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— 38V — Was von dem Gewerbe im Allgemeinen gilt, das gilt auch ganz besonders von dem landwirthschaftlichen Gewerbe, ja in gewisser Hinsicht von diesem in noch höherem Grade, als von vielen übrigen. Denn bei der Zunahme der Bevölkerung und der Abnahme und Vertheuerung von Grund und Boden*) wird es zur unabweisbaren Nothwendigkeit, die durch die Natur wissenschaften gewonnenen Resultate zu kennen und anzuwenden, damit selbst bei beschränkterem Terrain immer noch eine dem Bedürfniß. entsprechende Produkten menge erzielt werden könne. Der Ackerbau und die damit eng verbundene Viehzucht, früher nur nach ein zelnen, unzusammenhängenden Erfahrungen auogeübte Beschäftigungen, haben sich zu Thätigkeiten entwickelt, welche ohne eine Menge mannichfacher, zusammenhän gender Kenntnisse so erfolgreich, als es das Bedürfniß erheischt, nicht mehr betrieben werden können. Die Gründung landwirthschaftlicher Anstalten ist darum, seit Thaer 1807 seine Lehranstalt in Mögelin errichtete, in stetem Fortschreiten begriffen gewesen; die Entstehung landwirthschaftlicher Vereine ist als ein Bedürfniß allerwärts betrachtet und von den Regierungen wesentlich unterstützt worden; landwirthschaftliche Ausstellungen, verbunden mit Prämiirungen rc, sind gleichfalls als ein Mittel häufig angewendet worden, Interesse für die Fortschritte der Landwirthschaft zu erwecken und dieselbe aus den Banden des alten Schlendrians los- zureißen. Wenn wir uns nun umsehen, von wem die ge nannten Veranstaltungen hauptsächlich benutzt worden sind, so kommen wir zu der Wahrnehmung, daß das in der Regel nur der größere Grundbesitz gewesen ist. Und das war ganz natürlich. Denn alle bisher ent standenen landwirthschaftlichen Lehranstalten sind ja nur auf die Bedürfnisse und die Mittel res großen Grundbesitzes eingerichtet gewesen, und ein den land- wirthschafllichen Vereinen (ob mit Recht oder Unrecht, sei dahin gestellt) oft gemachter Vorwurf ist der, baß ihre Thätigkeit gleichfalls für den kleineren Landwirth unpraktisch und die in ihnen gebotenen Belehrungen wenigstens zum Theil unverständlich seien. Bei alledem ist es aber auch dem kleineren Land- wirthe dringend nöthig, sein Maaß von der zur Hebung der Landwirthschaft nöthigen Bildung zu empfangen. Ist das Verlangen nach eingehenderer Behandlung der Naturkunde in der Volksschule, auch in der Dorfschule, namentlich in neuerer Zeit immer lauter geworden, so soll eben damit auch der Bildung des Landmanns für seinen Beruf Vorschub geleistet werden. Aber wenn auch diesem Verlangen in der Folge genügt werden würde, damit wäre es nicht genug. Alle Volköschul- bildung, die ihrer Natur nach nur eine ganz allgemeine sein und nie sich bis zur Fachbildung erheben kann und darf, reicht natürlich nicht aus und kann sich.nur dann für den späteren Beruf erfreulich entfalten, wenn sie mit dem Austritte aus der Volksschule, bei der mit 14 Jahren erfolgenden Confirmation, nicht abschließt, sondern durch Fortbildungsschulen weiter entwickelt und aus das Fachliche angewendet wird. Hin und wieder ist schon von der Errichtung solcher landwirthschaftlicher Fortbildungsschulen, für die Zwecke des kleineren Wirthschaftsbetriebs, die Rede gewesen; ob man bereits wirkliche Versuche damit ge macht hat, ist uns unbekannt. Doch ist die Sache aller Ueberlegung werth. Nur müßte man sich wohl hüten, einer solchen Fortbildungsschule den Maßstab anderer bereits bestehender, landwirthschaftlicher An stalten zu Grund zu legen und an ihre Erfolge hoch fliegende Erwartungen zu knüpfen. Naturkenntniß, hauptsächlich die Grundbegriffe der Ackerbauchemie und Landwirthschaftslehre, müßten unter allen Umständen Grundlage und Schwerpunkt des Unterrichtes sein; aber es dürfte derselbe den Schülern keineswegs eine Art Neceptsammlnng geben wollen, sondern seine Hauptaufgabe müßte nur sein, für eine verständige Be trachtung des landwirthschaftlichen Gewerbes und der zahlreichen, in demselben gefundenen Verbesserungen Augen und Ohren zu öffnen, die Lust zu rationeller Betreibung des Feld-, Garten- und Wiesenbaues, sowie der andern damit zusammenhängenden Branchen zu wecken und also auch zur geistigen Freiheit des Landmanns das Mögliche mit beizutragen. Wer eine solche Anstalt besucht, soll sich dort nicht etwa ein dickes Buch mit allerlei landwirthschaftlichen! Regelwerk zusammenschreiben (etwa so eine verbesserte Auflage unserer in den Kalendern enthaltenen Bauernregeln), sondern soll befähigt werden, ein landwirthschaftliche Gegenstände behandelndes Buch oder eine ebensolche Zeitung zu verstehen und mit Nutzen zu lesen; er soll lernen, Neues und Ungewöhnliches nicht kurzweg zu verwerfen, sondern es zu prüfen und sich über die Brauchbarkeit desselben Rath und Aufklärung ander- weit zu holen; er soll mit Einem Worte aus einer gedankenlosen Maschine zu einem selbstdenkenden Arbeiter gemacht werden. — Daß es nothwendig werden würde, in landwirthschaftlichen Fortbildungsschulen auch ein tüchtiges Rechnen und die dem Geschäftsmanne nöthige schriftliche Gewandheit zu üben, wollen wir zu erwähnen nicht vergessen. Alles Uebrige, als die Zeit und Menge des Unterrichtes, sowie die Widerlegung verschiedener gegen solche Schulen vorgebrachter Bedenken u. s. w., lassen wir für heute unberührt. Wir wollten diesen wichtigen Gegenstand nur durch diese Andeutungen zur Debatte stellen und würden uns freuen, wenn durch verschiedene Aussprachen darüber, das Interesse für denselben geweckt werden sollte, und der kleinere Landwirth sich mit einer für ihn so ersprießlichen Einrichtung vertraut machen könnte; denn gut Ding will Weile haben. *) z. B. durch Bauten, namentlich von Eisenbahnen. Allgemeiner Anzeiger. Bekanntmachung, Vie Gestellung der militärpflichtigen Mannschaften vor der Königlichen Departements- Ersatz-Commission betreffend. Die Königliche Departements-Ersatz-Commission wird die Superrevision der in dem Aushebungsbezirke Wilsdruff zu Dresden gestellten und zur anderweiten Gestellung vor der Departements-Ersatz-Commission ver-