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November müssen sämmtliche Bahnlinien im Bau fertig sein, also die Ringlinie um die innere Stadt, sowie nach Eutritzsch, Connewitz und Lindenau hin. Berlin. Bei dem am 15. Juni erfolgten Schluß des Reichstages dankte der Kaiser in seiner Thronrede dem Reichstage für die freigebigen Gewährungen zur Entschädigung verwundeter Krieger und der Hinterbliebenen von Gefallenen und für alle sonst gewährten Unterstützungen der durch den Krieg Geschädigten, sowie für die Dotationen. Die Thron rede zählt alsdann alle übrigen zu Stande gekommenen Vorlagen auf, gedenkt namentlich der Gesetze für Elsaß, welche constatiren, daß den deutschen Regierungen und dem Volke, wie auch in einzelnen Fragen die Ansichten abweichen, ein Gedanke, ein Wille gemeinsam sei, nämlich wiedererworbenes Land unter Schonung be währter Einrichtungen durch eine milde Verwaltung und eine freiheitliche Gesetzentwickelung dem großen Baterlande innerlich zu verbinden. Als Zeugen des Truppeneinzuges werden die Abgeordneten in die Heimath die freudige Gewißheit mitnehmen, daß die patriotische Hingebung der deutschen Volksvertretung an der groß artigen Entwicklung des Vaterlandes und an der Sieges feier berechtigten Antheil hat. „ Möge, wie ich zu Gott hoffe und wie ich nach den neubegründeten Beziehungen des deutschen Reiches zu allen auswärtigen Mächten überzeugt sein darf, der Frieden, dessen wir uns erfreuen, ein dauernder sein." Berlin. Das Siegesfest, bei dem unsere Helden nach heißen Tagen des Kampfes, mit dem Lorbeer des Sieges und den Palmen des Friedens geschmückt, einzogen in Deutschlands Hauptstadt, ist herrlich, in größter Ordnung und ohne wesentlichen Unfall verlaufen! Der liebe Herr gott hatte, gleichsam als wollte er auch durch seine strahlende Sonne zeigen, wie er zu der gerechten Sache der Deutschen liebreich stand, das schönste Wetter ge sandt. — Punkt 11 Uhr begab sich Kaiser Wilhelm, gefolgt von glänzender Suite, nach dem Tempelhofer Felde, um die Revüe über 42000 Mann abrunehmen, und um 12 setzte sich der SiegeSzug in Bewegung. Der Jubel, mit dem der Kaiser, die Prinzen, Gene räle u. s. w. und die Truppen auf dem ganzen Wege empfangen wurden, läßt sich auch nicht im Entferntesten wiedergeben ; man muß diesem Ausbruche des Volks- dankeS beigewohnt haben, um ihn ganz mit zu empfinden! Ebenso unmöglich ist eine Schilderung des überaus reichen, künstlerischen Schmuckes der ganzen Stadt. Nach 5 Stunden war der Vorbeimarsch erst beendet, und eS folgte die Enthüllung des Denkmals Friedrich Wilhelms HI. im Lustgarten; den Schluß bildete der Choral: „Nun danket Alle Gott!" — Der Kaiser verlieh viele Gnadenbezeigungen: Graf Moltke wurde zum Feldmarschall ernannt, Kriegsminister Roon in den Grafenstand erhoben; mehrere Prinzen, darunter Luitpold von Bayern, Georg von Sachsen und die commandirenden Generale, erhielten Regimenter; der Kronprinz von Sachsen wurde zum Generalinspecteur der ersten Armeeinspection ernannt; General v. Man teuffel erhielt den schwarzen Adlerorden. Ferner hat der Kaiser in dankbarer Anerkennung der rühmlichen und bisher unübertroffenen Leistungen der Truppen denselben an ihren Fahnen und Standarten das eiserne Kreuz, oder das Band desselben, oder das Baud der für 1870—71 gestifteten Denkmünze verliehen. Einen würdigen Abschluß des glänzenden Festes bildete die Illumination; kein Haus, kaum ein Fenster war zu sehen, das nicht in festlichster Beleuchtung prangte. Wie eine Schilderung des Schmuckes der Siegesstraße unmöglich war, so ist es auch die der Illumination, — Jeder hatte Anstrengungen gemacht, das herrliche Siegesfest in glänzendster Weise abzuschließen. Bei dem Galadiner, daS im königl. Schlosse (mit gegen 700 Gedecken) stattfand, wozu sämmtliche in Berlin anwesende Fürstlichkeiten rc. geladen waren, weihte Kaiser Wilhelm das erste Glas dem Andenken des Heldenkönigs, dessen Denkmal enthüllt worden, und trank auf das Wohl von Volk und Heer. Ein zweites Hoch des Kaisers galt dem Wohle des jetzt geeinten Deutschlands, sowie seiner Monarchen und Fürsten, der anwesenden, wie der abwesenden. Baiern. Der feierliche Einzug der bairischen Truppen in München ist auf Mitte Juli festge setzt, und König Ludwig hat eine officielle Einladung an den Kronprinzen von Preußen, den Sieger von Weißenburg und Wörth, ergehen lassen, diesem Einzuge an der Spitze der von ihm so glorreich geführten bairischen Kämpfer beizuwohnen. In allen Schichten der dortigen Bevölkerung giebt man sich der frohen Erwartung hin, daß der „Generalfeldmarschall der Süddeutschen" mit seinem Stabe und möglichst zahl reichen Deputationen norddeutscher Truppentheile in München erscheinen werde. Paris. Die projectirte französische Anleihe soll nicht in der ursprünglich beabsichtigten Höhe von 2*/» Milliarden, sondern nur die Höhe von 2 Milliarden FrS., und zwar verzinslich zu 5 Proc. emittirt werden. Vermischtes. Von Einzelnheiten beim Siegesfeste erwähnen wir heute nur die nachstehenden: Als Fürst Bismarck am Einzugstage zu Rosse neben dem Denkmal des Fürsten von Blücher hielt, ließ er sich ein Glas Limonade reichen und theilte den Trunk mit dem neben ihm haltenden Grasen v. Moltke, der sich gleich dem Fürsten mehrere Male mit Ihrer kaiserlich-königlichen Hoheit der Frau Kroi.prinzesiin freundlichst unterhielt. Ein Provinziale, seinem Aussehen nach ein reicher Gutsbesitzer, der den ganzen Vorgang mit Inter esse verfolgt hatte, konnte nicht umhin, dem Diener, welcher den Labetrunk gereicht hatte, enthusiastisch laut zuzurufen: „Zehn Thaler für das Glas, aus welchem der größte Mann seines Jahrhunderts jetzt getrunken!" Der Diener aber zog triumphirend mit dem Glase davon, die Offerte ausschlagend. Fürst Bismarck wandte sich um, und — lächelte. Trotz aller polizeilichen Aufmerksamkeit hatte sich ein kühner jugendlicher Berliner auf das in sinniger Ausschmückung mit Blumen und hohen Topfgewächsen umhüllte Standbild des „alten Fritz" zu schwingen gewußt, wo er so lange verweilte, bis der Kaiser mit der Suite heranritt. In diesem Augenblick kletterte er auf den Dreimaster des großen Königs und schwenkte unter sichtlichem Vergnügen des Monarchen einen Lorbeerkranz, den er später dem Vorbild des gefeierten Helden aufs Haupt drückte. Das französische Gesandtschaftshotel (am Pariser Platz) machte einen ausfälligen Contrast zu dem Festgepränge, indem sämmtliche Fensterladen desselben dicht verschlossen waren.