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— Der bekannte Volksmann Obertribunalsrath Vr. Waldeck hat aus Gesundheitsrücksichten sein Man dat als Land- und Reichstagsabgeordneter niedergelegt. — Der Norddeutsche Bund hat jetzt 390 Con- sularbeamte, unter denen sich 21 General-Consuln befinden. — „Die Mission des französischen Kaiserreiches in Deutschland" betitelt sich eine, in der Schweiz und in Süddeutschland zum Verkauf ausgebotene, jedenfalls in Hietzing gefertigte Flugschrift, in welcher Kaiser Napoleon angefleht wird, mit seinen Truppen, „den Trägern der Cultur," über den Rhein zu gehen und das verhaßte Preußen zu zerstückeln. — Die „Weser-Zeitung" warnt in einem Artikel aus Berlin deutsche Arbeiter vor den „verlockenden Anerbietungen, nach Polen und Rußland zu gehen," denn sie verfielen dort in Kurzem dem Betrüge und Elende. In neuerer Zeit sei übrigens in Polen so wenig Mangel an Arbeitern, daß deutsche Arbeiter neben den Polen fast gar keine Aussicht auf Arbeit hätten. Paris. Wie aus den Leitartikeln der halbamt lichen Blätter hervorgeht, läßt die Regierung es sich ganz besonders angelegen sein, dem Lande jede Furcht vor einem Rückschritte, vor einer Verkürzung der kaiser lichen Zusagen vom 12. Juli zu benehmen. Man er kennt somit in regierenden Kreisen, daß die Reform partei die überwiegende Mehrheit hinter sich hat. In dieser Erkenntniß und in der öffentlichen Stimmung ist die beste Bürgschaft für den guten Willen des Kaisers zu suchen. — Aus Konstantinopel wird geschrieben, daß man dort wegen des bevorstehenden Besuches der Kaiserin Eugenie den Palast von Buyukvera eifrig in besten Stand setzt und nichts spart, um die glänzende Wohnung dem hohen Gaste würdig herzustellen, die von der Kaiserin bezogen werden wird, nachdem sie in Be gleitung des Sultans der Eröffnung des Suezkanals beigewohnt haben wird. Außerdem wird man, um die Zugänge zu dem französischen Gesandtschaftshotel zu erleichtern, einige Straßen breiter machen, damit der erhabene Gast mit mehr Bequemlichkeit die zauberische Aussicht auf den Bosporus genießen könne. Germelshausen. Von Friedrich Gerstäcker. Fortsetzung. „Eine Erinnerung an mich? — wie Ihr spaßig seid." „Ich will Dein Bild mitnehmen." „Ihr seid ein Maler?" „Ja." „Das wär' schon gut - - dann könntet Ihr in Germelshausen gleich die Bilder in der Kirche wieder einmal frisch anmalen, die sehen so gar bös und mit genommen aus." „Wie heißt Du?" frug jetzt Arnold, der indessen schon seine Mappe geöffnet hatte und die lieblichen Züge des Mädchens rasch scizzirte. „Gertrud." „Und was ist Dein Vater?" „Der Schulze im Dorfe. — Wenn Ihr ein Maler seid, dürft Ihr auch nicht in's Wirthshaus geh'«; da nehm' ich Euch gleich mit zu Haus, und nach dem Essen könnt Ihr Alles mit dem Vater besprechen!" „Ueber die Kirchenbilder?" lachte Arnold. „Ja gewiß," sagte ernsthaft das Mädchen, „und Ihr müßt dann bei uns bleiben, recht, recht lange Zeit — bis wieder unser Tag kommt und die Bilder fertig sind." „Nun, davon sprechen wir nachher, Gertrud," sagte der junge Maler, fleißig dabei seinen Bleistift handhabend, „aberwird Dein Heinrich nicht bös werden, wenn ich manchmal — oder recht oft bei Euch bin und — recht viel mit Dir plaudere?" „Der Heinrich?" sagte das Mädchen, „der kommt jetzt nicht mehr." „Heut' wohl nicht, aber dann vielleicht morgen?" „Nein," sagte Gertrud vollkommen ruhig, „da er bis 11 Uhr nicht da war, bleibt er aus, bis einmal wieder unser Tag ist." „Euer Tag? Was meinst Du damit?" Das Mädchen sah ihn groß und ernst an, aber sie -antwortete nicht auf seine Frage, und während ihr Blick nach den hoch über ihnen hinziehenden Wolken schweifte, haftete er mit einem eignen Ausdruck von Schmerz und Wehmuth an ihnen. Gertrud war in diesem Augenblicke wirklich engel schön, und Arnold vergaß in dem Interesse, das er an der Vollendung des Pcriräts nahm, alles Andere. Es blieb ihm auch nicht mehr viel Zeit. Das junge Mäd chen stand plötzlich auf, und ein Tuch über den Kopf werfend, sich vor den Sonnenstrahlen zu schützen, sagte sie: „Ich muß fort — der Tag ist so kurz und sie er warten mich daheim." Arnold hatte aber sein kleines Bild auch fertig, und mit ein paar kecken Strichen den Faltenwurf der Kleidung angebend, sagte er, ihr das Blatt entgegen haltend: „Hab' ich Dich getroffen?" „Das bin ich!" rief Gertrud rasch und fast er schreckt. „Nun wer denn sonst?" lachte Arnold. „Und das Bild wollt Ihr behalten und mit Euch nehmen?" frug das Mädchen schüchtern, fast ängstlich. „Gewiß will ich," rief der junge Mann, „und wenn ich dann weit, weit von hier bin, noch oft und fleißig an Dich denken." „Aber wird das mein Vater leiden?" „Daß ich an Dich denke? — kann er mir das verwehren?" „Nein — aber — daß Ihr das Bild da mit Euch — in die Welt hinaus nehmt?" „Er kann es nicht hindern, mein Herz," sagte Arnold freundlich — „aber wäre es Dir selber un lieb, es in meinen Händen zu wissen?" „Mir? — nein!" erwiderte nach kurzem Ueber- legen das Mädchen, — „wenn — nur nicht — ich muß doch den Vater darum fragen." „Du bist ein närrisches Kind!" lachte der junge Maler, „selbst eine Prinzessin hätte Nichts dagegen, daß ein Künstler ihre Züge für sich erwirbt. Dir ge schieht kein Schade dadurch. Aber so lauf' doch nicht so, Du wildes Ding; ich gehe ja mit — oder willst Du mich hier ohne Mittagsessen zurücklassen? Hast Du die Kirchenbilder vergessen?" „Ja die Bilder," sagte das Mädchen, stehen bleibend und auf ihn wartend; Arnold aber, der seine Mappe rasch wieder zusammengebunden, war auch schon im