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zogen werden dürfen, welche mit der Verfassung und der staatsrechtlichen Einheit der cisleithanischeu Länder im Widerspruch stehen. Ein allseitig befriedigender und beruhigender Ausgleich soll mit allem Nachdrucke ver sucht werden, aber den ConstituirungSwehen des Reiches müsse ein Ende gemacht werden, und die Opposition dürfe es als unzweifelhaft betrachten, daß, wenn der Aus den Bergen. Novelle von Carl Gnndram. Es wird selten ei» Jahr vergehen, ohne daß auf einem größeren Bergwerk nicht ein oder mehrere Menschen verunglücken. Die Cache ist so gewöhnlich, daß die Geschichte eines solchen Unfalls häufig nur wenige Tage die all gemeine Aufmerksamkeit beschäftigt, dann wird sie über den Mühen des Tages und andern Ereignissen vergessen. Und doch ist mit der vergessenen Geschichte zugleich das Glück oder Leben eines Menschen ausgelöscht und mit ihm vielleicht über das Schicksal einer Familie ent schieden. Nur selten erhält sich ein solcher Fall lange Zeit in einer Gegend und bildet noch in später« Jahren den Gegenstand der Erzählung, wenn Bergleute am heimischen Herde oder in der Schenke zusammen sitzen. Das Leben eines Bergmanns ist so einförmig, wie die dunklen Schachte, die es umschließen. Aber wie viele Momente der Gefahr umschließt dies einförmige Leben! Und wie wunderbar und mannigfaltig sind die Gefahren! wie wunderbar auch oft wieder die Rettung, welche, wie fernes Dämmern des Tageslichts in einem finstern Stollen, plötzlich die drohende Todesnacht endet. Die Geschichte dieser Gefahren und Rettungen ist meist sehr einfach und nur ein kleines mehr oder minder tragisches und poetisches Bild in engem Rahmen. Es herrscht eine gewisse Harmonie zwischen diesen Geschichten, die sich mit geringen Aenderungen von Zeit zu Zeit wiederholen, und sie gleichen der Unzahl von Spuk-, Zauber- und Gespenstergeschichten, welche ausschließlich dem Revier der Berge so eigenthümlich sind, nur mit dem Unterschiede, daß die Staffage in ersteren Wesen mit Fleisch und Blut bilden und der Dämon nur für das geistige Auge sichtbar wird, während in den letzteren die freundlichen oder hämischen Kobolde unverhüllt hervortreten und selbstständig und sichtbar ihre Rollen darin abspielen. Wie nahe sind sich überhaupt Sage und Ge schichte, und wie leicht verkehrt sich diese von selbst, wenn lange Jahre an ihr vorübergestrichen, zur Sage, ganz so wie versunkene Wälder nach Jahrhunderten in anderer Gestalt als mächtige Kohlenlager wieder auf tauchen. Während in dieser Geschichte Ehrgeiz und Hab sucht, Zufall und Unvorsichtigkeit die Katastrophe her beiführen, ist es dann nach der Sage ein neckischer Kobold, welcher die Sinne blendete, hier eine Falle legte, dort die Grubenlampe auslöschte und Alles in Nacht und Finsterniß und Verwirrung stürzt. Im Schachte ist an der Zimmerung auszubessern. Der Zimmermann nimmt sein Werkzeug zu sich und macht sich zur Fahrt in die Tiefe zurecht. Es ist ein Sitz, sehr einfach aus zwei Stricken zugerichtet, der mittelst eines Seils an der großen Schacht winde befestigt ist ; die Winde wird langsam abgelassen, bis der Mann an den Ort gelangt, wo die Ausbesse rung vor sich gehen soll. Dann wird die Winde an gehalten und gebremset. Hier hängt er nun in der jetzige Ausgleichungsversuch mißlingt, derselbe auch der letzte sein wird. Sollte dieser Versuch durch zu weit gehende Forderungen der Czechen und Polen scheitern, so werde die Staatsgewalt es als unabänderlichen leitenden Gedanken betrachten, die Verfassung in libe raler Weise zu entwickeln und dieselbe der Opposition gegenüber schonungs- und rücksichtslos geltend zu machen. Schwebe, vielleicht vierzig Klafter bis zum Schachtkranz über sich und hundert Klafter unter ihm die dunkle Leere bis zum sumpfe. Oben um die offene Schachtthüre lehnen müßig zwei Bergleute, gähnen und plaudern und warten auf die nächste Schicht, welche sie zur Arbeit ruft. Unter ihnen, wie ein Sternchen, flimmert das Grubenlicht des Zimmermanns, daö ihm bei seiner Arbeit leuchtet. — Er selber singt, sein Lied tönt aus der Tiefe empor, und dazwischen schallen melancholisch die Schläge seiner Axt an der hölzernen Verschalung des Schachtes. — Plötzlich ist das Lied unterbrochen, die Axtschläge haben mit einem Mal aufgehört, das matte Licht der Gruben lampe ist erloschen. Es war wie ein geller aber ferner und erstickter Schrei — man weiß nicht, woher er kam, dann tiefes Schweigen. Der Mann hat fehl gehauen, sein Hieb traf das Seil und schnitt es entzwei: — er selber stürzte in die Tiefe. Er hat ausgesungen und ausgelebt, und schnell, wie der Ton in der Luft, erstarb sein Leben! Der Verwalter eines Bergwerkes, ein ältlicher Mann, befährt die Grube, um bei den Arbeiten und Maschinen nachzusehen, von den Veränderungen des Ganggesteins Einsicht zu nehmen. Sein Geschäft führt an das Ende eines langen, dunklen Laufes, er prüft mit der Lampe das Gestein, er klopft mit dem Hammer an den Wänden, er besichtigt die abgeschlagenen Stufen sorgfältig mit der Lupe am Grubenlicht; so geht es langsam in dem dunklen Stollen vorwärts; plötzlich tritt er unvorsichtig in die Leere und verschwindet den nachfolgenden und erstaunten Knappen, wie eine Geister-Erscheinung, wie Hamlet unter den Brettern des Theaters. Man hatte vergessen, die Schlagthüre des Schachts zu schließen; der Arme war in den Schacht hinausge treten, wo er hundert Klafter niedersinkt, aber sein weiter Flausrock, den er aus Bequemlichkeit und seines gichtischen Leidens willen nie ablegt, breitet sich wie ein Fallschirm um die hagere Gestalt, und gänzlich un versehrt gelangt er in die Tiefe. Dort treffen ihn die Knappen, welche ihm sogleich nachsteigen, bewußtlos am Boden und bringen ihn zu Tage. Ein hitziges Fieber hält ihn auf dem Lager. Er geht heil und gesund dar aus hervor, aber er bringt die Erinnerung nicht mehr aus dem Kopfe, es ist ihm unmöglich, ohne Schwindel an einem Schachtgebäude vorüberzugehen, und er muß sein lang gewohntes Gruben-Aml für immer aufgeben. Die Gefahr, welche den Bergmann umgiebt, nimmt oft eine andere, geisterhafte Gestalt an. Unsichtbar naht sie sich ihm in bösen Dünsten. Ein Knappe läßt sich in eine» Schacht nieder, der vielleicht ein Jahrhundert und darüber verlassen stand, und dessen Auslenkungen seit längster Zeit kein mensch licher Fuß betreten. Der weite Raum ist mit taubem Gestein versetzt, dazwischen glitzern und funkeln feuchte Vitriolkrhstalle und wunderbare Pflanzen sprossen rings um aus den Ritzen. Nebenan am Boden dehnt sich ein weißer, schimmliger Schleier, der eine Pfütze um-