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„Ach thu' nicht so," warf der Bursche zweifelnd ein, ,','das ist doch Dein Ernst nicht." Ich weiß ein Mittel," versetzte Margret, „wenn mein Vater mich zwingen will, das hilft gewiß." Ei," rief Conrad heiter, „Du heirathest mich, Margret; nicht wahr, das Mittel ist probat?" „Ob ich Dich deßwegen heirathe," sagte Margret lachend, „das ist noch sehr die Frage." „So hast Du wohl schon einen neuen Schatz?" „Ich habe nicht alle 4 Wochen einen anderen." „Gut, ich bin und bleibe der älteste," rief Con rad, „daher wirst Du mir auch sagen, durch welches Mittel Du den Zwang Deines Vaters zu brechen gedenkst?" „Ich darf ihm nur ein paar Worte sagen," er- wiederte Magret. „Die möchte ich wissen," versetzte Conrad. „Ich darf sie nicht ausplaudern." „Auch mir nicht?" „Auch Dir nicht, Du würdest ein Geschwätz da raus machen." „Ob sich's der Mühe lohnte," rief der Bursche lachend. Margret wurde erst. „Conrad," sagte sie, „der Bastel hat die Evi in den Brunnen gestürzt; ich will meine Seele d'rum geben, wenn es nicht so ist." „Thust, als hättest ein Geheimniß," erwiederte Conrad, „und weiß es doch alle Welt." „Nein, ich weiß mehr," entgegnete Margret rasch. „Und das wäre?" fragte Conrad gespannt. Margret schien ihre Rede zu bereuen. „Nur heraus damit," drang Conrad in sie, „was weißt Du, sag's!" Margret sah sich vorsichtig um, dann begann sie tiefschluchzend: „Es ist das erste Mal, daß es über meine Lippen geht; ich habe weder meinen Aeltern, noch sonst Jemandem davon gesagt. Willst Du mir versprechen, daß Du schweigst?" „Gewiß." „An dem Morgen, als sich das Unglück mit der Evi zutrug, ich war eben aufgestanden, trat ich an's Fenster und schaue so in'S Morgengrauen hinaus. Da sah ich in dem schmalen Durchgang zwischen unserem und unseres Nachbars Hofe Jemanden hinhuschen, eilig und gedrückt, wie einer, der kein gutes Gewissen hat. Aber ich hatte ihn erkannt; es war der Baste l." „Wirklich?" rief Conrad voll Erstaunen. „Ja, ich habe ihn," versetzte Margret, „ganz genau erkannt; sein blaues Koller, seinen schwarzen Strohhut und seine schmächtige behende Gestalt." „Und Du hast geschwiegen, hast Niemandem etwas davon gesagt?" „Bis daher keiner Seele, auch meinen Aeltern nicht." „Du hättest es aber dem Gericht anzeigen müssen." „Meinst Du?" „Freilich, dann wäre die ganze Sache anders ge gangen; warum thatest Du eS nicht?" Margret wurde verlegen. „Du weißt ja," ent gegnete sie zögernd, „wie die Verhältnisse standen. Sollte ich als Zeugin gegen den Bastel auftreten, sollte ich ihn in's Zuchthaus bringen? Heirathen mochte ich ihn nicht, aber sein Unglück wollte ich auch nicht." Und was willst Du nun thun?" fragte Conrad. ,Wie ich sagte, ich lasse mich nicht zu einer Hei« rath zwingen." ,.Ja, dafür wollen wir sorgen," rief Conrad in einer eigenthümlichen Aufregung; „glaube mir, von heute an läßt man Dich in Ruhe." „Du thust so sonderbar," fiel Margret ein, was ist denn mit Dir?" „Ich schaffe Dir den unangenehmen Freier vom Halse." „Um'S Himmelswillen," rief Margret ängstlich, „was willst Du thun?" „Wirst's heute noch erfahren," rief Conrad, zog seinen Hut, schwenkte ihn lustig und eilte fort. Er ging nicht nach Hause, sondern abwärts das Dors bis an den Hof, auf welchem Evi diente. Hier sah er sich um, er entdeckte Evi nirgends; er ging in die Küche, er durchwanderte die Ställe, endlich fand er sie auf dem Heuboden, wo sie Futter für die Kühe holte. Evi war über sein Erscheinen verwundert. „Hast etwas anzubefehlen an den Landrichter?" rief er ihr zu. Betroffen sah ihn Evi an. „Was soll das Ge rede?" erwiederte sie. „Die Geschichte mit dem Bastel ist noch nicht aus," versetzte Conrad. „Du hast ihm zwar aus dem Gefängniß geholfen, aber er wird bald wieder hinter Schloß und Riegel sitzen." „Conrad," erwiederte Evi ängstlich, „was sollen diese Worte bedeuten?" „Es hat sich ein Zeuge gefunden," versetzte Con rad, und erzählte nun Evi, was er soeben von Mar gret vernommen, und daß er zum Landrichter wolle, um die Sache anzuzeigen. „Das wirst Du doch nicht," rief Evi, „was hast Du davon?" „Der Bastel soll seine Strafe haben." „Hat er Dir denn etwas gethan, daß Du Rache an ihm suchst?" „Keineswegs." „O so bleibe," rief Evi flehend', „ich bitte Dich, schweige!" „Das geht nicht," versetzte Conrad; „er darf die Margret nicht heirathen, Du weißt, warum." „Weil Du sie liebst." „Ja, deßhalb wollen wir," fuhr Conrav fort, „seinem Freien ein Ende machen. Dich hat er der Margret willen verlassen, und durch die Margret wird er sein verdientes Schicksal finden. Laß' Dich ihn nicht dauern." Mit diesen Worten entfernte sich Conrad, ohne auf das zu achten, was Evi ihm nachrief, die ihn umsonst zurückzuhalten suchte. Diese war in großer Unruhe und Aufregung. So rasch als möglich vollen dete sie die Arbeit, die sie begonnen, ordnete dann ihren Anzug und verließ das Haus. Sie nahm ihre Richtung nach dem Geheghofe. Ihr Schritt war flüchtig; sie eilte, als fürchte sie etwas zu versäumen. Nur als sie, aus einem Gehölze hervor tretend, den Hof vor sich liegen sah, blieb sie zögernd stehen. Es entrang sich ein Seufzer ihrer Brust; es war, als müsse sie sich Kraft sammeln. Doch nur einige Augenblicke dauerte dieser Zustand, dann setzte sie ihren Weg fort. (Schluß folgt.)