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der große nationale Gedanke, welcher den Reichstag stets in seiner Berathung leitete, werde durch die jetzige letzte Berathung um einen entscheidenden Schritt seiner vollen Verwirklichung näher geführt werden. Der Reichstag wird hauptsächlich über die Be schaffung von Geldmitteln zur Fortführung des Krieges und über die Erweiterung des Bundes durch Aufnahme der Südstaaten, sowie über die dadurch bedingten Aenderungen der Bundesverfassung zu beschließen haben. Die letztere Aufgabe macht diese außerordentliche Sitzung des Reichstages zu einer hoch wichtigen. Wie auf der einen Seite den Südstaaten der Eintritt möglichst erleichtert werden möch.e, so möchte auf ter andern die bereits erprobte wohlthätige Wirksamkeit des Gundes dadurch nicht aus's Spiel gesetzt werden, daß man dem Particularismus auf Kosten der Einheit neuerdings Zugeständnisse macht, welche das Wesen des Bundes und damit die Sicherheit und Machtstellung des verbundenen Deutschlands gefährden könnten. Der Präsident Delbrück erklärte in der Sitzung vom Sonnabend, 26. Nov., daß die Bert rüge mit Würtemberg und Bayern unterzeichnet seien, was große Begeisterung hervorrief. — Bei Berathung über die Creditvorlage (100 Mill. Thlr.) zur Fortsetzung des Krieges, die gegen 4 Stimmen Annahme fand, zeichneten sich die Abgeordneten Bebel und Liebknecht durch Reden, die Unpatriotismus der Gesinnung und Rücksichtslosigkeit in der Form erkennen ließen, in einer Weise aus, die allgemeine Empörung gegen diese Männer hervorrief. Man müsse die Reden derselben lesen, heißt es, um für möglich zu halten, was sie beantragten. „Der Krieg sei kein VertheidigungSkrieg, sondern ein Eroberungskrieg, der für Unterdrückung der edlen fran zösischen Nation geführt werde, und mau müsse unter Verzichtleistung auf jede Annexion französischen Gebietes mit der französischen Republik schleunigst Frieden schließen!" Natürlich fand der Antrag keine Unter stützung, und es werden derartige Scenen, wie sie im Reichstage noch nicht dagewesen, sich hoffentlich nie wiederholen. Italien. Der König wird sich erst zu Ende Decemder cder Anfang Januar nach Rom begeben. Den Einzug Bieter Emanuels hat der Papst gar nicht abgewartet, um den König zu excommuniciren; er hat schon jetzt den Bann gegen den Beherrscher des einigen Italiens geschleudert in einer Encyklika vom 1. Novbr. Spanien. Die officielle Annahme der Königs krone Seiten des Herzogs von Aosta ist am 21. Novbr. in Madrid eingetroffen. Dom Kriegsschauplätze. Nachdem die Beschießung von Thionville aus 76 Geschützen am 22. November begonnen hatte, ist am 24. (Donnerstag) die Kapitulation dieser Festung erfolgt. Am Freitag Vormittag wurde es von unseren Truppen besetzt; 200 Geschütze wurden genommen und 4000 Gefangene gemacht. Der dies seitige Verlust während des Bombardements ist gering. Thionville liegt 5 Meilen nördlich von Metz, an der Mosel, hat 7—8000 Einwohner, die meist deutsch reden. Es gehört zu demjenigen Theile Lothringens, der nach dem Friedensschlüsse wieder an Deutschland zurückfallen soll; früher hieß eS Diedenhofen und spielte vormals als eine der ältesten deutschen Städte im Reiche eine Rolle Nach dem Fall von Thionville werden in den einzuverleibenden Gebieten nur noch die kleinen Festungen Bitsch und Pfalzburg von den Franzosen behauptet. Die bei Thionville freiwerdenden Truppen werden sich nun wohl nach Montmedy und Meziöres wenden, und sind auch diese genommen, so werden unsere im Norden befindlichen Truppen den Rücken völlig frei haben, und der Verkehr nach der Grenze hin, Ver pflegungstransporte rc. werden sich ohne Aufenthalt in gerader Linie bewegen können. Aus Versailles meldet man, daß am 22. Novbr. auf allen Punkten der Vormarsch gegen Süden begonnen habe, um Orleans, Bourges und Tours zu nehmen. Letztere Stadt, wichtig als Sitz der pro visorischen Regierung, wird vom Großherzog von Mecklen burg in Angriff genommen werden; Orleans dürfte das Ziel des Ceiurumö unter Prinz Friedrich Carl sein, während der linke Flügel unter Voigts-Rhetz auf das feste Bourges steuert, das jetzt besonders wichtig ist als Waffenplatz der Loire-Armee. Die Entscheidung, die durch diese combinirten Bewegungen herbeigeführt werden soll, dürfte sich wohl noch mehrere Tage hinziehen; zu nächst ist die Besetzung von Le ManS durch die Truppen des Großherzogs von Mecklenburg zu erwarten. Am 24. November wurden zwischen Rohe und Am iens Mobilgarden vertrieben, die auch bei späterer Recognoscirung bedeutende Verluste erlitten. General v. Tresckow warf bei Belfort den Feind aus seinen Positionen und schlug einen Ausfall am 23. siegreich ab. Die Pariser Forts sind seit dem 20. November völlig schweigsam. Eine Reise nach -em Südwesten Deutschlands und nach Straßburg. Gemäß dem Ihnen gegebenen Versprechen über gebe ich Ihnen hiermit eine kurze Schilderung meiner neulichen Reise nach dem Südwesten Deutschlands. Der vielbefahrene Schienenweg, der über Freiberg und Chemnitz durch die romantischen Gegenden deS Ober-Erzgebirges und des Fichtelgebirges sich fortsetzt, führte auch mich auf seinen malerischen Krüm mungen von der trauten Heimath hinweg. Nicht so schnell jedoch, als ich gehofft hatte, ging die Reise, denn in ganz Süd- und West-Deutschland sind die Nacht- Eilzüge vom Fahrplane gestrichen, da die Bedürfnisse des großen Krieges die Arbeitskräfte der Beamten und das Material der Eisenbahnen fast über die Gebühr in Anspruch nehmen. Doch war von den Transporte» für Kriegszwecke weniger, als ich geglaubt hätte, wahr zunehmen, und nur die Etappen-Commando's, die Er frischunge- und Verbandstalionen auf den Bahnhöfen und die vielen, ganz oder theilweise wiederhergestellten Verwundeten, welche mit Iven Zügen zu ihren Regimentern zurückkehrten, erinnerten an die Wichtigkeit, welche die Eisenbahnen für die moderne Kriegführung für sich in Anspruch nehmen dürfen. Auch in dem Coupse, in welches ich auf der Strecke Bamberg-Würzburg auf 6 Stunden ge bannt war, leisteten unS drei deutsche Krieger Gefährt schaft, welche von Neuem auf dem Wege zum KriegS- getümmel waren, dessen Schrecknisse sie bereits in ernster Weise kennen gelernt hatten.