Volltext Seite (XML)
Das Luther-Fest in Worms. Das schöne Fest hat größere Dimensionen ange nommen, als man erwartet hatte. Es war nicht möglich, die Gäste in der Stadt Worms und den benachbarten Orten unterzubringen. Selbst nach Guntersblum bei Oppenheim mußte wegen Wohnungen für die Fremden geschrieben werden, von wo die Eisenbahn die dort Einquartierten Morgens und Abends hin- und zurück beförderte. Wahrhaft prachtvoll war die Decoration des Fest platzes mit der daranstoßenden Festhalle, wie sie nach dem Entwürfe des Hauptmanns Beck aus Darmstadt auögeführt ist. Der Festplatz nimmt außer dem Platze sllr das Denkmal 86200 Quadratfuß ein und enthält anßer den Plätzen auf den ringsum errichteten Empor bühnen Raum für 10000 Personen. Die hieran stoßende Festhalle faßt 3000 Personen. An 40 hohen Masten sind auf den vier Seiten des Festplatzes die Wappen der Staaten und Städte, welche sich mit Beiträgen für das Luther-Denkmal betheiligten. Das Denkmal selbst erhebt sich auf einem durch zwei Stützen erhöhten, viereckigen Granitunterbau, von dem jede Seite 40 Fuß rheinisch mißt. An den vier Ecken dieses Unterbaues stehen auf 8 Fuß hohen Posta menten aus polirtem Syenit die 8^/z Fuß hohen Bronze statuen der mächtigsten Stützen und Förderer der Re formation: Kurfürst Friedrich der Weise von Sachsen, Landgraf Philipp der Großmüthige von Hessen, Philipp Melanchthon und Johann Reuchlin. Die Vorderseite des Vierecks ist offen und bildet zwischen den Statuen der beiden erwähnten Fürsten den 30 Fuß breiten Ein gang in den innern Raum, die drei übrigen Seiten dagegen sind durch 4—5 Fuß hohe Zinnenmauern eben falls aus polirtem Syenit abgeschlossen, aus deren Mitte sich auf 7 Fuß hohem Syenitpostament je eine 6 Fuß hohe sitzende Städtefigur erhebt: Augsburg mit der Friedenspalme, die trauernde Magdeburg und die protestirende Speier. Die Krone des Ganzen bildet das Hauptpostament in der Mitte des Denkmals, auf dessen vier vorspringenden Sockelpfeilern die vier Vor kämpfer der Reformation: Petrus Waldus, Witclef, Huß und Savonarola, in sitzender Stellung sich an die aus einem weitern Postament befindliche Kolossalstatue Luther's selbst anschließen. Nach der Begrüßung der Festgäste am Bahnhofe fand am 24. Juni die kirchliche Vorfeier in drei Kirchen statt. Abends 8 Uhr Einläuten des Hauptfesttages; dann gesellige Vereinigung in der Festhalle, an der gegen 3000 Personen theilnahmen. Die Stimmung war eine sehr bewegte. Eich aus Worms hielt die Zur Schule Das Interesse der Eltern, oder besser des Publikums im Allgemeinen, an der Schule ist in den letzten Jahren, man kann wohl sagen mindestens um 75"/o gestiegen. Diese Erscheinung ist wohl leicht dahin zu erklären, weil in ver schiedenen Vereinen, wie auch aus Landtagen, das Schulwesen mit auf der Tagesordnung steht und ein lebhafter Meinungs austausch hierüber in der Regel stattfindet. Auch die Presse ist, hauptsächlich in den pädagogischen Blättern, sehr rührig aus diesem Felde, und deshalb nimmt mich der Glaube ge fangen, der geehrte Leserkreis auch dieses Blattes werde seine Aufmerksamkeit einem Aufsatze, welcher in das Schul- und Kinder-, mithin auch in das Volksleben hineinschneidet, einen Augenblick widmen. Begrüßungsrede. Der Sinn des Denkmals sei, sagte derselbe, daß jeder Mensch frei seiner Ueberzeugung leben könne. Am Hauptfesttage, 25. Juni, traf der Anfang des Festzuges Mittags r/»1 Uhr auf dem Denkmalsplatze ein. Voran gingen zahlreiche Gesangvereine mit ihren Emblemen; es folgten weiß gekleidete Jungfrauen mit Kränzen, dann die Schuljugend, eine große Anzahl von Geistlichen, daraus zahlreiche Deputationen von Städten und Universitäten; dieselben nahmen auf den Tribünen Platz. Auf dem Festplatze befanden sich etwa 15,000 Menschen. Uw 1 Uhr fuhren die Fürsten, von Hochrufen begrüßt, auf den Festplatz. Der Großherzog von Hessen saß neben dem Könige von Preußen; der Großherzog von Weimar neben dem Könige von Würt temberg, der Kronprinz von Preußen neben dem Prinzen Wilhelm von Baden. Die Einleitungsrede Opper mann'S gab eine Geschichte des Denkmals; es heißt in derselben: „Luthers Gestalt mahnt unser Ge wissen zum Widerstand gegen jede Gewalt, mag sie gekleidet sein in Purpur oder Stahl." Decan Keim begrüßte zuerst die anwesenden Fürsten; er nannte den König von Preußen den Schirmherrn der evangelischen Kirche in und außer Deutschland. Um 2 Uhr fiel die Hülle des Denkmals unser tausend stimmigem Jubelruf und dem Gesang des Liedes: „Eine feste Burg ist unser Gott!" Es erfolgte alsdann die Uebergabe des Denkmals an die Stadt Worms durch den Prälaten Zimmermann aus Darmstadt. Bürger meister Bruck von Worms (Katholik) hob in seiner Rede die Verdienste Luther's um die Menschheit hervor und prieö den sittlichen Werth des großen Mannes; er bezeichnete Luther als den Ehrenbürger von Worms. Allgemeiner Gesang schloß die Feier um 3 Uhr. — Außer den früher genannten fürstlichen Persönlichkeiten waren noch bei der Enthüllung des Luther-Denkmals zugegen: Der Prinz Wilhelm von Hessen, der Prinz Waldemar von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Au gustenburg, die Prinzessin Karl von Hessen, geb. Prin zessin Elisabeth von Preußen. Auf ausdrücklichen Wunsch des Königs von Preußen trugen die Souveraine das große Band deö ersten Ordens ihres Landes. Auch am dritten Festtage hatten sich viele Tau sende eingefunden. Am Gottesdienste, welcher auf dem Platze vor dem Lutherdenkmal stattfand, nahmen 6000 Personen Theil. Pastor Baur aus Hamburg hielt die Predigt. Nachmittags schloß die Feier mit der Auf führung des Mendelssohn'schen Oratoriums „Paulus." Beim Festbanket, das Abends stattsand, wurde wegen zu großer Unruhe kein allgemeiner Toast ausgebracht. Es folgt hier Einiges aus den Verhandlungen der 17. allgemeinen deutschen Lehrerversammlung, welche Anfang dieses Monats in Cassel tagte. Neben mehreren anderen Gegenständen kamen folgende Haupt-Thema zur Sprache: 1) „Lebe im Ganzen," Herr Tiedemann aus Hamburg; 2) „lieber Schulsynoden," Herr Hoffmann aus Hamburg; 3) „Die Fundamentalsätze der heutigen erziehlichen Theorie und Praxis," Herr vr. Lange aus Hamburg. Einige Bemerkungen über die einzelnen Gegenstände seien mir nun gestattet. Bezüglich des Vortrags Nr. 1 sei bemerkt, daß derselbe klar und planvoll sich aufbauend, von einer schönen, würdigen Idealität getragen, warme Anerkennung sand.