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— 646 — wiesrnthal ein weiße« Haupt gehabt; auch bei uns hat e« gestern, bei 4 Gr. Kälte, mit Schnee gebröckelt. Sah man doch auf dem kahlen Berg, wie auf dem Lugsteine, davon deutliche Spuren. Die Herolde deS Winters sind also vor der Thüre! Und wir haben, außer wenigen Garben, die feucht, ja naß hereingebracht und in den bescheidenen Räumen zum Trocknen auf gestellt sind, unser sämmtlicheS Getreide noch draußen! Der Hafer ist zum Theil noch grasgrün; von Reif werden und vom Einernten kann da gar keine Rede fein. Wie alle Feldfrüchte, so versprachen auch die Kartoffeln von vorn herein Erntesegen. Allein bei diesem steten kalten, schaurigen Regenwetter sind sie meistens sehr klein geblieben, krätzig und fleckig geworden. Zu befürchten steht, daß diese Kartoffeln, feucht und naß eingebracht, im Keller nur noch fleckiger und ungenieß barer werden. Lenke es der Herr zum Besten! Dresden. Die für die Residenz bestimmten 4000 französischen Gefangenen werden in einem Ba rackenlager untergebracht werden, dessen Bau bei Uebigau (gegenüber dem Schusterhause) bereits lebhaft in Angriff genommen worden ist. Man hat die weite Entfernung gewählt, um den Gesundheitszustand nicht zu gefährden. Der Bau soll in 4 Wochen beendet sein, und werden die Franzosen selbst daran helfen müssen. Es sind zu dem umfangreichen Bau 140,000 Ellen Bauholz mit 1000 Schock Brettern nöthig. Es werden nämlich im Ganzen 40 Baracken al« Schlaf räume für je 100 Mann errichtet, ferner 4 große Eß-Säle, um jedesmal 500 Mann zu gleicher Zeit speisen zu können; dazu kommen 2 große Wacht-Säle, für je 75 und 3 kleinere für je 30 Mann ; endlich 4 Küchen, jede mit 18 Kesseln. Selbstverständlich fehlen auch die nöthigen Secret-Anlagen nicht. Das ganze Lager wird mit Palissaden umgrenzt. Die für die Festung Königstein bestimmten 500 gefangenen Franzosen trafen am Sonnabend dort ein; eben so viel für das Schloß Pleißenburg in Leipzig sind am Freitag Abend dort angekommen. Der Kaiser von Rußland hat an unseren König Johann folgendes Telegramm gesendet: „Um die Erfolge Ihrer tapferen Truppen zu ehren, erlaube ich mir, Ihrem Sohne, dem Kronprinzen, meinen mili tärischen St. GeorgSorden zweiter Klasse zu verleihen, den er so wohl verdient bat, indem er seine Truppen in so glänzender Weise zum Sieg geführt hat. Ew. Maj. werden hierhin, ich hoffe es, einen neuen Beweis meiner Achtung und meiner Freundschaft erblicken." An Stelle des, unserm Kronprinz Albert nach der Schlacht bei Metz vom König von Preußen verliehenen eisernen Kreuzes 2. Klasse ist ihm jetzt dasselbe erster Klasse zn Theil geworden; unser Prinz Georg, als derzeitiger commandirender General des 12. Armeecorps, erhielt das eiserne Kreuz 2. Klasse. Weimar. Das Land ist in eine tiefe und schmerz liche Trauer versetzt worden: am 16. Septbr. starb hier der Staatsminister v. Watzdorf. Derselbe war 27 Jahr lang in dieser Stellung, und man kann sich eigentlich ein weimarischeS Ministerium ohne ihn nicht denken. Die ganze Gesetzgebung und Verwaltung des Landes trägt den Stempel seines edlen milden Sinnes, seines klaren erleuchteten Geistes. Er hatte es ver standen, die Jahre der Reaction schadlos für die Be wohner vorübergehen zu lassen, und sein Verdienst ist es, daß die Widerlichkeiten des Parteitreibens hier nicht zum Ausbruche kamen; sein versöhnlicher Geist, sein edles Herz hat Vieles geebnet und friedlich geordnet, was anderwärts zu bittern Kämpfen geführt. Deutsch land hat in ihm einen hochsinnigen Patrioten, die Menschheit einen ihrer edelsten bravsten Söhne verloren. Berlin. Trotzdem, daß die deutschen Waffen jetzt einen glorreichen Sieg über den andern erfochten haben, hat Frankreich durch den Krieg doch so viel Jammer über Deutschland gebracht, daß wir fest auf Bürgschaften gegen die Wiederkehr solcher Zustände für die Zukunft bestehen müssen. Was hilft es uns, daß Frankreich die Kriegskosten bezahlt? Der Wohl stand der Tausende und aber Tausende in Deutschland, der durch diesen Krieg geschädigt worden ist, wird da durch nicht gefördert. Der Einzelne, der deutsche Staats bürger, trägt doch immer den Verlust, den die Stockung im Handel und Wandel ihm bereitet haben, und wer giebt eine Entschädigung für die Tausende von theuern Leben, die dieser furchtbare Krieg verschlungen, für die Thränen, die Mütter, Gattinnen, Waisen und Wittwen weinen, für die rasenden Schmerzen, welche unsere braven Krieger in Lazarethen erdulden müssen? Dafür giebt eS keine Entschädigung und wenn Frankreich die Goldgruben Indiens und Peru'S besäße — es kann nicht den kleinsten Theil dieser Schmerzen damit lindern! Zur Sicherung unserer Westgrenzen vor erneuten Er oberungsgelüsten der raubgierigen Franzosen müssen wir nach alledem also Bürgschaften für die Zukunft von Frankreich verlangen, — und diese heißen nach wie vor: Elsaß und Lothringen! Die Ansichten über die Frage: mit wem der Frieden abgeschlossen, werden wird, gehen zu weitaus einander, als daß sie hier alle besprochen werden könnten; die nicht zu ferne Zeit wird es lehren. Was uun aber beim Kriege so Ungeheuern Vorschub leistete, wird eS sicherlich auch beim Frieden: wie der Krieg ein gesammtdeutscher war, kein preußischer und kein norddeutscher, so muß auch der Friedensschluß ein ebenso zweifellos gesammtdeutscher sein, einer, der nicht im specifisch preußischen, vielmehr nur im gemeinsam deutschen Interesse zu Stande gebracht wird. Der Kronprinz von Preußen erläßt im „Staats- Anz." einen aus dem Hauptquartier Rheims, 6. Sept, datirten Aufruf, in welchem er den geschäftsführenden Ausschuß der Victoria-National-Jnvaliden- Stiftung beauftragt, die Organisation und Leitung einer Jnvaliden-Stiftung für Deutschland zu übernehmen und zu Beiträgen wie zur Bildung neuer Zweigvereine aufzufordern. Mehrere hundert der braven bairischen Mit kämpfer auf dem Schlachtfeld von Sedan hatten einige Transporte französischer Gefangener nach Berlin ge bracht und wurden dort überaus freundlich ausgenommen (d. h. die Baiern). Der Magistrat ließ jedem Feld webel und Unteroffizier 5 Thlr. und jedem Gemeinen 1 Thlr. auszahlen; der Centralverein für Verwundete im Felde gab Jedem 1 Hemd, 1 Unterhosen, 1 wollene Jacke und 1 Paar Strümpfe, und vom Hilfsverein er hielten sie Cigarren, Tabak, eine Pfeife und Stiefeln. Frankreich. Die Regierung, welche gegenwärtig die höchste Gewalt ausübt, ist durchaus nicht als die Spitze der französischen, sondern nur als die der Pariser Republik anzusehen. Am schärfsten hat sich die Spaltung zwischen der republikanischen Regierung in Paris und der von Lyon ausgebildet, von denen keine der andern nachgeben will.