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Dienstag. Nr. 11. 6. Februar 1872. Weißerih-Aeitung. Amts-Matt für die Herichts-Aemler und Stadträthe zu Dippoldiswalde und Krauenstein. Verantwortlicher Redakteur: Carl Jehnc in Dippoldiswalde. Dieses Blatt erscheint wöchentlich zwei Mal: Dienstags und Freitags. Zu beziehen durch alle Post-Anstalten und dir Agenturen. Preis vierteljährlich 10 Rgr. Inserate, welche bei der bedeutenden Auflage des Blattes eine sehr wirksame Verbreitung finden, werden mit l Ngr. für die Spalten-Zrile berechnet. Monats - Bericht. Der erste Monat des Jahres ist für unser deutsches Volk in ruhiger und reger FriedenSarbeil verlaufen. Vor zugsweise war es die Erinnerung an die großen Tage des vorigen Jahres, den 12. und 18. Januar, welche die patriotischen Herzen bewegte und erwärmte. Am 12. Januar vor. Js. wurde bekanntlich die französische Westarmee unter Chanzh durch den Prinzen Friedrich Carl bei I-o Lluns auf's Haupt geschlagen, und am 18. mußte General Bourbaki vor dem „Leonidas der Vogesen," General Werder, den Rückzug antrelen, um wenige Tage daraus die Trümmer seiner großen Armee vor den nachrückenden Deutschen auf das neutrale Gebiet der Schweiz zu retten. Am nämlichen Tage, am 18. Januar vor. Js., wurde im Schlosse zu Versailles da« neue Deutsche Reich gegründet, indem an diesem Tage König Wilhelm die Deutsche Kaiserkrone unter großer Feierlichkeit annahm. Welch' eine Wandelung der Dinge! In demselben stolzen Königsschlosse, wo so oft Rache pläne gegen Deutschland geschmiedet wurden, stand die Wiege des neuen deutschen Reichs! Die Wiederkehr dieses Tages war in vielen deutschen Städten Anlaß zu teilweise groß artigen Festlichkeiten, deren allgemeinerer Verbreitung wir gern das Wort reden möchten, um die Erinnerung an die großen Abschnitte vaterländischer Geschichte wach zu erhalten. Bemerkenswerth in der äußeren Politik waren die, au« Anlaß des GeorgSfestcs zu Petersburg Seiten des Kaisers von Rußland in so rückhaltloser Weise erklärten Sym pathien für das deutsche Reich, sofern hierdurch eine vollständige Uebereinstimmung beider Großmächte für Erhal tung des Frieden« und eine unzweideutige Zurückweisung der, auf eine Verbindung mit Rußland speculirenden Franzosen, ausgesprochen wurde. In unserm Nachbarstaate Oesterreich ist es dem neuen Ministerium Auersperg gelungen, einigermaßen das Vertrauen in die Staatslenkung herzustellen. Ob der Versuch, auf dem Boe en der Verfassung eine Versöhnung der Ansprüche der verschiedenen Völkerracen herbeizuführen, gelingen wird, muß freilich erst die Zukunft lehren. Der neue Reichskanzler, Graf Andrafsy, hat sich lheils durch sein Rundschreiben, theils durch seine den Ultramontanen gegebene Antwort sehr em pfohlen. Seine Klarheit der Sprache erinnert an unseren Fürsten Reichskanzler. Unsere besiegten westlichen Nachbarn, welche übrigens die Abzahlungen auf die Kriegsentschädigungsgelder wieder begonnen haben, wären beinahe in eine bedenkliche StaatS- krisis gcrathen. Bei der cigenthümlichen Einrichtung, daß da« Staatsoberhaupt der provisorischen Republik, Thiers, die Vorlagen der Negierung in der Nationalversammlung bisher selbst vertreten hat, konnte es nicht auSbleiben, daß, wenn eine Abstimmung gegen die Regierung ausfiel, das Staats oberhaupt sich selbst getroffen fühlte. Daher kam e«, daß, als eine der Steuervorlagen von der Nationalversammlung abgelehnt wurde, nicht nur das Ministerium, sondern auch Herr Thiers seine Entlassung gab, so daß das ganze Staats wesen plötzlich ohne Haupt und ohne Regierung war. Dem versöhnlichen Entgegenkommen der Volksvertretung gelang eS nun zwar, die Zurücknahme der Entlassungögesuche zu bewerk stelligen, allein welche Bürgschaft für die Zukunft bieten solche schwankende Zustände? Es scheint, als ob nur da« persön liche Regiment in Frankreich möglich wäre. Offenbar waren die Parteien der Republikaner, Bonapartisten und Orleanisten nicht vorbereitet auf die plötzliche Abdankung de« Hrn. ThierS, sonst würde die eine oder die andere gewiß den Moment benutzt haben, um an das Ruder zu kommen. Um einem solchen Ereignisse vorznbeugen, tauchen bereits allerhand Vorschläge auf, über die man sich freilich nicht sobald einigen wird. Abgesehen von Ministerwechseln in Spanien und Griechenland, ist aus den übrigen Ländern Europa'« kein - Ereigniß von Belang zu berichten. —r. Tagesgeschichte. Dippoldiswalde, den 5. Februar. Nach langer Pause hielt am vergangenen Freitag der hiesige Gewerbeverein wieder einmal eine Sitzung ab, die sich, trotz de- nicht allzu bedeutenden Besuchs, doch noch hinsichtlich des Dargebotenen zu einer ziemlich reich auSgestatteten gestaltete. Nach Erledigung einiger geschäftlichen Angelegenheiten, unter denen die Ge währung einer Beihülfe von 10 Thlr». an die hiesige Sonn tagsschule zu erwähnen sein dürfte, hielt Herr Schuldirector Engelmann einen äußerst faßlichen und deshalb mit allge meiner Befriedigung angehörten Vortrag über das neue metrische Maaß und Gewicht. Ausgehend von dem Satze, daß der Mensch sich sehr schwer von dem Altherge brachten zu trennen vermöge, bemerkte der Vortragende, daß die Geschichte der Münz-, Maaß- und GewichtSveränderunaen diese Erfahrung auf das Deutlichste bestätige. Es habe Mühe und Kampf gekostet, in dieser Branche nothwendige Verän derungen durchzuführen. Auch jetzt werde sich da« zeigen. Dennoch müsse jeder Einsichtige sich für die neue Einrichtung erklären und zu ihrem Verständnisse beitragen. Der. Vortrag berührte nun die früheren, zwar meist vom menschlichen Körper hergenommcncn, aber doch völlig willkürlichen Normal größen und Größeneinheiten, als Schritt, Zoll, Fuß, Elle, Spanne, Klafter, ferner die bei Flüssigkeiten noch heute vor kommenden ganz unbestimmten, willkürliche» Maaße (Löffel, Schluck, Tasse, Gomer, Epha u. s. w.), und wies daran die Nothweudigkeit eines aus der Natur entnommenen Hrund-