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Dienstag. Nr. 70. 8. September 1868. B pw Quartal Wecherch-Zeitung. M. Amts- und Anzeige-Klatt der Königlichen Gerichts-Ämter und Itadträthe zu Dippoldiswalde und /rauensteiu. Erscheint Dienstagsund Freitags. Zu beziehen durch alle Postanstalten. Verantwortlicher Nedacteur: Lari Zehne in Dippoldiswalde. Die Inhibition noch nicht verdienter Arbeitslöhne soll nach einem Beschlüsse des norddeutschen Reichstages künftighin nicht mehr zur Ausführung gelangen. Der BundeSrath hat sich bis jetzt zur Annahme der bezüg lichen Resolution nicht bestimmen können und somit bleibt diese Sache vorläufig noch unerledigt, wird in zwischen aber doch vielfach und von den verschiedensten Seiten besprochen, und auch die jetzt in Hamburg tagende Juristenversammlung hatte die vorliegende Frage auf ihre Tagesordnung gebracht. Die Abschaffung der Lohninhibition findet vor Allem bei Denen eine warme Fürsprache, welche für den Arbeiterstand ein wahres nnd aufrichtiges Interesse hegen. Sie wird ferner von allen Arbeitgebern lebhaft gewünscht, denen bei der jetzigen Einrichtung eine un endliche Masse Plackereien und eine große Verantwortung auferlegt wird. — Die Beseitigung der Inhibitionen hat aber auch viele Feinde, unter welchen eine Haupt rolle die Juristen der alten Schule spielen, denn diese sehen in der bevorstehenden Gesetzveränderung nicht allein eine der verhaßten Neuerungen, sondern auch den Verlust zahlreicher und (die Menge muß es bringen) lohnender Processe. Die thätigsten Gegner der vom Reichstage vorgeschlagenen Maßregel sind aber Jene, welche behaupten, der Arbeiter erhalte allein durch die Möglichkeit, ihm seinen Lohn mit Beschlag belegen zu können, den ihm zur Entnahme seiner Lebensbedürfnisse erforderlichen Credit. Alle die hierfür angeführten scharfsinnigen Deduktionen zerfallen schon bei dem einen Einwand, daß der Arbeiter, wenn sein Lohn mit Be schlag belegt wird, sofort die bisherige Arbeit aufgeben kann, ja daß er dies sogar oft in Folge Kündigung seines Arbeitgebers, der mit den Inhibitionen nichts zu thun haben will, ohnehin thun muß. — Wird ein Bäcker, Fleischer, Krämer rc. in der That einem Arbeiter nur deshalb Credit geben, weil er event. dessen Lohn verkümmern kann, oder wird er es überhaupt nicht blos in dem Fall thun, wenn er den Creditsuchenden für einen rechtlichen Mann hält? — Ein ordentlicher Arbeiter sieht sich, so lange irgendwie möglich ist, aller dings vor, keine Schulden zu machen, denn er weiß, daß er für den erhaltenen Credit durch höhere Preise oder geringere Waare eine Entschädigung bieten muß. — Aber wenn er nun, durch Verhältnisse gezwungen, Credit nachsuchen muß, wenn ihm derselbe wirklich nur im Hinblick auf die Möglichkeit der Lohninhibition ge währt wird, mit welchen Opfern muß er dann diese ihm aus früherer Bevormundung herstammende „Wohl- that" bezahlen, wenn er seine Verbindlichkeiten nicht rechtzeitig erfüllen kann? — Die den Zahlungsauflagen beigefügten Kostenrechnungen geben hierüber Aufschluß. So liegt uns ein Fall vor, in welchem zu einer For derung von 5 Thlr. 10 Ngr. 8 Pf. eine Kostenrechnung von 3 Thlr. 13 Ngr. 8 Pf. hinzukam. Ein eclatantereS Beispiel aber ist folgendes: Ein Arbeiter war 1862 seit ca. einem Jahre 29 Ngr. 5 Pf. Stolgebühren für seine Trauung schuldig; auf Antrag wurden diese durch Lohninhibition eingezogen und es kamen dazu 3 Thlr. 17 Ngr. Kosten. Hier thut wahrlich eine Aenderung noth und zwar eine Radicalcur, welche die Inhibitionen, wie eS sich gehört, einfach beseitigt. Bis dies aber geschieht, wäre auch schon eine Ermäßigung der furchtbar theuern Kosten sehr erwünscht. Eine billige Rechtspflege ist vor Allem für den Arbeiter eine Nothwendigkeit. Tagesgefehichte. Dippoldiswalde, 7. Septbr. Morgen Abend werden die Theatervorstellungen der Gesellschaft des Hrn. Director Thieme geschlossen werden, nach dem dieselbe uns seit 12. August in 20 Vorstellungen so genußreiche Abende geboten, daß wir nur den nach den ersten Darstellungen gethanen Ausspruch wieder holen können: Wir haben seit circa 20 Jahren so gute Schauspieler nicht hier gehabt. Der stets sehr zahlreiche Besuch und der Beifall über die Leistungen konnten jedoch Hrn. Thieme nicht veranlassen, länger hier zu bleiben, da anderweite Verpflichtungen ihn mit seiner Gesellschaft nach Freiberg rufen. Doch wird er in späterer Zeit wieder hierher kommen. Wir sprechen Hrn. Thieme den Dank der Theaterbesucher für die gebotenen Genüsse hiermit gern aus, wollen aber zum Schluffe nicht unterlassen, auf die morgende letzte Vorstellung, die zum Benefiz für Frl. Schleinitz, der wegen ihres ausgezeichneten Spiels allgemein beliebten Schauspielerin, stattfindet, aufmerksam zu machen und zu zahlreichem Besuche umsomehr aufzufordern, als daSBene- dix'sche Lustspiel „der Störenfried" gewiß Jeden voll befriedigen wird. — Wie wir so eben erfahren, ist die so reizend gelegene, bisher wenig besuchte Restauration Berreuth durch Kauf in den Besitz des, als sehr tüchtigen Wirth bekannten früheren hiesigen Rathskellerpachters Herrn Melde übergegangen. Der Vergnügungsort wird un ter Führung des Genannten sicherlich wieder ein sehr angenehmer und viel besuchter werden. Dippoldiswalde. Auf die, Ende Juli d. IS. von vielen hiesigen Bürgern und Einwohnern an das Kgl. Ministerium des Innern gerichtete Eingabe um Hineinlegung unserer Stadt in das Telegraphennetz Sachsens, ist am 1. Septbr. von genannter höchster