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Erscheint Dienstagsund Freitags. Zu beziehen durch alle Postanstalten. Weißerih-Zeitung-H Amts- und Anzeige-Matt der Königlichen Verichts-Aemter und Stadtrüthe zu Dippoldiswalde und /raurn^ei«. Verantwortlicher Redakteur: Carl Zehne in Dippoldiswalde. Tagesgefchichte. Dippoldiswalde, den 20. Juli. Alles nimmt ein Ende, Gutes und BöseS; und so ist denn auch unsere „große Woche" den Weg alles Fleisches ge gangen, nicht ohne manche angenehme und denkwürdige Erinnerung zurückgelassen zu haben. Daß zunächst die Gunst des Wetters unserm Feste gelacht in einem Jahr, wo eine darauf gegründete Versicherungsgesellschaft entschieden längst Bankerott gemacht haben würde, können wir nicht hoch genug anschlagen; daß uns aber an demselben Gelegenheit geboten war, unseren lieben, vom Kriegsschauplätze heimgekehrten Mitbürgern zum ersten Male im geselligen Kreise die Freundeshand bieten und sie wieder als die Unsrigen begrüßen zu können: das wird aus langehin unvergessen sein. Letzterer Umstand hatte diesmal unserm Schießfeste einen ganz besonders fröhlich bewegten und kriegerischen Eharakter gegeben; denn die Theilnahme der entlassenen Wehrmänner am Schützenfrühstück und am Auszüge, das ihnen veranstaltete Tanzvergnügen, das zu ihrem Bedarf errichtete, mit der Inschrift: „Wächter am Rhein, hier kehret ein!" bezeichnete Zelt, die vielen aus der Zuschauermenge auftauchenden Uniformen, gar häufig mit dem „Eisernen Kreuze" geschmückt, und Anderes trugen dazu bei, unser Fest zu dem Nachklange der verlebten kriegerischen Zeiten zu machen. Ueber den Sonntag haben wir schon in voriger Nummer be richtet. Am Montage, wo das Schießen nach dem großen Vogel rüstig fortgesetzt wurde, erlangte Herr Kaufmann Reichel z'r., genau in der Mittagsstunde, die Königswürde, während Hr. Mechanikus Holzhöfer die Würde eines Marschalls errang. In den Nach mittagsstunden, die von Nah und Fern Besucher in Menge herbeigelockt hatten, war durch Freiconcert für allgemeine, und durch mit allerlei verlockendem Tand geschmückte Masten für die besondere Unterhaltung unserer kletterlustigen Jugend gesorgt. Um den Mäd chen, die sich des Luxus eines Portemonnaie'S nicht er freuten, einen Ersatz für das ihnen versagte Vergnügen deS Kletterns zu bieten, durften diese an langer Tafel in Kaffee und Kuchen schwelgen, der in reichlicher Dosis von Gattinnen und Töchtern der Schützen servirt wurde. Die Schaulust wurde durch ein im Laufe des Tages erst angekommenes, schleunigst aufgeschlagenes Kunst theater des Director Reimschüssel gewaltig angezogen, und wirklich leisteten, soweit wir uns davon zu über zeugen Gelegenheit hatten, die Mitglieder der Gesell schaft in gymnastischen und akrobatischen Kunststücken ganz AnerkennenswertheS. Daneben knallte es von den Schießständen, und rasselten die an den beiden CarousselS aufgestellten Leierkasten ihre Janitscharenmusik, in welcher selbstverständlich „die Wacht am Rhein" nicht fehlte. Im Saale des Schießhauses fanden sich trotz der tropischen Hitze Tänzer und Tänzerinnen genug zu sammen, und Restaurationszelte und Würfelbuden thaten das Ihrige, um die Wahrheit des Axioms zu erhärten: Nämlich so ein Schützenfest Giebt dem Portemonnaie den Rest! Der Glanzpunkt des Tages und überhaupt des ganzen Festes war für den Abend aufgespart. Nach Beginn der Dunkelheit, wo der Festplatz mit bunten Laternen und Talgnäpfchen glänzend beleuchtet wurde, concen- trirte sich alles Leben auf den freien Raum neben dem Turnplätze. Alle Augen waren erwartungsvoll nach der Höhe der Birkenleithe gerichtet. Dort sollte sich Großes ereignen! Und wirklich, bald nach neun Uhr lohte es da oben plötzlich auf; Wachtfeuer entzündeten sich ; französische Truppen hatten dort auf dem„Spichern" ihr Bivouac aufgeschlagen. Aber bald regte sich'S im Dickicht: Flintenschüsse, Hurrahruf, Hornsignale er schallten, die Spicherer waren überfallen worden; ein kurzer, heftiger Kampf — und die ganze Sippe war den Unseren in die Hände gefallen! Und nun kam da langsam der Transport der Gefangenen den Berg herab. Vorauf Uhlanen, nebenan Infanterie, zum Schluß Husaren. Eingeschlossen von ihnen schritten sie daher, die Söhne der Wüste, die gefürchteten Turko'S, Kaisergarde, FranctireurS in blauer Blouse und rothhemdige Garibaldianer, hinterher sogar eine ihnen abgenommene Mitrailleuse. Ein Glück für die Gefangenen, daß sie gerade den Unseren in die Hände gefallen waren, die in rasch geschaffenem Bivouac freund lichst Proviant und Lagerfeuer mit ihnen theilten, und daß sie, soweit wir sie anredeten, natürlich mit Aus nahme der Turko'S, aus elsässischem Bruderstamme zu sein schienen, so daß einer eingehenden Verständigung nichts im Wege stand. — Der Scherz war in der That höchst gelungen, und als am nächsten Morgen, nachdem der ganze Zug bei der Reveille die Straßen der Stadt, zum großen Jubel der Bewohner, durch zogen, die Begleitmannschaft für ihre „Verwundeten," denen die Aerzte jeden Genuß von Wasser oder Bier streng untersagt hatten, nothgedrungen auf Wein-Re quisition ausgingen, soll ihre Ausbeute hinreichend ge wesen sein, auch den „Gefangenen" ihre wohlgemessene Portion zukommen zu lassen. Zwei der letzteren wurden übrigens wegen wiederholter Desertion und gesetzwidrig verübter Annexion „erschossen." — Der sich in dieser Production aussprechende Humor gab entschieden dem Feste eine angenehme Würze, wie wir sie ihm stets wünschen.