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Dienstag. Rr. 38. 14. Mai 1872. Weißerih-Zeitung. Amis-Matt für die Kerichts-Aemter und StadttSthe W Dippoldiswalde und Kraumstein. Verantwortlicher Redatteur: Lari Jehne in Dippoldiswalde. Diese- Blatt erscheint wöchentlich zwei Mal: Dienstags und Freitags. Zu beziehen durch alle Post-Anstalten und die Agenturen. Preis Vierteljähri. 18'/- Ngr. Inserate, welche bei der bedeutenden Auflage des Blattes eine sehr wirksame Verbreitung finden, werden mit 1 Ngr. für die Spalten-Zeile berechnet. Tagesgeschichte. Dippoldiswalde, l3. Mai. Wie uns freundlichst mit- getheilt wird, hat der Vorort des deutschen Elbgau- Sängerbundes, d. Z. Freiberg, durch seinen Vorsitzenden beim hiesigen Männergesangverein anfragen lassen, ob Dippoldiswalde wohl geneigt sein möchte, im Spätsommer dieses Jahres ein Gausängerfest in einfacher Weise zu veranstalten. Das frühere, im Jahre 1862, am 26. und 27. Juli hier abgehaltene, stehe bei allen Sängern im besten An denken, und es seien schon mehrfache Anfragen bezüglich Dip- poldiswalda's an den Ausschuß ergangen, welche man gern in einem demnächst an die Vereine des Elbgausäugerbundes zu erlassenden Circular bejahend beantworten wolle. Wir müssen gestehen, daß wir uns durch diese Anfrage ebenso geehrt gefühlt haben, als uns dieselbe anfangs mit einiger Besorgniß erfüllt hat. Ist es nämlich allerdings hocherfreulich, daß die bisher bei uns gefeierten Feste so wohl gelungen waren und so allgemein anerkannt wurden, so dürfte wohl die Erwägung, ob es unS gelingen werde, den durch die großartigen Feste der letzten Jahre etwas verwöhnten Anforderungen auch fernerhin zu genügen, einige Besorgniß erregen. Doch bedenken wir, daß der Charakter eine- solchen GausängerfesteS wesentlich ein anderer ist und sein soll, als der jener großen nationalen Veranstaltungen der deutschen Schützen, Turner und Sänger in Frankfurt, Leipzig, Wien, Bremen, Nürnberg, Dresden rc., daß man, im Gegensätze zu jenen geräuschvollen Festen, den Gaufesten mehr das erheiternde gemüthliche Element wahren möchte, so dürfte wohl jene Befürchtung mehr und mehr schwinden, zumal ja in jener Anfrage selbst die Gewähr liegt, daß man mit Dem, was von unS aus geboten werden kann, zufrieden sein will. Wir rechnen in dieser unserer eben ausgesprochenen Meinung auf mehrseitige, hoffentlich allseitige Zustimmung, und fürchten nicht, daß von den in dieser Hinsicht maßgeben den Persönlichkeiten der Abhaltung des gewünschten Festes irgend eine Schwierigkeit in den Weg gelegt werden wird; vor Allem aber wollen wir uns der Gewißheit hingeben, die ganze Bevölkerung unserer Stadt werde durch ihren Beifall zu dem Vorhaben unserer deutschen Sänger denselben schon vorher die Theilnahme an dem Gausängerfeste als eine recht erwünschte erscheinen lassen. Die Ausführung des Festes würde dem hiesigen Gesangverein zunächst obliegen, und wir sind überzeugt, daß es ihm an Helfern, die er zur Lösung seiner Aufgabe etwa zuziehen wollte, nicht fehlen würde. Zur Beruhigung Derer, die in der Lage sind, den Geld punkt auch nicht unberücksichtigt lassen zu müssen, diene schließlich nur die Bemerkung, daß ein Verkehr, wie ihn ein Gesangfest mit sich bringt, natürlich für die handelnde und arbeitende Bevölkerung nicht ohne Vortheil ist, und daß, was die allgemeinen Kosten anlangt, die Gaukasse vollkommen in der Lage ist, ein etwaiges Deficit zu decken. Nun, Ihr Sänger, rührt Euch, und laßt bald Weiteres in dieser er freulichen Angelegenheit hören! — Am Himmelfahrtstage wurde auf der „goldnen Höhe" bei Dresden eine Volksversammlung abgehalten. Gegenstand der Tagesordnung war die sociale Frage. Die zahlreiche Versammlung wählte durch Acclamation Herrn Mehlig aus Dresden zum Präsidenten, der den Vorsitz auch übernahm und dem Referenten Taschner zuerst daS Wort ertheilte. Genannter Referent gab erst eine Definition des SocialiSmuS und der socialen Frage, suchte ferner zu beweisen, daß das jetzige Productionöwesen die direkte Ursache des so zahlreichen Proletariats sei und bemerkte beiläufig, daß das Kleingewerbe in einigen Jahrzehnten nicht mehr existiren werde. In England gäbe es bereits keinen Mittelstand, was durch die neuesten statistischen Nachrichten vollständig bewiesen sei. Redner suchte ferner zu begründen, daß der Mensch nicht nur zum Arbeiten und Essen auf der Welt sei, sondern daß er hauptsächlich darnach streben müsse, den vollkommensten Zustand der Cultur einzunehmen. Der Referent gedachte der Bewegungsjahre 1848 und 1849 und glaubte hinzufügen zu müssen, daß der letzte, für Deutschland so ruhmreiche Krieg uns entschieden noch mehr Lasten auferlegt habe, als wir so schon besessen, denn die nächste Folge des Krieges sei die Vermehrung des stehenden Heeres gewesen! Der an wesende Polizeicommissar, Herr Assessor v. Metzsch, unterbrach in Folge der letzten Worte den Referenten, um ihn wahrschein lich auf eine gesetzliche Bestimmung aufmerksam zu machen (der Herr Commissar war leider nicht zu verstehen, da eine ziemliche Unruhe im Locale herrschte). Hierauf rief der Präsident dem Commissar zu, daß derselbe nicht das Recht habe, den Redner zu unterbrechen; man werde sich darüber beschweren und Protest erheben. Der Commissar bat um das Wort, um die betreffenden gesetzlichen Verordnungen vör- zulesen, konnte aber in Folge der gestiegenen Unruhe nicht dazu gelangen, so daß er sich veranlaßt sah, die Versammlung aufzulösen. Der Präsident machte noch bekannt, daß nächsten Sonntag abermals eine Volksversammlung abgehalten werde. Dresden. Das Stadtverordneten-Collegium hat ein stimmig den Beschluß gefaßt, beim Reichstage gegen die an denselben von Dresden aus abgegangene Adresse zu Gunsten deSJesuitenordens Verwahrung einzulegen. Eine Gegen adresse billigt in entschiedener Weise die von der Reichsregierung gegen den UltramontaniSmuS befolgte Politik und erbittet die Ausdehnung der Bestimmungen der sächsischen Verfassung, betreffend die Ausschließung der Jesuiten auf daS ganze Reich.