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16. April 1872. Rr. 3V Dienstag. Weißerih-AMuilg Amts-Blatt für die Kerichts-A-mter und Stadträthe zu Dippoldiswalde und Irauenflcin. - Verantwortlicher Rcdarteur: Carl Ichnr in Dippoldiswalde. Dieses Blatt erscheint wöchentlich zwei Mal: Dienstags und Freitags. Zu beziehen durch alle Post-Anstalten und die Agenturen. Preis Vierteljahr!. 18-/- Ngr. Inserate, welche bei der bedeutenden Auflage des Blattes eine sehr wirksame Verbreitung finden, werden mit 1 Ngr. für die Spalten-Zeile berechnet. Tagesgeschichte. Dippoldiswalde, 15. April. Am vorigen Donnerstag hat sich im Dorfe Reichstädt ein bedauernswerther Fall ereignet. Die zwei Kinder (Knaben von 7 und 2 Jahren) des Zimmermanns Dittrich daselbst, der auswärts auf Arbeit, spielten in Abwesenheit der Mutter im Freien und kamen an einen, vön einem Arbeiter benutzten Hackstock. Der größere Knabe ergriff ein daneben liegendes Beil, hackt damit, und nicht wahrnehmend, daß der kleinere auf den Stock greift, — diesem, dicht vor der Mittelhand, vier Finger der rechten Hand ganz ab! Das unglückliche Kind der armen Eltern ist somit zeitlebens ein Krüpel geworden und für später unfähig zu geregelter Arbeit. Theilnehmende Menschenfreunde übergaben uns bereits einige milde Gaben zur Beschaffung eines Sparcassenbuches für das Kind, dessen Inhalt ihm später eine Hülfe werden soll, wenn es deren, was wohl eintreten wird, bei geringem Verdienst oder anderer Gelegenheit bedürfen wird. Möchten sich ferner gute Herzen finden, die von dem Unglück gerührt werden und für die Zukunft des Knaben sorgen wollen. Dresden. Unser Königspaar wurde am 10. April in München von der ganzen königl. Familie erwartet und begrüßt und setzte am andern Tage die Reise über Innsbruck fort. Am 12. April Abends trafen sie in Riva (am Garda see) ein, nach einer glücklichen und höchst lohnenden Fahrt über den beschneiten Brenner. In Riva selbst ist Alles im .schönsten Blumenschmuck. — Dresden, 12. April. In der Sitzung unserer Stadtverordneten vom 10. April kam die Bebauungsan gelegenheit der Umgebung des „Großen Gartens" nochmals in Anregung. Die „Dresdener Nachrichten" hatten, selbst nachdem schon' beide Kammern sich zu Gunsten der Strehlener Bittsteller für die Bebauung des, der kronprinzlichen Villa zunächst liegenden Terrains entschieden, einem Klagelied über die Bebauungsmaßregel Raum gegeben. In der Stadtver ordnetenversammlung nun hatte sich der Stadtverordnete Director Fröhner zum Vertreter der Unzufriedenen gemacht, alsein er fand glücklicher Weise keinen Anklang bei seinen Kollegen, die mit großer Mehrheit jede weitere Einmischung in die Angelegenheit ablehnten. Und daS von Rechts wegen; denn bei aller Anerkennung der Gründe des Herrn Staats ministers von Nostitz-Wallwitz für die Erhaltung einer reinen frischen Lust in der Umgebung unserer Stadt, kann man sich dach nicht der Wahrnehmung verschließen, daß Dresden chnedies in der verschwenderischsten Weise mit dem ihr zu Gebote stehenden Bauterrain umgeht. Es ist erstaunlich, wre unsere Schöngeister und Gesundheitsästhetiker, die keines wegs zu den Realpolitikern, wie unser Herr Minister, gehören, , für den Villenbau in der Umgebung der Stadt schwärmen, wie sie lebhaft bedauern, daß in der Umgebung des böhmi schen Bahnhofes, am Bismarckplatz, in der Reichsstraße, Lindenaustraße rc. geschlossene Häuserreihen entstehen, denen sich bekanntlich auch das neue Polytechnikum zugesellen wird, und wie sie darüber vergessen, daß Dresden auch arme Leute zu seinen Bewohnern zählt. Für diese ist trotz der sonst anerkennenswerthen Vorzüge des BillenbaueS für den leichteren Luftzugang, derselbe geradezu ein Unrecht. Sie werden da durch gezwungen, entweder in den engen schmutzigen Löchern der inneren Stadt oder in den Dörfern der Umgegend zu wohnen, beides ihren Erwerbszweigen, wie ihren sonstigen Lebensverhältnissen, wenig förderlich. Man hört wohl Hel fache Klagen über die WohnungSnoth in Berlin, Gein ver- hältnißmäßig ist sie bei uns bald eben so groß, nur spricht man weniger davon. Wer in Berlin sich eine Villa bauen will, zieht schon weiter hinaus aus der Stadt; man kennt dort die größere Verschwendung mit den Bauplätzen nur in der. Nähe des Thiergartens, der übrigens ohne schädlichen Einfluß auf sein Gedeihen rings umbaut ist. Wer in einer großen Gemeinschaft wohnt, kann nicht »erlangen, daß sich die Mehrzahl den Bedürfnissen seines Geldbeutels anbequeme, bei uns begünstigt jedoch die Stadtbehörde mit der rücksichts losen Zulassung des Villenbaues dieses Verlangen, und der Arme mag zusehen, wie er fertig wird. Daß bei 800,000 Einwohnern, welche Berlin zählt, und bei dem dortigen regen Wechsel der Bevölkerung, das Elend grasser wie bei uns auf tritt, hat nichts Verwunderliches; das aber kann Wunder nehmen, daß bei uns noch viel weniger, wie in der Haupt stadt des deutschen Kaiserreichs geschieht, um bei einer etwaigen raschen Zunahme der Bevölkerung einem noch viel größeren Wohnungselend zu entgehen. Freiberg. Ein günstigeres Geschick hat wohl selten ein Grundstück gehabt, als das rothe Vorwerk. In einem Zeitraum von nicht 2b Jahren ist der Grund und Boden desselben in fabelhafter Weise gestiegen. Zuerst.wurde beim Bau der Chemnitz-Riesaer Bahn bedeutendes Areal verkauft, sodann bei der Annaberger Bahn, wiederum beim Ban der Chemnitz-Leipziger Strecke und endlich beim Anlegen der Central-Werkstätten. Nachdem nun diese ansehnlichen Flächen vom Gute genommen worden sind, ist dasselbe noch immer für einige hunderttausend Thaler an eine Berliner Gesell schaft verkauft worden. . Berlin. Im Reichstage wurde Abg. Simson wieder zum Präsidenten, Fürst Hohenlohe zum ersten Vice- prasidenten gewählt. Es liegt ein reiches Material zur Be- rathung vor, und auch die Zahl der Petitionen beläuft sich bereits über 60, darunter eine ganze Gruppe auf Ausweisung der Jesuiten. Im klebrigen werden Reichsgesetze beantragt über Verleihung von Patenten, über den Gewerbebestkeb der