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— Dem General Uhrich (jetzt in Paris) wurde am 17. Ang. von den in Neuyork ansässigen Elsässern ein Ehrendegen gesendet und von einer Deputation überreicht. Der General sagte hierauf: „Der Degen wird an dem Tage aus seiner Scheide gezogen werden, an welchem wir die Schwesterprovinzen wiederzuge winnen uns bestreben werden, indem wir durch einen großen Sieg nnsere jüngsten Demüthigungen verwischen." (Wen ihm nur die Zeit nicht zu lang und dabei der Degen nicht rostig wird!) — Vom 1. Sept, an soll die deutsche Erbs wurst in der französischen Armee versuchsweise ein geführt werden. (Es scheint, daß die Herren Fran zosen die Ursachen unserer Siege in der Erbswurst suchen!) — Wie aus Paris vom 22. August gemeldet wird, haben die verschiedenen Gruppen in der Ver sailler Nationalversammlung ein Abkommen auf fol gender Grundlage geschlossen: Die Vollmachten Thiers' sollen für die Zeit in Kraft bleiben, als die jetzige Nationalversammlung besteht, und demselben eben so lange der Titel „Präsident der Republik" beigelegt werden. Gleichzeitig wäre ein Uebereinkommen dahin erzielt, daß unmittelbar nach den Ferien die Verhand lungen und die Abstimmung über die definitive Verfassung erfolgen sollen. Vermischtes. Aus dem Altgäu wird der „Kempt. Ztg." folgende Exconimunication vn mimuturs berichtet: „Se. Hochwürden Herr Pfarrer Glotzmaier, Oberhirt der beneidenswerthen Ge meinde Hopferbach, einige Stunden unterhalb Kempten, excom- municirte vorigen Sonntag, 6. August, zwei Gemeindeange hörige gleich im Wirthshause. Thatsache. Die Scene machte auf alle Anwesenden einen so furchtbaren Eindruck, — daß man beschloß, noch ein „Stehmaß" zu trinken. Was aber der Hauptspaß an der Sache ist: andern Tags kam der Hochwürdigste zu den excommunizirten Bauern, bat sie, indem er sie wieder aus dem Bann that, um Verzeihung und ent schuldigte sich damit, daß er eben einen Rausch gehabt. Auch ein Beitrag zum Kirchenstreit." Eine fromme Lüge. Erzählung von Louise von Gall. (Forschung.) So kam der Frühling. Die neue Orgel sollte am nächsten Sonntage zum ersten Male ertönen, und daS ganze Dorf war in gespannter Erwartung, denn der Herr Graf hatte versprochen, zusammt der Frau Gräfin dem Hochamt beizumohnen. Mit Tagesanbruch schon rannten die weißge kleideten Festspalier-Kinder mit hochgeschürzten Röckchen durch die schmutzigen Gassen; der Weg aus dem Hause des Pastors, nach dem des Küsters, war fort während belebt mit Ornamente und Leuchter tragenden „Kirchenvätern", denn so hieß der Ausschuß frommer Bürger, die für das leibliche Wohl des Gotteshauses sorgten. Therese hatte sich in ein großes Tuch gewickelt und stand an einen Baum des Kirchhofs gelehnt, um die Frau ankommen zu sehen, in deren Augen sie daS Glück lesen wollte, da« ihr Kind ihr bereitete. Die Glocken läuteten, sogar einige Böller waren gelöst worden; die Kinder, an ihrer Spitze der Schul meister, bildeten die eine Seite des Spaliers, auf der andern Seite war die sämmtliche Banerschaft, ange führt vom regierenden Bürgermeister, Alles gegen wärtig, die Wohlthäter des Dorfes, Ihre hochgräflichen Gnaden, zu empfangen. — Endlich kamen sie! Die vierspännige Karosse brauste daher, bis sie am Spalier angekommen war, wo sie stille hielt, damit der Graf die Rede des Bürgermeisters vernehmen und beantworten könne. Als der Wagen an der Kirchthüre hielt, stellte sich Therese auf einen Grabstein, um zu sehen, wer im Wagen sei. Es war gut, daß Niemand sie ge wahrte, sonst würde am Ende die arme Frau um ihrer Neugierde willen noch gescholten worden sein, und als von einer Ketzerin würde man es gar noch als eine doppelte Profanation angesehen haben. So aber blickte Niemand nach ihr und alle Augen waren auf die „Wohlthäter der Gemeinde" gerichter, den Graf und die Gräfin, die allein im Wagen saßen. Ein Gedanke schoß wie ein Blitz durch den Kopf der unglücklichen Mutter. Ihr Kind war also jetzt allein im Schloß! Welche Gelegenheit, es endlich einmal wiederzusehen und an ihr Herz zu drücken! Sie hatte ja nicht versprochen, dies zu unterlassen, Niemand wurde dadurch gekränkt, und die Wärterin, die eine guthmüthige Frau war, verschwieg sicher ihr Kommen. Aber schnell mußte es geschehen, denn daS Hochamt dauerte nur eine Stunde, und dann trugen natürlich die vier Renner das gräfliche Paar mit Blitzesschnelle wieder nach Hause. AthemloS flog sie nach dem Pachthofe, um den Knecht zu bitten, ein paar junge feurige Ackerpferde, die ihr Mann erst kürzlich gekauft, einzuspannen und sie nach dem Schlosse zu fahren. Als sie nach Hause kam, war Niemand da — selbst nicht ihr treues Mädchen, ja sogar die alte Tante war zur Kirche, um den „Aufzug", wie sie es nannten, zu sehen. Was sollte sie thun? Sie konnte den Knecht, der freilich gutmüthig genug war, um ihretwillen die Kirche und ihre Sehenswürdigkeiten zu verlassen, nicht von dort holen und auch nicht von dort holen lassen, denn er saß neben ihrem Manne und dann wäre dieser unfehlbar mitgekommen und hätte vielleicht ihr Unternehmen verhindert. Sie ging zum Stalle. Wie um sie zu grüßen, blickten die jungen Pferde sich nach ihr um. Konnte sie nicht selbst fahren? Wie oft im ersten Jahre ihrer Ehe hatte im Scherze ihr Mann ihr die Zügel gelassen, um ihr Talent zu erproben; und hingen nicht die Geschirre neben den Pferden, hatte sie nicht oft dem Knecht zugeschaut, wie er sie ihnen um den glänzenden Hals gehängt hatte? Sie entschloß sich rasch, und indem sie ihre zier liche Gestalt auf die Zehen erhob, nahm sie das Leder zeug vom Nagel und warf es den Thieren, die freudig wieherten, über. Dann zog sie eines nach dem andern in den Schober, wo das kleine Wägelchen stand; Alles gelang ihr vortrefflich; sie nahm die Peitsche, und ohne das Haus wieder zu betreten, denn sie fürchtete Jemand zu begegnen, schwang sie sich auf den Sitz und rasselnd flog der kleine Wagen über den ge pflasterten Hof, durch die Straßen des Dorfes an der Kirche vorbei, in welche alle Menschen sich gedrängt hatten, hinaus auf die Chaussee, die nach dem Schlöffe