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W Dienstag. M 42 1. Juni 1869. K Weißerih-Zeiümg. M Postanstalten. ' 8 Pfg. Amts- und Anzeige-Dlatt der Königlichen Gerichts-Ämter und Stadträthe zu Dippoldiswalde und Frauenstcin. Verantwortlicher Nedacteur: Carl Zehne in Dippoldiswalde. Monats-Bericht. Der eben abgelaufene „Wonnemonat" zeigte sich Heuer in einem seiner schönsten Kleider und regte da durch die Reiselust, namentlich während der Pfingst tage, ganz ungewöhnlich an. Wie in der Natur, so war auch in der großen Politik durchaus heiteres und friedliches Wetter, und als ein Symptom dieser heiteren Strömung möge erwähnt werden, daß im englischen Unterhause die Velocipeden Gegenstand par lamentarischer Besprechung wurden, indem auf eine Anfrage der General-Postmeister unter großer Heiter keit mittheilte, daß an einigen Stellen aus dem Lande die Postboten im Begriff seien, das neue Fuhrwerk versuchsweise zu benutzen. Die Franzosen waren ausschließlich mit den Wahlen beschäftigt, und kümmerten sich so gut wie gar nicht um das außerhalb der Grenzen Vorgehende. Paris hatte das Freiheitsfieber, und die massenhaften Wahlversammlungen liefen nicht ohne obligaten Straßen- scandal und republikanische Demonstrationen ab. Doch war die Sache mit einer Partie Verhaftungen abge macht, und ernstere Conflikte zwischen Polizei und Volk unterblieben. Die Wahlen selbst fielen in der Ma jorität zu Gunsten der Regierung aus und haben da durch dieselbe für längere Zeit befestigt. Daneben tauchen wieder Berichte über Fortsetzung der Rüstungen und Anhäufung von Kriegsmaterial im Osten auf, und es scheint daher nicht unberechtigt, wenn Graf Bismarck bei Berathung der Steuervorlagen im Reichs tage eine Reduction des Militäretats vor der Hand für unthunlich erklärte und hinzufügte, daß der Friede gerade auf der Stärke beruhe. Auf deutschem Boden beschäftigte man sich in Baiern und Sachsen ebenfalls mit Wahlen. In Baiern hat die Partei der Partikularisten eine kleine Majorität über die nationale Partei erlangt. In Sachsen ist die Abstimmung noch bevorstehend und nach der kühlen Temperatur, welche die Wahlbewegung beherrscht, voraus zu setzen, daß eine sehr geringe Betheiligung stattfinden wird. Welches Aussehen die 2. Kammer erhalten wird, läßt sich auch nicht annähernd übersehen. Vom übrigen europäischen Continente ist nur zu erwähnen, daß in Spanien sich die Cortes mit großer Majorität für die monarchische Regierungsform ausgesprochen haben. Noch fehlt es aber an der Person eines Monarchen. Daneben verdient anerkennend her vorgehoben zu werden, daß die provisorische Regierung mit großer Energie die Ordnung aufrecht erhalten hat, und der im Beginne der Revolution vielfach prophe- zeihte Bürgerkrieg nicht ausgebrochen ist. —r. „Diese Anlagen werden dem Schutze des Publikums empfohlen." Diese Worte werden unsere hiesigen Leser auf den an der neu angelegten Promenade aufgestellten Anschlag tafeln gelesen haben, und je mehr der rührige und auf opferungsfreudige Verschönerungsverein seine Thätigkeit entfalten wird, um so häufiger wird man diesen Anschlag als eine freundliche, aber ernste Mahnung zu Gesicht bekommen. Es wäre freilich besser, wenn der Verein die Kosten für solche Tafeln sparen und anstatt jeder lieber ein halbes Dutzend blühende Sträucher mehr anpflanzen könnte; aber es giebt nun leider immer noch Leute, die sich gern an eine sonst ganz selbstverständliche Pflicht erinnern lassen. „Wieso selbstverständlich?" wird viel leicht Mancher fragen ; „soll ich mich zum Promenaden wächter, zum Polizeidiener machen?" — Freilich ist eS selbstverständlich, daß ich Das, was mir gehört, auch selbst zu schützen suche, und daß ich da, wo nicht fort während ein commandirter Wachtposten stehen kann, mich nicht entblöde, mein Eigenthum gegen freventliches Gebühren durch eigenes Einschreiten sicher zu stellen. „Mein Eigenthum?" wird da abermals Mancher fragen. Freilich ist'S mein und Dein und Aller Eigenthum, was der gemeinnützige Verschönerungsverein geschaffen hat und was er noch schaffen wird. Jeder hat das Recht, sich daran zu freuen und das Gebotene zu benutzen. Thut's Euch denn nicht wohl, wenn Euch selbst oder eure Frauen und Kinder in heißer Sommerzeit am schattigen Orte ein Sitz zu erquickender Ruhe einladet? Verweilt euer Auge nicht mit Wohlgefallen aus einer blühenden Anpflanzung? Jst's euch einerlei, ob eure Stadt Schutt- und Scherbenhaufen oder wohlgepflegte, geschmackvolle Anlagen umgeben? Es würde einen ziemlichen Grad von Gleichgiltigkeit, Gedankenlosigkeit, ja Rohheit ver- rathen, wenn eine Bevölkerung nicht jede Bemühung, den Wohnort auch äußerlich zu einem angenehmen zu gestalten, ihre volle Theilnahme zuwenden wollte, umsomehr, als eben Jedem die Benutzung alles Ange nehmen, das öffentliche Anlagen bieten, freisteht, also Jeder Miteigenthümer ist. — Aber „Promenadenwäch ter," „Polizeidiener" will man nicht sein. Nun wenn dieser Titel, den übrigens kein Vernünftiger Denen geben wird, die einen Unartigen, einen Leichtfertigen zurechtweisen, nicht genehm sein sollte, so schlagen wir einen andern vor. Wir meinen, daß Jeder, der auf die freundliche Mahnung der Anschlagsäule hört und darnach thut, den Titel verdient: Mitglied des V erschönerungS- Vereins. Es sind freilich zur Zeit nur Die so ge nannt worden, die in die Tasche greifen und jährlich etwas Gewisses an Geld für die Zwecke des Vereins