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Die Zustände in Lyon «sind der Art, daß die provisorische Regierung in Paris 5000 Mann Truppen dorthin senden mußte. Der Pariser Regierungsbevoll mächtigte hat dort das Schauspiel erlebt, daß die Truppen mit geladenen Gewehren gegen ihn austraten; eS herrscht dort vollständige Anarchie. Die Vorkehrungen zur Vertheidigung von Paris werden fortgesetzt. Die um die Stadt liegenden Forts sind mit 982 Kanonen armirt; die befestigten Stadtwälle sind zur Aufnahme von 1226 Geschützen berechnet. General Trochu hat mehrere hundert der schönsten Häuser in der Umgegend niederreißen lassen; die Waldungen in der Nähe sollen verbrannt und Un massen von Petroleum an und in die Bäume gegossen werden. In Paris selbst ist jetzt das Aufreißen des Pflasters eine vollendete Thatsache; außerdem will man siedendes Oel auf die Eindringlinge gießen, und die Straßen sollen durch bewegliche Panzerbarrikaden ver- theidigt werden; Gaslicht giebt es in Paris nicht mehr. Die regulären Truppen haben die Stadt verlassen; sie sind dem Feinde entgegengesandt worden und Freischützen corps dienen ihnen als Plänkler. Auch Frauen sollen eine große Kampflust an den Tag legen, ihre Revolver haben und absolut wenigstens einen „krussiön" todt- schießen wollen. Rochefort ist zum Führer Derer er nannt, welche sich beim Straßen-Kampfe betheiligen wollen. Die Pariser Zeitungen haben bereits die größte Mühe, sich das nöthige Papier zu verschaffen; mehrere sind bereits gezwungen, in halbem Format zu erscheinen, einige auch schon eingegangen. England. Die Sendung des Herrn ThierS nach London ist dort von keinem Erfolg gewesen; er hat für Preußen unannehmbare Vorschläge, u. A. auch den überbracht: die neutralen Mächte sollten ein Bünd- niß bilden, um den Abzug der deutschen Truppen aus Frankreich zu erzwingen. Dies wird natürlich für un zeitgemäß und nicht der Berücksichtigung Werth erklärt; man ermahnt Frankreich vielmehr, seine gegenwärtige Lage besser in Erwägung zu ziehen. Italien. Ohne Aufenthalt rücken die italienischen Truppen nach Rom, wo bereits der Belagerungszu stand proclamirt ist. Aus vielen Städten kommen Adressen an den König, welche die Hoffnung auf rasche Erfüllung der nationalen Wünsche aussprechen. — Der Papst hat den Vorschlag, auf einem englischen Schiffe nach Malta zu reisen, abgelehnt; er wird im Vatican bleiben. — Nach der Besetzung des Kirchenstaates und der Stadt Rom, beabsichtigt die Regierung, durch all gemeine Wahl ein italienisches Parlament einzu berufen, das in Rom tagen soll. Vom Kriegsschauplätze. Die Vorposten unserer Heere stehen nun wirklich vor Paris, das bereits von 3 Seiten eingeschlossen ist. Wenn man sich wundert, daß bereits seit 14 Tagen der Vormarsch signalisirt ist und jetzt noch keine wich tigeren Nachrichten eingegangen sind, so ist dies sehr natürlich, denn Paris ist an und für sich eine sehr starke Festung, deren einzige Schwäche darin besteht, daß sie eine Stadt von 2 Millionen Einwohnern um schließt und augenblicklich eine ungenügende unzuverläs sige Besatzung hat. Trotzdem ist dieselbe stark genug, als daß sich unsere auf verschiedenen Straßen marschi- renden Truppen, so wie sie anlangen, ganz gemiithlich vor Paris etabliren könnten. Die Operationen der Armee, welche jetzt einen großen Halbkreis von Senlis bis Melun einnimmt, mußten durchaus im Einklänge mit einander stattfinden, und hierzu gehörte, daß die im Centrum befindlichen Truppen ihr Marschtempo so lange verkürzten, bis die Flügel auf ihrem länger« Wege sich Paris in demselben Maße genähert hatten. Hierdurch entstand naturgemäß der Aufenthalt, welcher der Ungeduld manches Lesers gewiß zu lange gedauert hat. ' DaS Hauptquartier befindet sich jetzt in Meaux, 5 Meilen von Paris. — Die Franzosen haben auf den Chausseen und Eisenbahnen nach Paris alle Kunst bauten unnöthig gesprengt, da der Marsch unserer Colonnen dadurch nicht eine Stunde aufgehalten wurde. Die Occupation und Säuberung des Ober- Elsa sseS, welche nun ernstlich ins Werk gesetzt wird, erfolgt mittels einer Truppenzahl, welche für jenen Zweck als hinreichend betrachtet werden kann. Gchlett- stadt und Neubreisach wird man dabei für'S Erste un berücksichtigt lassen, da sie nicht in der Lage sind, die militärischen Operationen zu hindern, und sie ohnehin dem Schicksale Straßburgs werden folgen müssen. Die Besetzung von Colmar durch deutsche Trupen ist erfolgt, und mit der Beschießung der Festungen To ul und Metz hat man begonnen. Ebenso werden die Belagerungsarbeiten und Beschießung von Straß burg mit außerordentlicher Energie fortgesetzt. Deutlich unterscheiden konnte man die Geschosse der furchtbaren Riesenmörser; eS krachte wie ein langsam verhallender Donner, wenn eins dieser Ungethüme platzte. Die Wirkung muß eine entsetzliche sein. — Die letzte Depesche des Commandanten von Straßburg lautet sehr traurig; man glaubt indeß, daß er sich noch einige Zeit werde halten können. Neuere Nachrichten aus Metz melden, am 10. Sept, habe Bazaine verlangt, die in Metz liegenden Verwun deten nach dem Innern Frankreichs zu transportiren, da es an Aerzten und Verbandzeug fehle, und bei ihrem massenhaften Vorhandensein Typhus und Nervenfieber herrschen. Natürlich wurde es ihm rund abgeschlagen. Die Lebensmittel sollen jetzt bald verzehrt sein in Metz; feit 8 Tagen erhielten die Soldaten nur halbe Rationen und Pferdefleisch. Mehrere Meutereien sind durch Er schießen der Rädelsführer erstickt worden. In Paris ist ein bonapartistischeS Complot entdeckt worden. — 6000 Mobilgarden begaben sich von Paris nach der Provinz, weil sie sich weigerten, die Republik anzuerkennen. — Die Züge der Nord-Bahn gehen jetzt nur noch bis St.-Denis. Die Eisenbahn nach Orleans ist an mehreren Stellen unterbrochen. Zwischen Brüssel und Paris ist der Telegraph zer stört. — Mühlhausen, Cernay nnd Bussang sind von deutschen Truppen besetzt worden. Es kommen im Belgischen noch fortwährend fran zösische Soldaten an, welche sich der Gefangen nahme bei Sedan durch die Flucht entzogen hatten, über die belgische Grenze, wo sie von Seiten der bel gischen Behörden verhaftet werden. Die französische Flotte scheint gänzlich zurück berufen zu sein; die größeren Schiffe sind alle bereits auf dem Rückwege durch den Kanal gesehen worden, und die Station bei Helgoland wurde aufgehoben. — Die Blokade der Elbe und Weser ist ebenfalls auf gehoben worden.