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273 Glaube mir: reine, treue Liebe ist Gott gefälliger, al- heuchlerische Buße. Der himmlische Vater freut sich gewiß, wenn sich seine Kinder lieben." „Meinst Du, Philipp? Heute sprichst Du gar so schön," sprach da- Mädchen, sich vertrauungSvoll an den Jüngling schmiegend. Dieser schlang den Arm um seine Geliebte. Plötzlich ward da» wonnetrunkene Paar durch einen Peitschen knall aus seinem süßen Traum geschreckt. Beide schauten sich um, der Förster pom Adlerberg, LLesens Vater, stand da mit hochgeschwungener Hundöpeitsche. „Warte, nichtsnutzige Dirne!" rief er mit zorner stickter Stimme, „warte, ich werde Dir die Liebschaft auStreiben!" dabei schlug er daS zitternde Mädchen einige Male mit der Peitsche über den Rücken. Philipp fiel ihm in den Arm und rief: „Wagt keinen Streich mehr oder ich werde gezwungen sein — Euch —" „Ausgelassen!" schrie der Förster, „laß' den Arm loS, miserabler Kerl — unterstehst Du Dich, ich bin ihr Vater!" „Sie aber nicht Euer Hund!" entgegnete der Jüng ling, dem Alten die Peitsche entwindend. Dies erhöhte den Zorn des Försters noch mehr, und er rief: „Was? Du Gelbschnabel! Du Milch bart, willst mich bemeistern? Warte, ich will Dir ei« Denkmal geben!" Kaum war das Wort ausgesprochen, so hatte der Jüngling den alten Prahler mit solcher Kraft bei der Gurgel gepackt, daß dieser, trotz der anstrengenden Gegenwehr, fast erstickt zu Boden stürzte. „Um Gottes Willen, Philipp!" schrie Liese, „Du bringst den Vater um, laß los! Schau das blaue Gesicht!" Dies brachte den wüthenden Burschen wieder zur Besinnung, er zog seinen mächtigen Arm zurück; der Förster athmete wieder aus. „Hm! Hm!" brummte der Förster, der auf seine unüberwindbare Stärke viel eingebildet. „Der wäre mein Mann! Schau, Junge, ich könnte Dich gerne haben, Deiner Stärke wegen; doch mit dem Madel da ist'S aus. Ich will einen reichen Schwiegersohn, und Du bist ein armer Teufel." Ohne ein Wort dagegen zu sagen, nahm der Jüng ling seine Büchse und ging. Liese eilte auf dem Wald pfad nach Hause. Der Vater folgte langsamen Schrittes hinterdrein. Mißmuthig, mit dem Schicksale grollend, schlenderte Philipp noch einige Stunden im Walde herum. Heute hatte das Wild von dem trefflichen Schützen nichts zu fürchten, denn sein Gemüth war düster gestimmt. Wie theuer hätte ein Anderer diese Beleidigung zahlen müssen. So aber war'S Li esenS Vater. Gedankenvoll, ohne es zu wollen, wanderte er den Weg fort, der nach N—k führt, wo daS Kirch weihfest gefeiert ward. Im HerrenwirthShause schallte rauschende Musik, vom lustigen Gesänge froher Burschen zuweilen unterbrochen. Philipp wollte seinen Verdruß mit einigen Gläsern Bier hinunterschwemmen und im Taumel des Tanzes seinen Zorn ersticken. Er trat in die mit Gästen übervolle Schenkstube. „Ah, der Philipp! DaS ist schön! Hieher, Herr Adjunkt! Da ist noch Platz!" er tönte von verschiedenen Tischen her, und jeder Gast erhob sein Glas, um dem Eingetretenen „das G'schenk" zu bringen, eine in dieser Gegend allgemrine Sitte, Bekannte zu beehren. Philipp nippte von jedem Glase, dankte freundlich und setzte sich an einen Tisch, um welchen mehrere bekannte Bürger saßen. „Ci, der Die Leuselsmühle. Einr Böhmerwalds Dorfgeschichte von Wl. Im ganzen weitläufigen Forstgebiete der Herrschaft K. war Philipp K. der schönste Jägersmann. Schlank und kräftig gewachsen, stets froh und heiter, freundlich und dienstwillig gegen Jedermann, ward er auch überall gern gesehen. Wenn der schöne Waidmann durch ein Dors ging, seine Büchse etwas nachlässig über die Achsel gehängt, das runde, grüne Hütchen mit dem Gemöbart nach der Seite gesetzt, und die schwarzen Augen bald rechts, bald links blickend, da ließ es den Dirnen keine Ruhe, die Arbeit gerieth in's Stocken, man rannte zum Fenster, vor das Haus, dem schmucken Burschen nachzuschauen. Trat dieser gar am Sonn tag in daS Wirthshaus, worin getanzt ward, da klopf ten ungestüm der Mädchen Herzen und jedes wünschte im Stillen: „Möcht' er dich doch zum Tanze nehmen!" Doch Philipp liebte nur Eine und das mit der ganzen Gluth der ersten Jünglingsliebe: des Försters Liese von Adlerberg war die Herzenserwählte, die auch dem Jäger mit ganzer Seele zugethan war. Am Rande des Fuchswäldchens, wo sich ein schmaler Weg nach dem Adlerberger Jägerhaus durchschlängelt, stand an einem Sonntagsmorgen Philipp, sein Liebchen erwartend. Das Mädchen hatte ihn hierher bestellt, aber es weilte zu lange, und Lieschen war sonst pünktlich! Es muß ein Hinderniß dazwischen gekommen sein. Schon wollte der Jüngling, des Harrens über drüssig, sortgehen, als sich das Knistern der Reiser vernehmen ließ. Das Gesträuch in der Nähe öffnete sich und Liese sprang auf den Geliebten zu. „Ah, das hat Mühe und List gekostet, Philipp," sprach das Mädchen, „der dumme Peter ist schon wieder bei uns; will mich zum Tanz führen auf die Kiarda nach Neumark. Da sagte ich: ich gehe nun in den Stall, sprang über den Zaun und rannte hierher!" „Der Peter, sagtest du! Dem Kerl muß ich noch den Hals brechen," versetzte der Jäger darauf; „nun wie? Gehst Du mit ihm?" „Freilich, ich muß, aber das thut nichts! Du kommst ja auch hin, sonst müßt' ich ganz zu Hause bleiben, wenn mich auch der Peter zur Musik führt, so tanze ich doch nur mit dir—" „Liese, ich habe heute gar keine Lust, nach N. zu kommen ; warum? kann ich nicht sagen, fast fürchte ich mit dem kecken Burschen zusammenzutreffen." „WaS geht Dich der Peter an. Ich werde ihn nicht heirathen, und wenn er ganz golden wäre. Nicht wahr, Philipp," setzte das Mädchen liebkosend hinzu, „Du nimmst Dir auch kein anderes Weib? Du wirst mich gewiß heirathen?" „Gewiß, herzige Liese, wie könnte ich ohne Dich glücklich sein; wenn nur Dein Vater zufrieden wäre." „Ei, er wird — sobald Du ein eignes Revier be kommst." „Ich habe es von meinem edlen Herrn versprochen erhalten ; das erste, das erledigt wird, gehört mir." „Ah, das wird dann ein herrliches Leben sein, wenn'S nur schon bald wäre, Du weißt nicht, Philipp, wie ich Dich liebe, und ich meine immer, es ist eine Sünde, einen Mann so sehr lieb zu haben." „Liebe, mein Mädchen, kann nie Sünde sein, weil Alles in der Welt nur in Liebe erschaffen wurde und in Liebe besteht. Das Wild im Walde liebt, die Vögel im Haine, selbst die Blumen auf der Wiese lieben, und des Menschen Liebe sollte Sünde sein?