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Rr. 42. Freitag. Weißerih-Zeitung Amts-Matt fiir die Kerichts-Aemter «nd StadtrSHe zu Dippoldiswalde und Imuenstein. Verantwortlicher Redakteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. Diese- Blatt erscheint wöchentlich zwei Mal: Dienstags und Freitags. Zu beziehen durch alle Post-Anstalten und die Agenturen. Preis Vierteljahr!. 12V» Stgr. Inserate, welche bei der bedeutenden Auflage des Blattes eine sehr wirksame Verbreitung finden, werden mit I Ngr. für die Spalten-Zeilc berechnet. , 31. Mai 1872. Monats-Bericht. Wie der abgelaufene Monat Mai in der Natur sich durch große Fruchtbarkeit auSzeichnete, so lieferte derselbe auch ein reichhaltiges politisches Material. Am 1. fand die Er öffnung der Straßburger Universität, eines der be deutungsvollsten nationalen Feste, statt. Am nämlichen Tage vor ungefähr drei Jahrhunderten war — eine Wirkung der Reformation — die Straßburger Universität gegründet worden und hatte sich selbst unter französischer Herrschaft bis zu Ende des vorigen Jahrhunderts erbalten. Die erste französische Revolution machte der Pflanzstätte deutscher Wissenschaft ein Ende, und eine französische Akademie trat an ihre Stelle. Nach der Wiedereroberung von Elsaß war es einer der ersten Schritte der Reichsregierung, die Universitär wiederherzustellen und durch Berufung der bedeutendsten wissenschaftlichen Kräfte aus dem ganzen deutschen Reiche einen Anziehungspunkt für die deutsche Jugend ru schaffen, gewiß eine der wirksamsten Maßregeln, um deutsche Sitte und deutsches Wesen im Elsaß wieder heimisch zu machen. Ein weitere« interessantes Ereigniß war die Debatte im Reichstage über den Etat der auswärtigen Angelegenheiten. ES kam hierbei die Zurückweisung zur Sprache, welche der zum deutschen Botschafter beim Papste ernannte Cardinal Hohenlohe erfahren hatte, und gab dies unserm Reichskanzler Anlaß, das Programm zu entwickeln, welches er gegenüber den staatsfeindlichen ultramontanen Bestrebungen zu handhaben gedenkt. Wenn derselbe hierbei einerseits die schonendste und zarteste Rücksichtnahme auf das religiöse Bekenntniß in Aussicht stellte, so betonte er andererseits in entschiedener Weise den Standpunkt der staatlichen Souveraine- tät, welche sich der Priesterherrschaft nicht unterwerfen werde. „Wir gehen nicht nach Canossa!" waren die wenigen Worte, welche den schneidenden Gegensatz des modernen und des mittelalterlichen Staates und den positiven Willen aussprachen, daß der deutsche Staat sich niemals dem Papstthume unter ordnen werde. Im Uebrigen wird jedenfalls die Reichsgesetz gebung die Auseinandersetzung zwischen Staat und Kirche zu lösen suchen. Ueber ein anderes bedeutendes politisches Ereigniß, die am 12. Mai stattgehabte Abstimmung über die revidirte Bundesverfassung in der Schweiz, können wir uns kurz fassen, da dieser Angelegenheit bereits ein vortrefflicher und erschöpfender Leitartikel in d. Bl. gewidmet worden ist. Wir stimmen der Schlußansicht des Einsenders bei, daß die Bnndner und Berner Alpen dereinst die südlichen Grenzmarken des deutschen Reichs sein werden. Das mächtige deutsche Reich wird, ohne daß es eines Eroberungskrieges bedarf, seine natürliche Attraktionskraft auf die an seinen Grenzen wohnen den deutschen Stämme auSzuüben nicht verfehlen, und so wird auch die deutsche Schweiz in den alten Reichsverband zurückkehren, dem sie im Jahre 1499 und formell sogar erst im Westfälischen Frieden (1648) entzogen wurde. In den übrigen europäischen Ländern kam nicht- von besonderer Bedeutung vor. Der carlistische Aufstand in Svanien nähert sich seinem Ende; für einen Ausgleich der zwischen Amerika und England schwebenden Streitfrage sind die Aussichten gewachsen, und bei unfern unruhigen Nachbarn, den Franzosen, gab es in der Nationalver sammlung eine große Redeschlacht zwischen Bonapartisten und Republikanern, welche nach dem Urtheile der Presse sehr zum Schaden der Napoleoniden ausgefallen ist, und da- „parla mentarische Sedan" genannt wird. Nächstens soll nun das neue Armeegesetz zur Verhandlung kommen, und darf man gespannt sein, ob das System der allgemeinen Wehrpflicht darin zur Geltung kommen wird. —r. Tagesgeschichte. Dippoldiswalde, 29. Mai. Zur letzten Versammlung deö Gewerbe» er eins am 24. d. MtS: war in diesem Blatte auö Versehen nicht eingeladen worden; der Vorsitzende — seine Mittel erlauben ihm daS — hatte deshalb die Schaar der Getreuen durch besonders gedruckte Karten zusammenbe rufen, um zunächst über die längst projectirte Excursion nach Rabenau zu beschließen. Man einigte sich auf Diens tag, den 28. Mai, und bestimmte die Mittagsstunde zum Abmarsch. Hierauf gab der Vorsitzende, Hr. Jehne, dankenS- werthe interessante Mittheilungen über die Fortschritte, die die Buchdruckerei bezüglich der raschen Herstellung von Zei tungen gemacht hat. Dabei erklärte er das Verfahren bei der in neuerer Zeit angewendeten Papierstereotypie, beschrieb die jetzt von den „Dresdner Nachrichten" angeschaffte und benutzte Schnellpresse von Marinoni in Paris, welche in einer Stunde 14,000 auf beiden Seiten bedruckte Bogen (k 4 Seiten) liefert, und fügte schließlich mehrere Berechnungen hinzu, aus denen die rapiden Fortschritte, welche die Typo graphie in den letzten 20—30 Jahren gemacht hat, deutlich hervorgingen. — Die oben erwähnte Excursion nach Rabenau zur Besichtigung der Fabrik-Anlagen der Sachs. Holz-In dustrie-Gesellschaft wurde am Dienstag von 36 Mit- gliedern und einigen Gästen deS Gewerbe-Verein- unternommen. Mit größter Bereitwilligkeit und Freundlichkeit wurden die selben von dem technischen Director, Herrn Reuter, durch die umfangreichen Gebäude und Arbeitsräume (die jedoch immer noch nicht auSreichen und bedeutend erweitert werden sollen) geführt und mit den überaus verschiedenartigen, oft äußerst sinnreichen und complicirten Maschinen- und Handarbeiten