Volltext Seite (XML)
— 282 — Aus Altenberg geht uns die Nachricht zu, daß den Arbeitern des Zwitter st ockwerks neuerdings eine Lohn erhöhung von i/i s des bisherigen Satzes zu Theil geworden ist, was für die Grube eine jährliche Mehrausgabe von circa 2000 Thlrn. ergiebt. Wir freuen uns, daß diese Lohnzulage ohne das Zwangsmittel der Arbeitseinstellung bewilligt worden ist, und sind überhaupt der Meinung, daß schon da« eigene Interesse die Arbeitgeber auf allen Gebieten veranlassen wird, von Zeit zu Zeit die Löhne zu erhöhen, ohne daß es des Strikens bedarf. Frauenstein. Bei der Rekrutirung am Montage ist Manchem von den Gestellungspflichtigen die Freude, nicht Soldat werden zu dürfen, in den Born gefallen; denn es wurde so zu sagen Alles genommen, was nur irgend tauglich war. Von den sich aus hiesiger Stadt Gestellten wurden sämmtliche 14 Mann ausgehoben, und zwar 11 eingestellt und 3 theils zur Reserve, theils zur Ersatzreserve geschrieben. — Den 2. Pfingstfeiertag wird die von Se. Majestät unserm allverehrten König der hiesigen Schützengesell schaft geschenkte neue Fahne (die alte ist 1869 mit ver brannt) von dem Königlichen Commissar, Herrn AmtShaupt- mann v. Oppen in Freiberg, der gedachten Gesellschaft über- geben und geweiht werden. Zu dieser Feierlichkeit, welche Vormittags gegen 11 Uhr aus hiesigem Marktplatz stattfinden soll, sind 14 Schützen-Corporationen eingeladen. Das Pro gramm wird in den nächsten Tagen festgestellt werven. Die Meinung, ob an diesem Tage der sonst übliche Schützenaus zug stattfinden werde, ist bis jetzt noch eine getheilte; doch dürfte es jedenfalls wünschensmerth und sehr interessant sein, wenn die an dem Fest sich betheiligenden fremden Corporationen au dem Auszuge Theil nehmen könnten. Leipzig. Die Zahl der evangelischen Geistlichen im Königreich Sachsen beträgt 1111, so daß auf 2250 Be wohner je ein Geistlicher kommt. Das Gesammteinkommen dieser 1111 Geistlichen beläuft sich, mit Hinzurechnung des Werthes von 1108 Freiwohungen, auf 1,246,788 Thaler. Demnach genießt jeder Geistliche im Durchschnitt einen Gehalt von etwa 1125 Thalern. Die 4088 Lehrer, welche bei der sächsischen Lehrer-Wittwen- und Waisenkasse betheiligt sind, beziehen ein Gesammt-Einkommen, mit Einschluß des WertheS der Freiwohnungen, von 1,831,575 Thlrn. Es kommt sonach auf jeden dieser Lehrer durchschnittlich ein Jahreseinkommen von etwa 448 Thlrn. Das ist allerdings ein starker Unter schied in der sozialen Stellung der Geistlichen und Lehrer. — Die Universität Leipzig zählte im Winter 1870—71 2204 immatrikulirte Studenten, 883 Inländer und 1321 Nichtsachsen aus dem Reiche und dem eigentlichen Auslande. Die Frequenz des jetzigen Sommersemesters wird obige Zahl wohl um 500 noch übersteigen. — Am Sonntag Abend fand im benachbarten Eutritzsch wieder einmal eine förmliche Schlacht zwischen Studenten und Dorfbewohnern statt, bei welcher auf beiden Seiten schwere Verwundungen vorkamen. Berlin. Der Cardinal Fürst Hohenlohe (Prinz Gustav zu Hohenlohe-Waldenburg-SchillingSfürst, geb. 1823) ist zum Botschafter des deutschen Reiches beim päpst lichen Stuhl in Rom ernannt worden. Es wird von mehreren Seiten behauptet, daß diese Ernennung ein Meister streich der BiSmarck'schen Politik sei, welcher die Bedeutung habe, den Katholiken, soweit sie noch nicht vom Jesuitismus unterworfen sind, einen Halt gegen diese, jetzt fast durchweg herrschende Richtung zu geben, und damit zu beweisen, daß das deutsche Reich weit entfernt sei, gegen die katholische Kirche an sich feindselig auzutreten. Straßburg. Am 1. Mai feierte diese, wieder deutsch gewordene Stadt ihre Wiedergeburt auch als deutsche Universität, als eine Pflege- und Bildungsstätte germanischen Geistes. Ueber 250 Jahre sind verflossen, seit dort (1621) eine Hochschule deutscher Wissenschaft gegründet ward; volle 190 Jahre lang (1681 — 1871) war es sodann einem fremden Volksgeiste dienstbar, bis endlich deutsche Waffen wiederge- wannen, was fränkische List und Gewalt uns geraubt, und nun auch die deutsche Wissenschaft sich anschickte, in jenen Hallen, aus denen man sie vertrieben, siegreich wieder ihren Einzug zu halten und das Werk der Rückeroberung jenes schönen Landes mit der Kraft des deutschen Geistes zu vollenden. Der Kaiser, die Fürsten, das Parlament des deutschen Reiches und zahlreiche Festdeputationen der deutschen Schwester-Universitäten werden die neue Schwester beglück wünschen, daß sie gedeihe und wirke in echt deutschem Sinne, — eine starke Wacht am Rhein! Italien. Der Ausbruch des Vesuv ist jedenfalls der größte dieses Jahrhunderts, unv die Nachrichten lauten sehr trübe. Der starke Aschenregen in weiter Umgebung verdunkelte den Horizont; das unterirdische Getöse war 4 Stunden weit vernehmbar. Der Lavastrom änderte mehrere Male seine Richtung und erreichte eine Höhe von 6 Meter. Am 29. April zeigte der Vesuv entsetzliche elektrische Erschei nungen, und es regnete Sand und Lavaschlacken. Die große Anzahl von Personen, die den Berg bestiegen, um das seltene, furchtbare und zugleich verführerisch schöne Schauspiel aus größerer Nähe zu sehen, fanden ein schreckliches Ende: mit einem Male öffneten sich unter ihnen neue Spalten, Flammen ergossen sich nach allen Seiten — die Schreckensscenen kann Niemand schildern; herzzerreißendes Geschrei, Geheul der Verzweiflung, wilde Flucht folgte, soweit es möglich, aus dieser Hölle auf der Erde! Die Zahl der Umgekommenen ist noch nicht festgestellt. Die Einwohner der Dörfer in weiter Umgebung fliehen sämmtlich; Civil- und Militärbe hörden treffen Maßregeln zur Verhütung größeren Unglücks. Auch der König von Italien traf in Sebastiano (bei Neapel) ein; er spendete für die Betroffenen 50,000 FrcS., ferner gaben die beiden Minister 60,000 Frcs. und das Municipium 40,000 Frcs. — Die neuesten Nachrichten melden übrigens, daß die Ausbrüche nachgelassen haben. Kirchliche Nachrichten. Dippoldiswalde. Am Sonnt. Rogcite predigt Herr Sup. Opitz. Vorher Comnmnion Herr Diac. Gersdorf. Nachmittags Bibelstundc. Klärchen. Novelle von August Schrader. (Fortsetzung.) Nun erzählte sie die traurige Geschichte, verschwieg aber Dessen, der die Mühle verkaufen lassen wollte. Sie sprach nur von dem Advokaten, der herzlos mit dem armen Vater umginge. Klärchen hatte bestürzt zugehört. Daß ihrer Familie ein so großes Unglück bevorstände, hatte sie nicht für möglich gehalten. Man wollte sie aus Haus und Hof treiben! "Was sollte nun aus ihrer Liebe werden? Friedrich so brav und gut er war, konnte nun das Geschäft nicht, übernehmen und an Heirathen war nicht zu denken. „Es ist zu traurig!" schluchzte die Mutter, die ihren Jammer nicht mehr tragen konnte. „Was ist nun alles ver sucht, um das Geld zu beschaffen. Die Leute sprechen vom Kriege und wollen keine Geschäfte mehr machen. Unsere Mühle ist wenigstens zehntausend Thaler werth . . . Ach, daß ich so etwas erleben muß! Wohin «ollen wir uns nun wenden? Und wie werden die neidischen Bauern lachen, wenn sie sehen, daß man uns in das Freie setzt. Zu dem Elende kommt auch noch die Schande!"