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Freitag. Nr. 3«. 8. März 1872. Weißerih-Ieitmrg. Amts-Matt für die Kerichts-Aemter und Stadträthe zu Dippoldiswalde und Krauenstein. Verantwortlicher Redaeteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. Dieses Blatt erscheint wöchentlich zwei Mal: Dienstags und Freitags. Zu beziehen durch alle Post-Anstalten und die Agenturen. Preis vierteljährlich 10 Ngr. Inserate, welche bei der bedeutenden Auflage des Blattes eine sehr wirksame Verbreitung finden, werden mit 1 Ngr. für die Spalten-Zeile berechnet. Fürst Bismarck, die Ultramontanen und die Polen. Es weht ein frischer Odem durch das ganze deutsche R,eich, seitdem Fürst Bismarck den Kampf mit den Ultra montanen eröffnet hat. Ein Jahr lst'S nur her, daß der ruhmreiche Kampf gegen die Franzosen mit dem Friedens schluß zu Versailles seine vollständige Endschaft erreichte, und schon wieder befinden wir uns auf einem Kampffelde, wenn auch anderer Art, als das auf wälschem Boden. Wälscher Tücke gilt dieser Kampf ebenfalls, und wird auch kein Blut dabei vergossen, so fließt es doch siedend heiß durch die Adern. Aber, wie Eingangs hervorgehoben, er frischend wirkt auf die Kämpfer gegen die Römlinge, daß Fürst Bismarck sich an ihre Spitze gestellt hat; erfrischend muß es wirken, wenn man hört, daß mit Nichten ein fauler Frieden mit ihnen geschlossen werden soll. Die Verfügung des preußischen Kultusminister vr. Falk, nach welcher es den Eltern und Angehörigen frei stehen soll, nach Erfüllung ge wisser Bedingungen, den Religionsunterricht der Schüler selbst zu bestimmen, darf nicht als ein, den Bischöfen u. s. w. gemachtes Zugeständniß aufgefaßt werden, sondern nur als vine gerechte Maßregel, welcher Maßregeln anderer Art, die den Geistlichen kaum so gefallen dürften, folgen werden. Die Regierung wird den Uebergriffen der Bischöfe bei Ver hängung der Excommunication, insoweit sie auf das bürgerliche Gebiet hinüberstreifen, mit aller Strenge begegnen, und dem Bischof von Ermeland droht sogar schon ein darauf bezüglicher Prozeß. Ueberhaupt ist die Regierung in Preußen ent schlossen, in ihren polnischen Landestheilen gewissermaßen zwei Fliegen mit einer Klappe unschädlich zu machen: vaS fanatisch deutschfeindliche und fanatisch jesuitenfreundliche Polenthum. Daß in Oesterreich-Ungarn den polnischen Be wohnern Galiziens eine gewisse selbstständige Verwaltung zu gesichert werden soll, kann für preußisch Polen oder Posen keine Befürchtung erwecken ; aber es muß doch zur Aufmerk samkeit auffordern, da man ja die leichte Beweglichkeit des polnischen Charakters kennt. Die Polen fürchten, gleich den Ungarn, die andringende deutsche Kultur; wenn diese jedoch nicht geradezu verschmähen, ihr zu huldigen, so sind jene dagegen ihr spinnefeind. Freilich haben sie auch alle Ursache dazu, wenn sie den Träumen der Wiederherstellung eines Polenreiches nachhängen, da sie wissen können, daß daS mächtige deutsche Reich an seiner Ostgrenze die deutschen Ansiedler nimmer polnischer Unterdrückung preisgeben wird. Inzwischen in ihrer Beweglichkeit mißkeunen sie nur zu leicht ihre Lage, und was den Galiziern gewährt wird, möchte auch den Posenern wünfchenSwerth erscheinen. Tagesgeschichte. Dippoldiswalde, 7. März. Gestern Nachmittag kurz nach 4 Uhr ist hier und, wie uns im Laufe des heutigen Vormittags aus fast allen Ortschaften der näheren und weiteren Umgegend gemeldet wird, auch dort eine ziemlich heftige, 4—5 Sekunden andauernde Erderschütterung wahrgenommen worden, die an einigen Orten mit einem Getöse, welches hier wie unterirdisch, dort wie aus der Luft kommend, erschien, verbunden gewesen ist. Auch aus der Altenberger und Frauensteiner Gegend wird uns Gleiches gemeldet, so ist z.B. inHermsdorf und Reichenau der Erdstoß sehr intensiv gewesen. Ueber die Richtung desselben ließ sich bis jetzt wenigstens etwas Sicheres nicht constatiren. Dabei war, wie überhaupt gestern den ganzen Tag, herrliches Wetter mit völlig unbedecktem Himmel; die zwischen Ost und Süd schwankende Windströmung wurde jedoch später, namentlich in den nach dem Gebirge zu liegenden Orten, zum heftigen Sturme. Auch in Dresden ist, wie dortige Blätter melden, der Erdstoß gespürt worden, telegra phische Depeschen aus Waldheim, Freiberg, Limbach, Schneeberg, Hof rc. melden ein Gleiches. — Die Generalversammlung des hiesigen Vorschuß- Vereins findet morgen Sonnabend statt. — Nächsten Sonntag über 8 Tage, 17. März, wird daS freiherrl. v. B urgk'sche Musikcorps im hiesigen SchießhauS« saale ein Concert geben. * Altenberg, 6. März. Auch bei uns ist seit vorigem Donnerstag ein Strike unserer Bergleute ausgebrochen. Die Veranlassung dazu dürfte in Folgendem zu suchen sein. Bereits im Laufe des vorigen Jahres petitionirten die Berg leute des hiesigen Zwitterstvckwerkes bei der Werkinspection und eine kürzere Arbeitszeit für den gewiß nicht zu hohen Schichtlohn an 7 Ngr. 2 Pf., was denselben auch bereit willigst genehmigt wurde. Da nun diese kürzere Schichtzeit mit in die neue Arbeiter-Ordnung ausgenommen worden war, nach welcher sich die Arbeiter in allen Stücken zu richten haben, so mußte es denselben allerdings auffällig erscheinen, als im Laufe voriger Woche eine Bekanntmachung in der Betstube angeschlagen worden war, laut deren von den Berg arbeitern verlangt wurde, in der Nachmittagsschicht die erst erlassene Arbeitsstunde wieder mit zu arbeiten, so daß dieselben anstatt wie zeither nach der Arbeitsordnung um 7 Uhr, erst um 8 Uhr Abend ausfahren sollten. Diese einseitige Ab änderung der Arbeitergesetze mußte die Mannschaft allerdings höchst unangenehm berühren, und die Mannschaften des Nachmittags-Drittel fingen an zu striken, indem sie vom 29. Febr. bis 5. März nicht einfuhren. Eine Deputation davon hat sich an den Herrn Bürgermeister hier mit der Bitte gewendet, vermittelnd einzutreten, und ist in Folge dessen