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vereinigte die Dresdner Gäste mit einigen Dippoldis- waldaer Turnern und Turnfreunden zu einer einfachen Frühkneipe in den „Steinbrüchen" beim gemüthlichen Kirchner, der ein gemeinsamer Spaziergang nach dem Bassin des Steinborns sich anschloß. Gewiß mit großem Behagen und stillem Neide schlürfte mancher Dresdner das krhstallhelle von der Fülle des Brunnens abfließende Wasser, den Zeitpunkt herbeisehnend, wo endlich die Dresdner Wasserfrage aus ihrer Stagnation zum Fließen kommen wird. Der Nachmittag, oft von minutenlangem Regen unterbrochen, galt dem Besuche des Turnplatzes und endigte mit einer gemüthlichen, von Sang und Rede unterbrochenen Bereinigung unter den grünen Linden des Schießhauses, die sich später, nach gemeinschaftlichem Abendbrode im Rathskeller, auf dem Markte fortsetzte, und bei welcher laut und dringend der Wunsch ausgesprochen wurde, Las liebe Dippoldis walde möge recht bald sein auf dem Dresdner Gau turnfeste gegebenes Versprechen, das nächste Gauturn fest zu übernehmen, erfüllen. Mit einem „frohen Wieder sehen zum Gauturnfeste in Dippoldiswalde!" verab schiedete man sich um 7 Uhr, indem unsre Gäste auf maiengeschmückten Leiterwagen der Heimath entgegen fuhren. — Wir machen unsere Leser darauf aufmerksam- daß im Interesse der Kirchenvorstandswahl im Jnseratentheile des heutigen Blattes Männer vorge schlagen sind, die wohl zur Wahl geeignet sein dürften; daß es aber Wünschenswerth erscheint, noch andere Vor schläge zu hören, und daß wir gern bereit sein werden, zur Veröffentlichung solcher die Hand zu bieten. — (Theater.) Dem Vernehmen wird Hr. Theaterdirector Albin Thieme, der regelmäßig in den Stadttheatern zu Freiberg und Meißen, gegen wärtig in Pirna, spielt, nächsten Sonntag, den 9. August, hier eine Reihe von Gastvorstellungen beginnen, von denen man sich wohl nach dem äußerst günstigen Renomms der Gesellschaft einen außergewöhnlichen Ge nuß versprechen darf. Wir machen deshalb auf diese uns bevorstehende angenehme Abwechselung besonders aufmerksam. Dippoldiswalde. Am 1. August wurde in einem zwischen Kleincarsdorf und Bröschen gelegenen Walde ein durch Verwesung fast unkenntlich gewordener Leich nam aufgefunden, welcher als der des seit 4 Wochen verschwundenen Viehhändlers Büttner aus Großölsa erkannt wurde. Büttner hinterläßt eine Frau und 5 Kinder. Frauenstein. Die Festpredigt bei der morgen Mittwoch stattfindenden gottesdienstlichen Feier der eben jetzt hier tagenden Hauptversammlung des Gustav- Adolph-Vereins hält Herr Pastor Heimann aus Neustadt bei Meißen. Dresden. Die bereits im Betriebe befindliche Maschinenpapier-Fabrik zu Köttewitz bei Dohna wird nächstens in die Hände einer zu gründenden Actiengesellschaft übergehen, um durch Herbeiziehung eines größeren Betriebskapitals die in seinen baulichen Anlagen und günstigen Wasserverhältnissen erweiterungs fähige Fabrik in größerem Maßstabe und dadurch noch rentabler zu gestalten. — Wie man hört, soll das Sanitätswesen unserer sächsischen Armee nunmehr auch einer Reor ganisation unterzogen werden, welche hauptsächlich die Vermehrung und Erweiterung der Sanitäts-Compag- nieen für den Fall einer Mobilisirung bezweckt. Bei den Stabsärzten ist das bisher bestandene Klassensystem bereiks aufgehoben und sind sämmtliche Stabsärzte kürzlich in den Hauptmannsrang versetzt worden, während die 20 ältesten Assistenzärzte mit dem Oberleutnants range beliehen wurden. — Nach der „Wiener Pr." haben beim Schützen- feste die Herren Kummer, Kretzschmar, Lehmann, Bie- ling, Roch, Angermami aus Dresden und Mörlitz aus Bautzen mit gewohnter Virtuosität und Sicherheit be reits Ehrenbecher erschossen. — In einer Dresdner Cigarrenfabrik haben vorige Woche sämmtliche Arbeiter, der Zahl nach angeblich gegen 100 Personen, die Arbeit eingestellt, weil sie in der von den Fabrikbesitzern plötzlich angeordneten Ein führung einer bestimmten Frühstücks- und Vesperstunde einen Eingriff in ihre persönliche Freiheit erblicken, in Folge dessen ihre Ehre sie verhindere, in der Fabrik länger zu arbeiten. Die dabei vorgekommene Bedrohung deS einen Mitbesitzers der Fabrik, um diesen, sowie seinen Associo zur Rücknahme der getroffenen Maßregel zu nöthigen, soll Ersteren veranlaßt haben, gegen den jenigen, der die Drohung angewendet, behördliche Hülfe in Anspruch zu nehmen, die ihm auch zu Theil geworden. — Während des Vogelschießens wird, wie vor'm Jahre, wieder eine mit Verwesungen verbundene Ge werbe-Ausstellung Dresdner Industrieller arran- girt werden. — Auf eine von Leipziger Schützen, die in Wien sind, an den Rath der Stadt Leipzig gerichtete Anfrage: ob die Stadt Leipzig bereit sei, das 4. deutsche Bundesschießen im Jahre 1871 zu übernehmen, hat der Rath nach einem Plenarbeschluß eine ablehnende Antwort auf telegraphischem Wege ertheilt, und gesagt: „der Ernst der Zeit erfordere ernste Arbeit, keine Feste." Wien. Der Festjubel läßr die Theilnehmer am Schützenseste einigermaßen den Boden der Wirk lichkeit verlieren, und die Lehren des Jahres 1866 scheinen vollständig in Vergessenheil gerathell zu sein! Die meisten Redner bei den Festbanketten sind von dem Wunsche erfüllt, daß die Verbindung zwischen Oesterreich und Preußen resp. Deutschland, die so viel Unglück über Deutschland gebracht hat und deren Lösung ein Jahrhundert erfordert hat, wiederher stellt werde! Das Fest könnte man eine Conferenz der Besiegten von 1866 nennen. Man will Capital schlagen aus dem Schützenfeste, das sich immer mehr zum süddeutsch-österreichischen Schmerzensschrei über Preußen gestaltet. Der lang verhaltene Ingrimm der Würtemberger und anderer deutscher Brüder macht sich unaufhaltsam Luft: Alles in Oesterreich sei vor trefflich; im Staate Preußen aber, den man kaum mehr einen deutschen Staat nennt, sei Alles faul! Dergleichen Auslassungen süddeutscher Particularisten, die ihr Ende mit Schrecken nahen sehen, kann man sich ruhig gefallen lassen. — Beim Schützenfest begann am 27. Juli das Festschießen, zu dem sich namentlich Schweizer und Tyroler vollständig einfanden. Diese machen aus dem Becherschießen geradezu ein Gewerbe. Den ersten Preis gewann auch ein Tyroler. Beim zweiten Festbankett hatten sich nur 1800 Theilnehmer eingefunden, die es ebenfalls bereut haben, denn trotz des hohen Preises von 1 i/r Gulden war das Essen ungenießbar. Auch die Toaste blieben unter dem Niveau des Alltäglichen.