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— 291 — hüllt, die wie ein tückisches Gewürm im Dunkeln lauert. Während er an dem Versatzgestein mit dem Hammer herumprüft, fällt ein Stück davon in die Pfütze und zerreißt ihren jungfräulichen Schleier. Aber durch die kleine Oeffnung, die der fallende Stein bewirkt, dringt allsoglcich ein Schwall langgefesselter Miasmen, unsicht bar erhebt sich der böse Schwaden, die Sinne des armen Knappen werden umnebelt, und wie nach dem Stich einer Schlange, fühlt er den nahen und unver meidlichen Tod an sich heranschleichen. — Noch ver sucht er schwindelnd an einer Seitenwand hin zu tappen und sich zu erhalten, umsonst, er schwankt, er strauchelt, denn Kopf und Füße versagen den Dienst, er fällt be wußtlos zu Boden und seine Gefährten, die nach einiger Zeit »ach den Vermißten suchen, finden statt seiner nur eine starre Leiche. Dort arbeiten zwei weiße Sklaven, nackt, wie sie Gott geschaffen; der Schweiß perlt in großen Tropfen von ihrer Stirn, ihre Leiber sind geröthet und wie vom Feuer gesengt. Es giebt einen Brand abzudämmen, der das Innere eines Bergwerks ergriffen hat. Durch die Ritzen des Gesteins flimmert die Gluth und Lohe, und weißlichter Rauch züngelt hie und da empor und wallt in langen Streifen durch die Gänge. Aber die Arbeit soll rasch vor sich gehen, nicht blos das Schick sal des Berges, ihr eigenes Leben fordert Eile und Umsicht. Sie sind in dem engen und dunklen Zwinger zu sammengepfercht mit dem Tode, der von Zeit zu Zeit nach ihnen zu langen scheint, und wie der Gladiator mit der wüthenden Bestie im Circus, ringen sie hier mit dem wilden Element, aber ungeschaut, unbelobt, unermuthigt von einer Beifall jauchzenden Menge. — Zuweilen blickt auch das Glück zauberhaft lächelnd und lockend in das Leben des Bergmannes, und wir begegnen dem Wechsel von tiefster Noth zu reichem Gewinn. Ein Eigenlöhner, der seine neue Grube im Schweiße seines Angesichts selber bearbeitet und von dem kümmer lichen Ertrag sieben Kinder erhalten soll, rastet einen Augenblick, um seine ermatteten Kräfte zu sammeln; seine Lampe ist an. der vorstehenden Ecke eines Zimmer balkens aufgehängt; da raschelt etwas zu seinen Füßen, er folgt mit seinen Blicken dem raschelnden Gegenstand; es ist eine Ratte, die sich mit den hinabgefallenen Brod- samen seines Mittagbrodes beschäftigt; endlich ver schwindet sie mit ihrer gemachten Beule in einem kleinen Loche am Fußboden, ras er erst entdeckt, als er neu gierig näher hinzuleuchlet; er will wie zum müßigen Spiele ihren Schlupfwinkel weiter verfolgen und schlägt mit dem Eisen ein größeres Stück aus dem Loche. Die Ratte ist verschwunden, er setzt noch einmal sein Eisen an, das Eisen prallt ab, aber ein purpurner Streif zeigt sich an der Stelle. Darf er seinem Auge trau'n? — es ist ein herr liches Rothgülden, das mit seinem schimmernden rothen Striche ihm zugleich die Morgenröthe einer bessern Zu kunft verkündet. Er hat einen reichen Gang dieses kostbaren Silber erzes entdeckt, der zu einem FortunatuSsäckel wird, und ihm und seiner Familie über schnell anwachsender Wohl habenheit jede Erinnerung vergangenen Elends in kurzer Frist vergessen macht. Alle diese Geschichten sind der Wirklichkeit ent nommen; nur einige kleine Rollperlen an der langen Kette von Wechselfällen, wie sie sich im Bereiche der dunkeln Schächte vielseitig ereignen. Vielleicht verlohnt eö sich, ein solches einfaches Geschichtchen hervorzulangen und e« im rechten Reflex und mit seiner weitern Umgebung unverkünstelt wieder zugeben. Tief im Gebirge lebte ein Müller. Sein HauS stand in einer waldigen Schlucht, die sich eine kleine Stunde zwischen den Bergen hinzog, welche sich über einander kuppelförmig erhoben, hie und da von nackter Felswand unterbrochen. Im Hintergründe traten beide Bergesreihen allmälig zusammen und bildeten eine rund auSgebogene Querwand, von der ein weiter und hoher Gebirgsrücken staffelförmig und vielverzweigt sich er hob, und an dessen höchsten Felsenhörnern in der Ent fernung selbst Gletscher sich anlehnten. Das Haus war nach der Landessitte gebaut, ge räumig, freundlich von Außen, reinlich von Innen. Aus den dicken Mauern von Stein, ungefähr bis zu fünf Schuhen vom Boden auf, ruhten die Balkenwände, sauber gezimmert und fest gefügt, aber ohne Anwurf oder Tünche. Ueber dem einstöckigen Gebäude streckte ein hölzernes Giebeldach aus Schindeln, statt der Nägel mit Steinen beschwert, schützend seine Ränder vor, und ganz vorne an der Giebelkante war unter einem kleinen erhöhten Schutzdach, das die Form eines Thürmchens hatte, eine Glocke angebracht, mit der das Zeichen zum Mittag- und Abendessen gegeben wurde. An der Vorderseite und rechten Seitenwand lief eine hölzerne Gallerte, welche zum Trocknen des Flachses und der Wäsche diente, und zu der man durch den Gang des oberen Stockwerkes, sowie auch durch eine äußere Treppe gelangte, die unten mit einem Gitter abgesperrt war. In geringer Entfernung schäumte ein Wildbach vorüber, der etwas ober dem Hause abgedämmt in einem hölzernen Fluder sein Wasser der Mühle zuführte. Hinter dem Hause waren ein kleiner Hausgarten und einige Joch Wiesen- und Ackergrund. Aber auf der Wiese wuchs nur saures Gras und auf dem Acker gelangte das Getreide selten zur vollen Reife, so daß nur auf die Erdäpfelernte sicher zu rechnen war. Dafür gehörte eine ansehnliche Alpe jenseits der Querwand, welche die Schlucht abschloß, zur Wirtschaft, zwischen Zirbelkiefern, Lärchen- und Fichtenbeständen, einen fetten und reichlichen Weideplatz umschließend, der für sechzig und mehr Stück Rindvieh im Sommer aus- reichte, von denen ein Theil im Herbste verkauft und der andere in den geräumigen Ställen des Gehöftes überwintert wurde. Die Alpenwirthschaft wurde durch eine Schweizerin und einen Hüter besorgt, welche hier die Sommermonate idyllisch zwischen ihren Kühen, Geißen, Böcken, Schafen und Schweinen zubrachten und Käse, Schmalz und Butter machten, von denen das Meiste nach den Berg- und Hüttenwerken der Umgegend und in dem benachbarten Badeort verlauft wurde. DaS Anwesen war schuldenfrei und im Stande, eine große Familie zu ernähren. Der Müller galt für einen reichen und glücklichen Mann und seine Stimme war angesehen in der Gemeinde. Er war auch ganz geschaffen zu einer Respekts person im Lande, — groß, von stattlichem Körperbau, fester, mannhafter Haltung, im Geschäft redlich, treu seinem Wort, gegen seine Obern von anständigem Be nehmen ohne Unterwürfigkeit. Er trug einen langen Rock von gutem Tuche, über seine rothe Weste mit den silbernen Knöpfen ging der