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— LI4 — entgegen, und kurz nach 12 Uhr Iras die Spike des Zugs in der inner» Stadt ein, voran der greise Feldmarschall Graf Wrangel, Der alte, säst 90jährige Herr, eine in Berlin populäre Persönlichkeit, wurde mit vielseitigem Hurrah begrüßt. Der Kaiser stellte sich mit seinen fürstlichen Gästen und dem großen Generalstabs an der Statue des alten Blücher auf, und begann nun das Defiliren der Truppen, welches vier Stunden in Anspruch nahm. In der Suite des Kaisers be fanden sich ein russischer, ein vstreichischer (General Gablenz), ein englischer und ein türkischer General. Mit lebhaftem Hurrah wurden die erroberten 81 französischen Adler begrüßt, die erroberten Kanonen, wohl mehr als 1000 Stück, waren zu beiden Seiten der Triumphstraße aufgestellt. Nach dem Vorbei marsch der Truppen, welcher ein überaus buntes und bewegtes Bild bot, da fast jeder Soldat und jedes Pferd mit Blumen und Kränzen geschmückt war, erfolgte die Enthüllung des Denkmals Friedrich Wilhelm's III. Wohl mag es ein eignes Gefühl in der Brust unseres Kaisers gewesen sein, an diesem Denkmale seines Vaters, welcher einst von Napoleon I. des größten Theiles seines Landes beraubt nnd auf das Bitterste gekränkt wurde, die erroberten 81 französischen Adler aufstellen zu können! Tas war eine Wicdervergeltung für Jena und Austerlitz! Die Illumination schloß diesen großen Fest- und Ehren tag des deutschen Volks, den größten, den unsere Nation in ihrer tausendjährigen Geschichte erlebt hat! — Bei dem am 20. ds. Mts. hier abgehaltenen Ferkelmarkt waren 78 Stück zum Verkauf gestellt. Davon sind 23 Stück, das Paar zu 6^/2, 7, 71/2 Thlr., verkauft worden. Dresden. Für den Einzug unserer zurück kehrenden Truppen war bisher der 4. Juli in Aussicht genommen. Es nimmt aber der Transport derselben per Bahn (von Mainz und Frankfurt aus) eine etwas längere Zeit in Anspruch, als anfänglich angenommen worden war, so daß der Einzug in Dresden wahrscheinlich erst zwischen dem 9. und 12. Juli stattfinden kann. Es sollen an demselben Theil nehmen die beiden Garderegimenter Nr. 100 und 101, 600 Gardereiter, 7 Batterien und etwa 1000 Mann depu- tirte Soldaten anderer Regimenter, in Summa circa 12000 Mann. Die Truppen kommen auf dem böh mischen und Centralbahnhofe an und werden bis zum Einzug sofort in den umliegenden Dörfern einquartirt. Die Stadtverordneten bewilligten die Summe von 6500 Thalern, beschlossen, daß am Einzugstage die Stadt illuminirt werde, und soll das Generalcommando ersucht werden, den Sicgeseinzug durch die Prager-, Johannis-, Waisenhaus- und Landhausstraße nach dem Neumarkt hin zu veranstalte«, woselbst eine feierliche Begrüßungs rede gehalten werden soll, der das Läuten sämmtlicher Glocken folgen wird. — Ueber die Berechnung der Dienstzeit der an dem Kriege gegen Frankreich theilgenommencn Mann schaften bei ihrer Pensionirung sind nachstehende Be stimmungen ergangen: Denjenigen Betheiligten, welche in jedem der beiden Jahre 1870 und 1871 an einer Schlacht, einem Gefecht, resp. einer Belagerung theil- genommen, oder welche zwei Monate aus dienstlicher Veranlassung in Frankreich zugebracht haben, kommen zwei Kriegsjahre in Anrechnung. Diejenigen dagegen, welche diese Bedingungen nur in einem der Jahre 1870 oder 1871 erfüllt, sowie diejenigen, welche ohne an einem Kampfe theilzunehmen, nur in beiden Jahren zusammen zwei Monate fortlaufender Zeit aus dienst licher Veranlassung in Frankreich zngcbracht haben, ist nur ein Kriegejahr in Anrechnung zu bringen. Die Anrechnung des Jahres 1871 als Kriegsjahr für die jenigen, welche in diesem Jahre nicht au einem Kampfe betheiligt gewesen, findet jedoch überhaupt nur in dem Falle statt, wenn die Betreffenden bis zum 2. März d. IS. mindestens zwei Monate auö dienstlicher Ver anlassung in Frankreich anwesend waren. — Staatsminister von Fabrice, der frühere Generalgouverneur in Nordsrankreich, ist von dort Mr Berlin hierher zurückgekehrt und hat die Leitung des Kriegöministeriums wieder übernommen. — Die noch hier anwesenden Fra nzosen werden nunmehr sämmtlich und schleunig in ihre Heimalh ge schafft. — Wie schon vor mehreren Tagen in der Gegend von Harthau geschehen, ist am Sonntag Abend aber mals eine schändliche Frevelthat versucht worden, indem auf der schlesischen Bahn, zwischen Langebrück und Dresden, 4 Eisenbahnschienen im Gewicht von 31/2 Centner so fest und sicher gelegt worden waren, daß der Bösewicht längere Zeit dazu gebraucht haben muß. Der Bahnwärter bemerkte aber die That glück licher Weise noch zeitig genug, um dem Loconiotiven- führer das Zeichen zum Halten geben zu können, und der Zug fuhr nicht so heftig gegen das Hinderniß, schleuderte aber trotzdem die 4 Schienen noch 10 — 12 Ellen weit fort, ohne glücklicher Weise einen Schaden anzurichten. — Dresden, 21. Juni. Dem segensreichen Ge setze, welches nach den Beschlüssen des Reichstages, Gundesrathes und Kaisers die Zukunft der Kriegsver- stümmelten und der Hinterbliebenen Gefallener regelt, steht das andere zur Seite, nach welchem Besitzer von Eisenbahnen, Fabriken, Gruben und Bergwerke genöthigt sind, die in ihrem Anftrage schuldlos zu Schaden ge kommenen Personen vollständig dafür zu entschädigen. Beide Gesetze sichern dem ersten deutschen Reichstage ein ehrenvolles Gedächtniß im Volke, wie denn über haupt die drei Monate seiner Thätigkeit eine höchst bedeutungsvolle für Deutschlands Wohl gewesen, und es konnte auch nur die Aufmerksamkeit, welche der große Berliner Siegeseinzug erregt, den Schluß des selben in aller Stille vorübergehen lassen. Jetzt ist eö im deutschen Reiche wieder ruhiger geworden, und sind erst einmal unsere Truppen aus Frankreich zurückge kehrt, steht dem Glücke und der Wohlfahrt unseres Volkes kein anderes Hinderniß mehr entgegen, als das, welches in den schwer oder gar nicht zu beseitigenden menschlichen Unvollkommenheiten seinen einzigen Grund hat. Diejenigen, welche eine menschliche Glückseligkeit gewaltsam erstreben wollen, haben wir genügend in der Pariser Commune und deren Helfershelfern in Deutsch land kennen gelernt, und wir wissen, was sie unter menschlicher Glückseligkeit verstehen. Allerorten in Deutschland tauchen jetzt Sendboten der internationalen oder social-demokratischen Partei auf; allerorten sind sic in offener oder geheimer Verbindung und allerorten machen sie gar kein Hehl daraus, daß sie den Kampf gegen die derzeitig bestehende Gesellschaft mit allen Mitteln, nach Art der Pariser Commune, fortzuführen gedenken. In unserm.gewerbfleißigen Staat Sachsen machen sich schon Erscheinungen geltend, wie wir sie nie erkannt haben. In Chemnitz hat z. B. am 19. Juni eine zahlreich besuchte Arbeiterinnen-Ver sammlung stattgefunden, in welcher die Gemeinsamkeit