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6. October ^868. Nr. 78. WePerih-Zeitung MM Verantwartlicher Nedacteur: Lari Zehne in Dippoldiswalde. Dienstag. Erscheint Dienstags und Freitags. Zu beziehen durch alle Postanstalten. Stellung in Deutschland behalten sollte. Binnen der bekannten 7 Tage war dieses Programm ein werth loses Papier. Oesterreich war aus dem deutschen Bunde hinaus, und Preußen arrondirte sich weit aus gedehnter, als man französischer Seits für zweckmäßig hielt. Die französische Regierung fühlte hierüber, wie sich der Minister des Auswärtigen ausdrückte, patri otische Beklemmungen." Dieses Gefühl verletzter Eitelkeit, welches bis auf den heutigen Tag die, den Ausschlag gebenden Theile des französischen Volkes beherrscht, hätte schon wegen der Luxemburger Affaire zum Kriege geführt, wenn nicht Graf Bismarck das zweifelhafte Besatzungsrecht Preußens geopfert hätte, und es bildet fort und fort die Kriegsgefahr. Im Kerne dreht es sich um die Machtfrage in Europa; die Franzoseu können es nicht ertragen, daß sich an ihrer Gränze eine Macht gebildet hat, die sie nicht in submisser Weise respectirt. Dergleichen Machtfragen, einmal aufgeworfen, fordern ihre Lösung, und nach dein geschichtlichen Lauf der Dinge giebt es hierfür keine andere Lösung, als den Krieg. Es ist daher auch eure unrichtige Ansicht, wenn man glaubt, der Kriegslärm der französischen Presse sei von den Chau vinisten oder mit hannöverschem Gelds gemacht. Diese Parteien mögen in ihrem Interesse die vorhandene Stimmung benutzen; aber wie sie dieselbe nicht erzeugt haben, so wird sie auch von ihnen nicht gehalten. Es ist der Beitrag eines Pfennigs zu einer Million. Doch, wie gesagt, die so eben beendete Nevolu- lution in Spanien und deren zur Zeit noch nicht berechnenbaren Consequenzen haben die Erledigung der Deutsch-Französischen Machtfrage in weitere Ferne gerückt. Rian spricht bereits wieder von einem Con- gresse zur Ausgleichung der verschiedenen europäischen Fragen. Der Gang der Dinge in Oesterreich hat neuer dings die öffentliche Aufmerksamkeit im höchsten Grade auf sich gezogen. Es fehlt nicht an Leuten, die die Tage des Bürgerministeriums für gezählt halten. Wir haben von Haus aus die Lage dieses Ministeriums für keine rosige angesehen; es hatte gegen sich die Aristo kratie, den Clerus und die große ungebildete Masse; für sich nur einen kleinen Theil der Intelligenz in den Städten. Bei so schwachem Stützpunkte ist es Kunst, sich zu halten. Auch hier bezweifeln wir, daß es gelingen wird, die nationalen und religiösen Ge gensätze in friedlichem Wege auszugleichen. Der geschichtliche Lauf der Dinge wird vielmehr auch hier der Kampf sein, bei dem es Alles einzusetzen gilt. Im Orient spitzt sich der Conflict zwischen Ru mänien und der Türkei mehr zu; Italien kann auch Preis pro Quartal 10 Ngr. Inserate die Spalten-Zeils 8Pfg. Ms- lind Mkigc-Walt der MiMchc« Gerichts-Ämter mid Atadlräthe M DiPPsldistsaldc mid /rsicnsteim Monats-Bericht. In der ersten Hälfte des Monats September nahm der Kriegslärm in der französischen Presse einen förmlich acuten Character an, und die Wahrscheinlichkeit eines Winterfeldzuges rückte in größere Nähe, als man dachte. Die selbstbewußten Worte des Königs von Preustbn in Kiel wirkten ivie ein Donnerschlag auf die Franzosen; an der Börse trat eine beispiellose Panik ein, und die Negierung mußte die Börse mid die Redacteure der großen Blätter instruiren, daß jene Worte des Königs friedlich aufznfassen seien. Da erhielten die Franzosen plötzlich ein neues Spielzeug für ihre Phantasie in dem spanischen Aufstande. Selbstverständlich muß man erst den Gang der Ereignisse auf der pprenäischen Halbinsel abwarten, ehe man sich wieder in ernsthafter Weise nut uns Deutschen beschäftigen kann, und es steht überhaupt in Frage, ob nicht die Resultate der spa nischen Revolution einen so bedeutenden Einfluß auf die Geschicke Frankreichs gewinnen, daß unseren west lichen Nachbarn für längere Zeit die Lust vergeht, mit uns anzubinden. Abgesehen hiervon müssen mir aber die, in unserem letzten Monatsberichte, und bereits seit dem Sommer 1866 wiederholt ausgesprochene Ansicht von der histo rischen Nothwendigkeit eines Kampfes der Deutschen und Franzosen um die Machtstellung in Europa, fest halten. Es hat diese Ansicht in Ihrem Blatte von zwei Seiten Widerspruch erfahren; allein beide unsere Gegner stehen, wenn wir uns nicht täuschen, auf dem humanistisch-idealen Standpunkte, und von diesem Boden aus wollen wir nicht mit ihnen rechten. Wenn alle Menschen vernünftig und sittlich wären, dann gäbe es freilich keinen Krieg, keine Schlägereien, keine Prozesse, keine Verbrechen mehr. Aber der Politiker, wenn er aus den gegebenen Thatsachen annähernd sichere Schlüsse ziehen will, muß die Zustände und Menschen nehmen, wie sie sind, nicht wie sie ver nünftiger Weise sein sollten. Und von diesen: realen Standpunkte aus müssen wir allerdings erklären, daß der Friede, der auf dem freien Bewußtsein der Solidarität der Interessen beruht, zwar in den Köpfen humanistischer Denker längst fertig, aber noch in weitem Felde ist auf den Bretern der Geschichte. „Man mag das beklagen, aber es ist so." Zur Begründung unserer Ansicht diene ein kurzer historischer Rückblick. Kurz vor dem Kriege von 1866 gab bekanntlich der Kaiser Napoleon das Programm heraus, wornach Preußen gestattet wurde, sich im Norden zu arrondiren und Oesterreich seine berechtigte