macht seit einigen Wochen in der Presse von sich reden. Einer Schild wache war eine weiße Gestalt zur Geisterstunde erschienen und hatte sie von ihrem Posten vertrieben, einer zweiten war es ebenso gegangen und die Sache wurde so ernst genommen, daß ein Tages befehl die aufziehenden Wachen zur Herzhaftigkeit und zum Stand halten der Geistererscheinung gegenüber ermahnte. Ein Soldat, dem das Gespenst, natürlich die umgehende Erzherzogin Sophie, wieder erschien, fällte das Bayonnet und stürzte auf den Spuk zu. Der selbe drehte sich rasch um und begann zu entfliehen, wurde aber vom Soldaten wieder eingeholt und von ihm ein Stich gegen den Geist geführt, der mit einem menschlich klingenden Schmerzensschrei zu Boden fiel und eine tiefe Stichwunde an den Hüsten erhalten hatte. Es wurde in ihm ein junger bartloser Mann erkannt. Der Soldat wurde am andern Morgen in aller Eile von Wien entfernt. Ob der Verwundete ein Geistlicher war, konnte nicht festgestellt werden. Zwei Amerikaner fuhren in einem Buggy spazieren. Das Pferd wurde scheu, ging durch und schleuderte das Buggy rechts und links gegen die Baumstümpfe. „Ich gäbe 10 Dollars, wenn ich erst heraus wäre," bemerkte ängstlich der Eine. „Spare Dein Geld/ erwiderte der Andere kaltblütig, „in fünf Minuten liegen wir beide draußen." Die Kapelle des 2. Posen'schen Infanterie-Regiments wird ein Concert auf der Schneekoppe geben. So hoch dürfte noch keine preußische Militärkapelle gestanden haben. Uebrigens wird die Wirkung der Militärmusik in der wesentlich dünneren Lust auf der Schneekoppe einen eigenthümlichen Eindruck machen. Zum deutschen Turnfest in Bonn find aus Koblenz 400 Leinen-Zelte und 6000 wollene Decken, sowie 2000 dergleichen aus Köln eingetroffen, die auf dem neuen Exerzierplatz geschafft und dort von Pioniren und Husaren, unter Leitung eines Architekten, aufgeschlagen wurden. Wie sich doch die Zeiten geändert haben! Jetzt wird Militär commandirt, um den Turnern für ihre Festlich keiten behülflich zu sein — und ehemals? — Verhandlungen der Stadtverordneten zu Dippoldiswalde. 15. Sitzung am 18. Juli 1872. Anwesend die Stadtverordneten: Reichel, Vorsteher, Lom matzsch, Leißrin g und Liebscher, sowie die Herren Ersatzmänner L. Schmidt, E. Schmidt und Heise. Das Collegium genehmigte 1) die Capitalisirung eines Zinsrestes bei der Sparkasse. Hiernächst nahm man 2) Kenntniß von der Mittheilung der Königl. Amtshaupt- mannschast, daß sie auf das Gesuch der Stadtgemeinde allhier um Vermittelung eines Beitrages aus der Staatskasse zu den für die Verbreiterung der Dresdner Straße aufgewendeten Kosten sich für einen solchen nach Höhe von 300 Thlr. beim Königl. Finanz- Ministerium verwendet und dasselbe nicht abgeneigt sei, eine ange messene Vergütung zu gewähren. Die Anfrage, ob die hiesige Stadtgemeinde die Unterhaltung des ganzen in der Stadtflur ge legenen Theiles der Dresden-Altenberger Chaussee einschließlich der darein fallenden Weißeritzbrücke gegen Empfang des 20fachen Be trags des durchschnittlichen 10jährigen Unterhaltungsauswandes vom Jahre 1872 zurück gerechnet zu übernehmen geneigt, beschloß man zu verneinen mit Rücksicht aus die bedeutende Last, welche dadurch der hiesigen Stadt ausgebürdet würde, eine Last, welche bei dem Steigen der Arbeitslöhne und des Materials immer drückender werden würde. 3) Einem Gesuche um Erlaß von Schulgeld beschloß man stattzugeben. 4) Verwilligte man dem Hospitalverwalter Rupprecht für einst weilige Verwaltung der Hospitalverwalterstelle während der Zeit vom 10. Mai bis 30. Juni d. Js. eine Remuneration von 7 Thlr. 15 Ngr. 5) Verwilligte man der Strohflechtschule auch für dieses Jahr die bisherige Holzunterstübung. 6) Den von der Forstdeputation vorgelegten Tarif über die Arbeitslöhne für die communlichen Waldarbeiter beschloß man zu genehmigen. Ebenso genehmigte man die von derselben Deputation in Folge der Verändemng der Längen-, Flächen- und Körpermaaße neu aufgestellte Holztaxe. 7) Verwilligte man aus der hiesigen Sparkasse 500 Thlr. Darlebn an einen auswärtigen Gutsbesitzer. 8) Gelangte eine Berechnung des vom Hospitalgarten zur Verbreiterung des Weges nach dem Plane abgetrennten Areals zum Vortrag, und beschloß man, dem entsprechend den Pachtzins für das Jahr 1872 herabzusetzen. Gleichzeitig genehmigte man, daß der hinter dem Krankenhause befindliche hölzerne Schuppen, da derselbe defekt, durch dessen Be seitigung aber auch dem Krankenhause mehr Licht und Luft zuge- sührt wird, abgetragen werde. 9) Von der Mittheilung des Stadraths über die Stellvertretung beim Bürgermeisteramte während des, Herrn Bürgermeister Voigt zu einer Badecur ertheilten Urlaubes nahm man Kenntniß. 10) Der Entschließung des Stadtraths vom 16. d. Mts. wegen Veranstaltung einer Feier des 2. September trat man bei und wählte in das Festkomitee aus dem diesseitigen Colsigium die Herren Henke, Walter, Könitzer und Teicher. Dippoldiswalde, am 19. Juli 1872. Das Stadtverordneten-Collegium. H. H. Reichel, d. Z. Vorst.