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— 516 — Wer den Grasen beobachtet hätte, als der Wagen aus den Schloßhof fuhr, würde über seine todtenblassen Züge erschrocken sein. — Aller Augen waren auf die Gräfin gerichtet, die mit den Blicken ihr Kind suchte. „Da man dich nicht erwartet," sagte ihr Gemahl, „wird dir die Wärterin das Kind nicht entgegen bringen, überdem habe ich ihr bei dem heftig wehenden Winde verboten, heute auszngehen." Die junge Mutter flog die breite Schloßtreppe hinauf, daß ihr Gemahl ihr kaum folgen konnte. Als sie droben die Thüre des Zimmers aufstieß — es war vielleicht zum ersten Male in ihrem Leben, daß sie selbst eine Thürklinke berührte — saß das Kind Theresens gerade auf dem Schooße der Wärterin und wurde gespeist. Die Gräfin warf sich daneben auf die Kniee, sah ihm in das Gesicht — und sagte dann halb traurig und halb froh: „Er steht ganz anders aus, du hast Recht, ich hätte ihn auf der Straße nicht wieder er kannt — aber schöner, viel schöner ist er geworden!" und sein Händchen zum Munde führend, frug sie mit unaussprechlicher Zärtlichkeit: „Kennst du mich noch, mein süßes Kind?" Statt aller Antwort schrie der kleine Junge, weil die Liebkosung der Gräfin ihn am Essen hinderte. „Er ist so hungrig," sagte die Wärterin, indem sie den Grafen ansah; „später wird er freundlicher sein, denn er kennt Sie gewiß noch." Die glückliche Mutter blieb nun ruhig knieend neben dem Kinde liegen und wartete ab, bis seine Mahlzeit fertig war; dann nahm sie ihn auf den Schooß, und da sie einiges Zuckerzeug aus der Tasche zog und es ihm anbot, sagte der Kleine auch wirklich, weil er nur von Theresen solche Näschereien em pfangen hatte: „Mama, Mama!" Die Gräfin drückte ihn an's Herz und blickte strahlenden Auges nach dem Gemahl, der in der Fenster- Krüstung stand und wie sie nun zu ihrer großen Ver wunderung gewahrte, nicht nach ihr und dem Kinde, wie er sonst zu thun pflegte, sondern hinab nach dem Schloßhofe blickte und ihr den Rücken zukehrte. „Clemens," rief sie laut, „freue dich mit mir an unserm wundervollen Kinde!" Aber der Graf, den alle Fassung verlassen, ant wortete nicht, sondern verließ rasch, ohne ihr das Gesicht zuzukehrcn, das Zimmer. Sie frug verwundert die Wärterin, die am anderen Fenster stand, was unten im Hofe vorgehe? „O das Reitpferd stotterte die Frau, die auch in die neue Rolle sich noch nicht recht finden konnte. Die Gräfin aber sagte mit dem Lächeln der glück lichen Mutter, indem sie Theresens Kind fest an ihr Herz drückte: „So sind die Männer, über ein Pferd vergessen sie ihr Kind! Aber ich vergesse dich nicht, und nie mehr, das schwöre ich bei allen Heiligen, soll man mich nur auf einen Tag von dir trennen!" Graf Clemens aber war nicht bei seinem Pferde, wie die Wärterin in ängstlichem Eifer log, sondern hatte sich in seinem Zimmer eingeschlossen, und dort ging der sonst so harte und gefühllose Mann hände ringend auf und ab und frug zitternd sich selbst: „Werde ich die Kraft haben, dies zu ertragen? Zu sehen, wie Agnes das fremde Kind in glücklicher Liebe auf Händen trägt, während ich weiß, daß unser Liebling drunten in der kalten Gruft vermodert?" — Endlich machte seine schmerzbeladeue Brust sich Lust in dem brünstigen Gebet: daß der Himmel ihnen ein zweites Kind schenken und dadurch seinem Herzen auch wieder Vaterfreude verleihen möge! Fortsetzung folgt. Kirchliche Nachrichten. Dippoldiswalde. Am 9. Sonntage n. Trin. (6. August) predigt Herr Diac. Gersdorf. Vorher Communion: Derselbe. Nachmittags Bibelstunde. Allgemeiner Anzeiger. Das laut unserer Bekanntmachung vom 12. April d. Js. abhanden gekommene Einlagebuch hiesiger Sparcassen-Verwaltung Nr. 7887 wird, nachdem sich innerhalb der gesetzten Frist Niemand als dessen Besitzer gemeldet und der rechtmäßige Eigenthümer desselben den Verlust desselben eidlich erhärtet hat, hiermit für un- giltig erklärt. Dippoldiswalde, den 31. Juli 1871. Der Stadtrath. Voigt, Bürgermeister. Bekanntmachung. Roß- und Mehmarkt zu Dippoldiswalde de« 18. August 1871. Stättegeld wird nicht erhoben. Der Stadtrath zu Dippoldiswalde. Ausführung desselben besondere Verdienste erworben und bedeutende Opfer gebracht hat. Höckendorf bei Dippoldiswalde, d. 31. Juli. Die hiesigen, aus dem Kriege heimgekehrten Soldaten. Unser herzlicher Dank und unsere aufrichtige An erkennung, die wir für den uns freundlichst bereiteten Fest- und Ehrentag in diesem Blatte öffentlich auS- sprachen, gilt ins besondere dem geehrten hiesigen Militairvereine, der sich um die Veranstaltung und