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Freitag. Nr. 72. 16. September 1870. Weißerih-Zeidmg. Amts- und Anzeige-Dlatt der Königlichen Gerichts-Ämter und Stndträthe zu Dippoldiswalde uud /rauensteiu. Verantwortlicher Redakteur: Larl Lehne in Dippoldiswalde. Preis pw Quartal 10 Ngr. Inserate die Spaltm-Zeile SPfg. Erscheint Dienstagsund Freitags. Zu beziehen durch alle Postanstalten. Tages geschichte. Dippoldiswalde, den 15. Septbr. Der gestern abgehaltene 6. Patriotische Unterhaltungsabend, wiederum zahlreich besucht, verlief ganz wie die bishe rigen, ausgestattet mit Vorträgen und Gesängen, welche letztere theilweise mit Musikbegleitung ausgeführt wurden. Der Vortrag des Hrn. Schuldirector Engelmann gab nach einem Rückblicke auf die früheren eine gedrängte Ueberstcht über die französische Revolution von 1789, knüpfte daran das Erscheinen Napoleons I., besprach den Einfluß, den Letzterer auf die Geschicke Deutsch lands geübt und schloß mit der Gründung des Rhein bundes. Möchte diesen Abendunterhaltungen die so er freuliche Theilnahme unserer Mitbürger erhallen bleiben; denn die Zeit, wo wir mit allem Eifer auf Gewinnung immer neuer Spenden für die Zwecke des Internationalen Vereins bedacht sein müssen, ist noch nicht vorüber. — Die nun erschienene Verlustliste (Nr. 1) deS 12. königl. sächs. Armeecorps enthält die Verluste aus der Schlacht bei 8t. Nuris uux ollsnss und 8t. krivut am 18. August. Sie umfaßt 2048 Mann, und zwar 201 Todte, 1140 Verwundete, 296 Vermißte und 411 Mann, deren Namen (besonders vom 107. Jnf.-Regt.) ohne weitere Angabe aufgesührt sind. Ganz natürlich ist, daß bei den obwaltenden Verhältnissen verschiedene Unrichtigkeiten in der Liste enthalten sind, wie wir deren allein aus unserem Amtsbezirke 5—6 gefunden haben; es ist ein Soldat als todt aufgeführt, der eS nicht ist; als vermißt Mehrere, deren Aufenthalt bekannt; ein gefallener Hauptmann fehlt. Die Liste ist in unserer Expedition stet« einzusehen, auch für 1 Ngr. verkäuflich. — In nächster Nr. werden wir die Namen der, den Landwehr-Bezirken Dippoldiswalde und Frei berg angehörenden, in der Liste enthaltenen Mannschaften veröffentlichen. — Die Verlustliste Nr. 2 wird noch im Laufe dieser Woche erscheinen. — Mehr als 130,000 kriegsgefangene Fran zosen befinden sich bereits in diesem Augenblick auf deutschem Boden. Nicht bloS ihr Transport, sondern auch ihr Unterhalt hier verursacht dem deutschen Volk einen bedeutenden Kostenaufwand, der gering veran schlagt per Kopf mit monatlich 20 Thlr. zu berechnen ist. Bei dem künftigen Friedensschluß wird Frankreich allerdings auch für diese Ausgabe Restitution zu ge währen haben. Jndeß scheint doch auch kaum räthlich, diese großen Massen bloS in den Festungen und in Barackenlagern müßig und unbeschäftigt zu lassen. Nach Völkerrecht können die kriegsgefangenen Unter offiziere und gemeinen Soldaten zur Bestreitung ihrer Unterhaltskosten zu angemessenen Arbeiten verwendet werden. So ließ denn auch der alte Napoleon von den deutschen Kriegsgefangenen den Bau von Chausseen ausführen. Wir würden es für sehr zweckmäßig halten, wenn man in der gegenwärtigen Zeit, wo ohnehin in Folge des Krieges und der Einziehung von Arbeitern zu den Fahnen in vielen Gegenden großer Arbeiter mangel herrscht, die Arbeitskraft der gefangenen Fran zosen zur Ausführung von Staatseisenbahn- und Chaussee bauen verwerthen und sie auch zu anderen öffentlichen Arbeiten verwenden würde. Die Rinderpest tritt an vielen Orten Deutschlands auf. Unser Ministerium erläßt eine Ver ordnung, in der es sagt, daß ungeachtet der in Dresden und anderen Orten, wo die Seuche aufgetreten, augen blicklich angewendeten Tilgungsmaßregeln dennoch die Gcfahr vorliege, daß neue Seuchenausbrüche vorkommen können, also ein Umsichgreifen der Rinderpest möglich sei, wenn nicht Seiten der Viehbesitzer, Polizeibehörden und Veterinärbeamten Alles geschehe, um die Seuche sofort zu unterdrücken. Es wird daher verordnet, was Seiten des hiesigen königl. Gerichtsamts durch eine Bekanntmachung in heutiger Nr. unseres Blattes zur Nachachtung allen Viehbesitzern empfohlen wird. Dresden. Am Dienstag Abend gingen in drei Extrazügen 4500 bei Sedan gefangene Franzosen hier durch, nach schlesischen Festungen. — Die für Dresden bestimmten 4000 französischen Gefangenen sollen in diesen Tagen eintreffen. Berlin. Die in einigen Köpfen spukende Idee von einemCongressezur Herbeiführung des Frieden- wird von den deutschen Staats-Männern auf keinen Fall angenommen werden, darüber darf man ruhig sein. Deutschland wird den Frieden auch ohne die Neutralen schließen, wie es ohne dieselben Frankreich niedergeschlagen hat. UebrigenS hofft man, daß Herr ThierS von seiner Reise nach London, Petersburg und Wien (s. unter Frankreich) jedenfalls Ueberzeugungen mit nach Frankreich bringen werde, welche einer güt lichen Lösung günstig sind. Ein solches Beispiel für Frankreich werde auch sehr nöthig sein, da Jules Favre, der Minister des Auswärtigen, kürzlich noch geäußert hat: er sei bereit, den Frieden mit großen Geldent schädigungen zu unterzeichnen; wenn aber Vorschläge auf eine GebietSverminderung gemacht würden, so würde er eher abtreten, als darauf eingehen. Baiern. Aus München wird gemeldet, daß die bairische Regi erung in der deutschen Frage demnächst einen Schritt thun werde und Unterhand lungen einleiten wolle wegen Eintritt BaiernS in den Norddeutschen Bund.