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der Herzog von Aumale zum Präsidenten der Republik erklärt wird, oder sei es, daß man den Grafen von Paris zum König auSruft, —sind übrigen« durchaus nicht ohne Begründung. Wenn die Orleans auch in den großen Städten, wie Paris, Lyon, Toulouse und Mar seille ohne besonderen Anhang sein mögen, so sind sie in der Provinz doch noch in gutem Andenken, und die starke Propaganda, die man zu ihren Gunsten macht, findet dankbaren Boden. Neuere Nachrichten melden nun, daß ein Theil der ehemaligen Mitglieder des Gesetzgebenden Körpers die jetzige provisorische Regierung zur Mäßigung und Besonnenheit bestimmt habe; man hat ihr klar gemacht, daß es nur ein Mittel giebt, aus den Verlegenheiten herauszukommen, nämlich das: sofort die Wahlen vor- eunehmen und eine Nationalversammlung etnzuberufen, aus der eine legitime Regierung hervorgehen wird, mit welcher Preußeu unterhandeln kann. Vom Kriegsschauplätze. Die Beschießung von Paris hat noch nicht begonnen. Politische Rücksichten werden es jedenfalls nicht sein, aus denen man die Operationen gegen die Stadt noch aufschiebt; doch verlautet auch nichts über die Gründe. Berliner Zeitungen stimmen sogar darin ziemlich überein, daß die Beschießung nicht vor Anfang November beginnen werde. Ihre Wirkungen würden dann mit denen deS empfindlicheren Mangelsan Nahrungs mitteln zusammentreffen. Am 22. Oct. hat ein lebhaftes und anhaltendes Gefecht zwischen Vorah und Bussay stattgefunden, worüber nähere Nachrichten noch fehlen; — Tags vor her wurde Vernon längere Zeit beschossen. Wichtiger ist die Nachricht, daß am 24. (Montag) die Festung Schlettstadt capitulirt hat. 2400 Gefangene wurden gemacht und 120 Geschütze genommen. Die Stadt hat 11,000 Einwohner; die Festung ist den Waffenplätzen 2. Classe zuzuzählen, und außer der Wichtigkeit, welche die Lage des Platzes demselben an und für sich schon giebt, tritt noch der Umstand hinzu, daß es darauf ankommt, den Oberelsaß von feindlichen Streitkräften auch in seinem südlichsten Theile zu säubern, den dort umherstreifenden Freischützen die Stütz- und Sammelpunkte zu entziehen und sie unschäd lich zu machen. Die Division des Generals v. Schmeling, der vor Schlettstadt gelegen, wird daher nunmehr, nach Zurücklassung einer geeigneten Besatzung, von Schlett- st'adt weiter südlich marschiren, um im Verein mit dem Corps des General v. Werder die vollständige Säuberung deö Elsaß, und die Bewältigung der noch vorhandenen festen Plätze Besannen und Belfort sich zur Aufgabe zu machen. Offizielle militärische Nachrichten neueren Datums (vom 25. Octbr.) aus Versailles melden: General v. Werder warf am 22. October die aus zwei Divi sionen bestehende sogenannte Ost-Armee unter General Cambriels, welche sich bei Rioz und Ctuz stellte, in hitzigem Gefechte über den Oignon und aus Auxor- DessuS gegen Besanyon zurück. Diesseits im Gefechte: Brigade Degenfeld, Truppen der Brigade Prinz Wil helm und Keller, und zwei Bataillone Regiments Nr. 30. Unser Verlust: 3 Offiziere, etwa 100 Mann. Der Feind hatte bedeutendere Verluste, dabei 2 Stabs offiziere, 13 Offiziere, 180 Mann Gefangene und zog sich in größter Unordnung zurück, v. PodbielSki. In Metz fängt es an — und darin stimmen alle Nachrichten überein — sehr unruhig zu werden. Die Einwohner haben offen demonstrirt und verlangen von Bazaine die Uebergabe von Metz, um aus ihrer pein lichen Lage erlöst zu werden. Auch die Soldaten fangen an zu murren; täglich desertiren 20 bis 30 aus der Festung, ja sogar ein Offizier mit der ganzen Feld wache. Diese Umstände, sowie die eingetretene Hungers« noth, lassen die baldige Uebergabe, beziehendllch einen Ausbruch aus Metz, erwarten. Gingesan-t. Dresden, 25. October. Befürchtungen über einen etwa zu rasch abgeschlossenen Waffen - Stillstand und darauf folgenden Frieden kreuzen sich hier mit dem Wunsche nach demselben. Indessen giebt es doch der Anhaltspunkte genug, welche bezeugen, daß Deutschland diesmal mit Ruhe dem Endergebniß seines heldenmüthig von seinen Söhnen durchge kämpften gerechten Krieges entgegensehen kann. Die Nord deutsche Allgemeine Zeitung sagt wohl mit Recht: „Wo das Schwert und die Feder so einträchtig Zusammenwirken, wie in diesem Kriege, wird die Eine dem Andern sicherlich nicht hinderlich sein." Mehr als diese Anspielung aus die Thätigkeit der Grafen Bismarck und Moltke, beruhigt uns aber die unwandelbare Sicherheit, mit welcher das Werk der deutschen Einigung dicht vor den Thoren von Paris, in Versailles, von den Ministern des Nordbundes, zu welchen auch unserer Staatsminister von Friesen gekommen, und denen der Südstaaten zum Abschluß gebracht wird. Großartiger haben sich kaum je die deutschen Geschicke erfüllt. Nicht ohne Interesse liest man auch, daß der greife Bundesfeldherr in seiner Unermüdlichkeit für die Arbeit des Krieges auch noch für an sich unbedeutende Arbeiten des Friedens Zeit zu gewinnen vermag. Die Leipziger beabsichtigen ein Concert für die deutsche Jnvalidenstistung zu veranstalten, und wünschten dazu die Mitwirkung des berühmten Berliner Domchors. Um diese zu erlangen, wandten sich nun die an gesehensten Einwohner mit einem Gesuche an den König Wilhelm in Versailles, und jetzt ist ihnen die Gewährung ihres Gesuchs zurückgekommen, wie es in der Antwort heißt: aus Rücksicht für den patriotischen Zweck und die große mu sikalische Bedeutung Leipzigs. Das Concert selbst sinder am 30. October statt. Vermischtes. Von der würtembergifchen Felddivision schreibt ein Soldat, seines Zeichens ein Gerber, aus Noisiel vom 16. Oct.: „Wie Du siehst, bin ich wieder hier, aber Gott sei Dank nicht als Kranker, sondern um den Weißgerber zu machen. Unser Regiment hat nämlich über 200 Schafe re- quirirt. Um die Felle nicht zu Grunde gehen zu lassen, wurde ich befragt. Ich sagte unserm Herrn Obersten, daß die Sache schon zu arrangiren wäre, und erhielt sodann den Auftrag, die Schaffelle weiß zu gerben. Wir sind bis jetzt schon so weit, daß wir 70 Stück gegerbt und die nächste Woche schon damit anfangen können, fertig zu machen. Was man Alles nicht werden kann, im Felde, 16 Kilometer von Paris, als Belagerer und Schaffellgerber, um den Kranken im Spital und Regiment Fußteppiche und Wärmehalter zu machen! Da werden die Franzosen noch vielmals davon sprechen, wenn wir deutsche Soldaten so in aller Ruhe und Gemüthlichkeit nebenher noch solche Sachen machen und unser Handwerk wie in Friedenszeiten treiben!"