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Dienstag. Nr. 60. 4. August 1868. Erscheint Dienstags und Freitags. Zu beziehen dnrch alle Postanstalten. Preis Weißerch-Zettung-M Amts- und Meige-MM der Königlichen Gerichts-Ämter und Stadlrathk zu Dippoldiswalde und Frauensteiu. Vkrantmortlicher Neimteur: Lari Zehne in MippolLiswalde. Monats-Bericht. Trotz der Gurken- und Ferienzeit, war der abge laufene Monat doch nicht so arm an thatsächlichem Material für den Politiker, als man hätte erwarten sollen. Die zu Anfang des Monats im Gesetzgebenden Körper Frankreichs stattgehabte Budgetdebatte veran laßte die Opposition zu den schärfsten Angriffen gegen die Regierung. Die Worte Jules Fabre's: „Frankreich ist nicht reich genug, um das Kaiserreich zu bezahlen," klangen wie das entfernte Grollen der Revolution, und sehr häufig findet man die Meinung verbreitet, daß die französische Regierung vor der Alternative des Kriegs oder der Revolution stehe. In beiden Fällen ist die Hauptfrage, ob sich die Regierung auf die Armee ver lassen kann. Es fehlt nicht an Leuten, die für den Revolutionsfall die Zuverlässigkeit der Armee in Zweifel ziehen; Thatsache ist es wenigstens, daß bei mehreren der letzten Staatsumwälzungen die französische Armee mit dein Volke gegen die jeweilige Dynastie gegangen ist; und so hat sich denn in vielen Köpfen der Glaube festgesetzt, daß die französische Regierung, um der Re volution zu entgehen, den Krieg wählen werde, oder wählen müsse. Ebenso sprach sich in jener Debatte des Gesetzgebenden Körpers die, auch diesseits des Rheines verbreitete Ansicht aus, daß der dermalige hohe Militäretat auf die Dauer unhaltbar sei, und diese Ueberzeugung schließlich ebenfalls zum Kriege führen müsse. Weil man denn nun weiß, daß die Verhältnisse mächtiger sind, als die Menschen, so erhält sich auch trotz der unleugbar friedlichen Stimmung der Cabinete, der Kriegsgedanke immer auf der Tagesordnung. Anderseits fehlt es aber an thatsächlichem Anhalte, um auf einen baldigen Ausbruch rechnen zu können, und es ist jedenfalls eine falsche Voraussetzung, das Dar niederliegen des Fabrikbetriebes auf Rechnung der Kriegs furcht und Kriegsgefahr bringen zu wollen. Weit nach- theiliger haben in dieser Richtung die mangelhaften Erndten der Jahre 1866 und 1867 gewirkt. Die heurige Erndte scheint in Deutschland wenigstens quan titativ und besonders qualitativ besser gerathen zu sein, und wenn auch bei den Mißerndten in Rußland und Amerika nicht gerade auf billige Preise gerechnet werden darf, so kommt doch in den meisten europäischen Cultur- ländern Geld unter die Landwirthe, was stets auf den Fabrikbetrieb günstig wirken muß. Die öffentliche Meinung in Deutschland hat während des abgelaufenen Monats keinen, sie besonders beschäf tigenden Gegenstand gehabt; dafür hat sich alles Inter esse Oesterreich zugewendet. Dort hat der Kampf der Staatsgewalt und des Volkes gegen das Papstthum und Concordat nicht nur fortgedauert, sondern auch an Ausdehnung und Jntensivität so zugenommen, daß sich das Ende dieser kirchlichen Bewegung noch nicht ab sehen läßt. Wie öffentliche Blätter berichten, hält Jo hannes Rouge in Wien Vorträge zur Gründung einer freien Gemeinde. Nach den geringen Erfolgen, welche Ronge mit dem von ihm begründeten Deutsch-Katholi« cismus gehabt, läßt sich nicht annehmen, daß er die geeignete Persönlichkeit sei, um als Reformator auf kirchlichem Gebiete einen durchgreifenden Einfluß äußern zu können. — In den letzten Tagen des Monats wurde die kirchliche Bewegung unterbrochen durch das deutsche Schützen fest in Wien. Daß dasselbe viel anti preußische Demonstrationen bringen werde, war voraus zusehen. An klangreichen Phrasen von deutscher Frei heit und Einheit fehlt es nicht; die deutsche Stadt Wien, die Deutschösterreicher rc. sind beliebte Thema's, wie das Pereat der Mainlinie. In der That, wenn ein Bedürfniß dafür vorgelegen hätte, das Gefühl der Zusammengehörigkeit der deutschen Stämme zum Ausdruck zu bringen, so hätte dies kaum in demon strativerer Weise geschehen können, als durch das Wiener Schützenfest. Jndeß diese Zusammengehörigkeit wird von keiner Seite bestritten; nur wie dieselbe in einem lebensfähigen Staatsgebilde zum Ausdrucke zu bringen, daß ist die Frage, die keiner der Herren Festredner beantworten wird, wenn er nicht die republikanische Gleichmacherei als Heilmittel empfehlen will. Trotz Alledem läßt sich nicht ableugnen, daß auch das Wiener Schützenfest eine starke und nicht zu unterschätzende Manifestation des nationalen Willens in sich trägt, eines Willens, der früher oder später seine Vollstreckung in der Action eines hervorragenden Fürsten oder Staats mannes finden wird, wenn auch diese Action nicht ge rade dem Geschmacke jedes Einheits- und Freiheits schwärmers entsprechen sollte. —r. Tagesgeschichte. Dippoldiswalde, den 3. August. Wahrscheinlich um dem Qualme der Stadt und der erstickenden Staub atmosphäre der „Vogelwiese" zu entgehen, hatten eine Anzahl Mitglieder des Männerturnvereins aus Dr esden für gestern eine Turnfahrt zu den Gaugenossen in Dippoldiswalde veranstaltet, welche denn auch zu beider seitiger Befriedigung verlief. „Spät kommt Ihr, doch Ihr kommt!" konnte man ihnen am Sonnabend zurusen, als mit munterm Wanderliede die kräftige Scharr, etwa 30, Nachts nm die zwölfte Stunde einrückte. Der gestrige Tag, seinen Vorgängern durch windige Frische etwas unähnlich, doch zum Marschiren wohl geeignet,