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Freitag. Nr. 3«. 15. April 1870. Weißerih-Zeitung. ZK Amts- und Anzeige-Matt der Königlichen Gerichts-Ämter und Stadträthe ! zu Dippoldiswalde und /ranensteiv. Erscheint Dienstags und Freitags. Zu beziehen durch alle Postanstalten. Verantwortlicher Redakteur: Tart Lehne in Dippoldiswalde. . .. "N Tagesgeschichte. Dippoldiswalde. Die Mutter des am vorigen Sonntag im Oberhäslicher Wäldchen gefundenen Kind es ist, wie zu erwarten war, bald ausfindig gemacht worden. Es ist vie bereits in den 40er Jahren stehende unver ehelichte Gleditsch aus Elend, und hat sie die That auch zugestanden. Sobald eS die Umstände gestatten, wird sie aus ihrer Wohnung in eine Gerichtsamts- Localität übersiedeln und die Untersuchung ihren weiteren Verlauf nehmen. — Am Montag, 11. April, ist gegen 4 Uhr Nach mittags in einem zum Pfarrgute zu Höckendorf ge hörigen Schuppen- und Stallgebäude ein Feuer, das dort liegendes Stroh verzehrte, wahrgenommen und alsbald gelöscht worden. Gegen 6 Uhr brannte dort aufgeschichtetes Holzwerk, und auch diesmal konnten die im Hause und Hofe befindlichen Leute das Feuer löschen. Der mehrseitige Verdacht hat sich auf das, aus Dorf hain gebürtige, auf der Pfarre dienende 17jährige Dienst mädchen gelenkt; dieselbe ist gefänglich eingezogen, leugnet aber bis jetzt die That hartnäckig. Dippoldiswalde, 14. April. Heute am Grün donnerstag fand die erste Abendmahlsfeier der am Palmsonntage confirmirten Katechumenen, 84 an der Zahl, statt. Es waren 36 Knaben und 48 Mädchen. — Nochmals wollen wir aufmerksam machen auf den am morgenden Charfreitage in unserer theil- weise restaurirten Begräbnißkirche abzuhaltenden litur gischen Gottesdienst. Wie schon früher erwähnt, fällt bei demselben Predigt und Rede weg und besteht derselbe nur aus dem Vorlesen mehrerer auf die Bedeutung dieses christlichen Festtages bezüglichen Schriftstellen, aus dem Singen eingewebter passender Liederverse und Responsorien zwischen dem Geistlichen und der Gemeinde. — Nach beendigtem Gottesdienste, Nachmittags 4 Uhr, wird dann in der Stadtkirche das Oratorium Hahdn's „die sieben Worte des Erlösers am Kreuze" von hiesigen und auswärtigen Gesangskräften und dem wesentlich verstärkten Orchester aufgeführt werden. Möge in Be rücksichtigung der vielen und großen Mühen, welche die Einstudirung eines solchen Werkes erfordert, sowie in Anbetracht des guten Zweckes (Pestalozzi-Verein) nicht minder aber der Feier des Tages, der Besuch ein recht zahlreicher sein! Dresden. Zum 200jährigen Jubiläum des kgl. säch sischen Leibgrenadier-Regiments in diesem Monate er wartet man mit Bestimmtheit in militärischen Kreisen Dresdens die Anherkunft des Bundesfeldherrn Königs Wilhelm von Preußen. Altenberg. Die Würfel sind gefallen — der neue Bürgermeister ist fertig, d. h. bis auf die Bestätigung der Regierungsbehörde, deren Versagung indeß kaum zu erwarten steht. Von den, Seiten des Stadtrathes vorgeschlagenen drei Candidaten hatte in der Stadtverordneten-Sitzung am 9. April von 9 Ab stimmenden Herr Rathsregistrator Stephan in Franken berg 5 und Herr Rathsregistrator GerSdorf in Crim« mitzschau (früher inDippoldiSwalde) 4 Stimmen erhalten. Wir haben um so mehr Ursache, zu dieser Wahl von ganzem Herzen Glück zu wünschen, als mit derselben dem hier fast allgemein ausgesprochenen Wunsche, aus der Mitte der hiesigen Einwohnerschaft einen Bürger meister gewählt zu sehen, in's Gesicht geschlagen worden ist. Und in der That ließen früher gemachte, zum Theil sehr ungünstige Erfahrungen diesen Wunsch als einen vollkommen gerechtfertigten erscheinen. Wenn demselben dennoch nicht entsprochen worden ist, so trifft das Stadtverordneten-Collegium dabei kein Vorwurf. Dem Dualismus (dem Zweikammer system unserer Gemeindevertretung) ist lediglich hierbei die Schuld in die Schuhe zu schieben. Hoffen wir, daß derselbe bei der in Aussicht gestellten Revision der Städteordnung wenigstens in kleinen Städten zu deren Wohl für alle Zeiten verschwinde. Leipzig. Hofrath vr. Schenk, Professor der Bo tanik hier, ist in Folge der Haltung des ökumenischen Concils, welche trotz aller Warnungen die Grundlagen unserer gegenwärtigen Gesittung und die Freiheit der Wissenschaft bedroht, von der römisch-katholischen zur evangelisch-lutherischen Kirche übergetreten. Der Schritt des angesehenen Gelehrten wird nicht vereinzelt stehen bleiben. Berlin. Das vom Reichstag berathene neue Strafgesetzbuch wird vom Prof. Temme in Zürich, einer Autorität auf dem Gebiete des Criminalrechts, einer sehr tadelnden Kritik unterworfen. Im Allgemeinen äußert er sich über dasselbe folgendermaßen: „Der Entwurf eines Strafgesetzbuchs für den Norddeutschen Bund bringt, wenn er angenommen wird, das schlechteste aller jetzt bestehenden Strafgesetzbücher. Er verleugnet die Ehre, die Freiheit, die Sitte, die Gerechtigkeit." Wien. Graf Potocki hat vom Kaiser den Auftrag erhalten, ein „provisorisches Verwaltungsministerium" zu bilden, das die Geschäfte bis zur definitiven Ein setzung eines, aus dem zu wählenden Abgeordnetenhaufe genommenen parlamentarischen Ministeriums fortfübren soll. Der Abg. Rechbauer und Andere haben den Ein tritt in dies Kabinet bereits verweigert; dagegen soll mit Graf Taaffe eine Verständigung erziell worden sein.