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Freitag. Nr 1 1. Januar 1869.^ Erscheint Dienstags und Freitags. Zu beziehen durch alle Postanstalten. Weißerih-Zeitung. M Amts- und Mcigk-Klatt der Königlichen Gerichts-Ämter «ad Stadtrüche M Dippoldiswalde and /rauevsteia. Verantwortlicher Ne-acteur: Carl Zehne in Dippoldiswalde. Neues Jahr. Was wird es bringen, das neue Jahr? so lautet heute die Frage aller Erdenkinder. Ueberlaffen wir Jeden», die Zukunft seiner individuellen und häuslichen Verhältnisse nach Belieben sich auszumalen, sei es rosenroth oder aschgrau oder gar schwarz. Wir wollen den nicht gerade leichten Versuch machen, die Zukunft unserer öffentlichen Dinge zu zeichnen und dabei zwi schen der Schönfärberei und Schwarzseherei hindurch zu segeln. Auf geistigem Gebiete wird der Krieg der Ansichten und Meinungen, der so alt ist, wie die Geschichte der Menschheit, fortdauern. Noch nie mals ist es gelungen, die Menschen unter einen Ge dankenhut zu bringen, und wenn es in alter Zeit die Kirche versucht hat, ihre Einheit durch die drastischen Mittel der Ketzergerichte, Inquisition und Scheiter haufen zu retten, so ist dies nur in formaler Beziehung und obendrein nur theilweise gelungen. In der Wirk lichkeit gab und giebt es kein Mittel, die Gedanken der Menschen zu binden. So wird denn auf dem Gebiete des Wissens und Glaubens der alte Kampf auch in» neuen Jahre fortdauern — wir sagen zum Heile der fortschreitenden Menschheit. — Auf den» Gebiete der heimathlichen Gesetzgebung können wir recht erfreulicher Resultate dieses Meinungskampfes gedenken. Das abgelaufene Jahr brachte uns die Kirchenvorstands und Synodalordnung, ein neues Wahlgesetz, eine Re vision des Strafgesetzbuches im Geiste der Humanität, vor Allem die Abschaffung der Todesstrafe, Volkrichter unter dem Namen von Schöffen und Geschworenen, und eine Anzahl für die wirthschaftliche Wohlfahrt des Volks erwünschter Gesetze. Weniger erfolgreich waren die geistigen Kämpfe um den Aus- und Weiterbau unserer nationalen Verfassung. Allen» es ist eine alte Erfahrung, daß, wie alle geistige»» Entwickelungsprozesse, so auch die politischen, nur langsam vorivärts gehen, und die Geschichte der Menschheit nur selten Sprünge voi» größeren Dimensionen macht. So werden wir uns denn für die Vollendung unserer nationalen Cen- tralisation durch den Zutritt der süddeutsche»» Staate,» in den Nordbund, voraussichtlich noch für längere Zeit auf Geduld und Abwarten gefaßt machen müssen. Dagegen sind wir im abgelaufenen Jahre vor einem materiellen Kriege mit dem Auslande verschont ge blieben. Das Jahr 1868 begann mit sehr unsichere,» Aussichten, und daß wir der Gefahr eines Kriegsaus bruchs sehr nahe waren, hat uns Graf Bismarck be stätigt. Im letzten Viertbeil des Jahres jedoch nahm die Situation einen entschieden friedlicheren Charakter an, der sich bis heute erhalten hat. Zwar entspann sich in» letzten Monate noch ein ziemlich ernster Con- flikt zwischen der Türkei nnd Griechenland, allein so lange dieser Streit eine Haus-Angelegenheit beider Staaten bleibt nnd so lange keine der Großmächte activ militärisch sich einmischt, scheint hieraus eine Gefährdung des Weltfriedens nicht zu besorgen zu sein. Abgesehen von dieser uns ferner liegenden Angelegen heit fehlt es zur Zeit an allen Momenten, aus denen auf eine Störung des allgemeinen Friedens geschloffen werden könnte. Die militärische Machtstellung der Großstaaten ist seit den großen Vorgängen von 1866 ziemlich gleich und der Art, daß keine Großmacht ohne Allianzen einen Kampf beginnen kann. Hierin er blicken wir eine wesentliche Garantie des Friedens, denn Allianzen sind bekanntlich nicht so leicht zu Stande zu bringen und zu erhalten. Mehr ans äußeren als inneren Gründen glauben wir daher die Zukunft des nenen Jahres als eine friedliche zeichnen zu können. Besser und sicherer wäre es freilich, wenn wir unsere friedlichen Aussichten auf innere Gründe, auf consolidirte Zustände, auf Versöhnung der Leidenschaften und Ausgleichung der Gegensätze basiren könnten, und wir verhehlen uns nicht, daß ein unvorherzusehendes Ereigniß die schlum mernden Leidenschaften wecken, das unter der Asche glühende Feuer der nationalen Gegensätze leicht an fachen kann. Wir schließen daher unsere Neujahrsbe trachtung mit den» Wunsche, daß die unleugbar rück läufige Beweg,»ng, welche die noch in» vorigen Sommer hochgehenden Wogen der nationalen Leidenschaften diesseits und jenseits des Rheins in den letzten Mo naten des Vorjahres angenommen haben, noch ferner andauern und dadurch die Erhaltung des allgemeinen Friedens auf sichere Grundlagen gestellt werden möge. Tagesgeschichte. Altenberg. Unser,,» Stadtverordneten-Col- legium steht mit dem Jahreswechsel ein umfänglicher Personalwechsel bevor. Nach einer stadträthlichen Bekanntmachung scheiden aus dem (nur 9 wirkliche Stadtverordnete zählenden) Collegium 3 ansässige und 2 unansässige Mitglieder, fowie 1 ansässiger und 2 un ansässige Stellvertreter aus. Zu der hiernach erforder lichen Neuwahl war bereits der 21. Derember festgesetzt; eS hatte sich jedoch an diesem Tage nicht die gesetzliche Majorität der Stimmberechtigten vor der Wahlurne eingefunden, so daß die Wahl nicht vor sich gehen konnte. Wenn an sich dieser Umstand die hiesige Bürgerschaft in einem ungünstigen Lichte erscheinen lassen könnte, so verdient berücksichtigt zu werden, daß