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Der sächsische Erzähler : 04.07.1942
- Erscheinungsdatum
- 1942-07-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735715891-194207048
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735715891-19420704
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735715891-19420704
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Der sächsische Erzähler
-
Jahr
1942
-
Monat
1942-07
- Tag 1942-07-04
-
Monat
1942-07
-
Jahr
1942
- Titel
- Der sächsische Erzähler : 04.07.1942
- Autor
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Der Sächsische Erzähler ner So«»abe»d/So«ntag de« 4 /5. I«tt 1S42 Beiblatt z» «»«»er ISS Bekömmliche Musik. Als Arthur Nickisch einst im Leipziger Stadttheater Orchesterprobe abhiclt, legte er plötzlich den Stab aus der Hand und wandte sich fragend an einen Fagottbläser: „Sie haben noch nicht gefrühstückt, nicht wahr?" „Allerdings nicht", erklärte der Gefragte verwundert, ..aber woher wissen Sie das?" „Weil Sie dir Hälfte der Noten verschlucken", sagte Nickisch ärgerlich. auch gar nicht zur Antwort „Ach wie ist's möglich dann", er rief ein begeistertes „Tüüüit". Als das nächste Jahr gekommen war, da war em Kindchen da, und es war wieder nichts mit dem Abendkleid. Auch ein ganz bescheidener neuer Herbsthut wurde es nur. Und das über nächste Jahr brachte keinen Pelzmantel, sondern ein Schwester chen für den nun schon einjährigen kleinen Walter. — Aber sie waren alle gesund und munter, nur ein bißchen älter, auch der Dompfaff. Da sagte eines Tages Rosmarre zu Walter „Was wird eigentlich aus dem Abendkleid und dem Pelzmantel, die du mir versprachst? Unser Dompfaff ist Zeuge ..." — Walter schreckte von seiner Zeitung auf und schwieg. Aber RoSmarie lächelte nur und trat zum Dompfaffen-Käfig und rief „Erin nerst du dich noch, was dieser Mann mir alles versprochen hat?" — Doch was war daS? Der Dompfaff hob daS Köpfchen und sang auch, aber nicht das alte Lied „Ach, wie ist'S möglich dann", nein, eine ganz andere Melodie. Klar und rein pfiff er „Der Wind hat mir ein Lied erzählt. . ." — „Wo hat er daS her?", rief Walter. — „Ich habe es ihn ge lehrt", sagte RoSmarie. „Du bist boShaftl" - „Nein, ich liebe dieses Lied." - „Viel leicht bringst du dem Vogel auch noch die »weite Strophe bei", schimpfte Walter. ,Bon einem Glück und daS war schön . . ." Da faßte RoSmarie ihren Herzallerliebsten an der Hand und führte ihn ins Kinderzimmer . . . Hier lagen Klein-Walter und Klein-Rosmarie und schlie fen .. . „Walter, von einem Glück .. . und dieses Glück hier ist schöner, als ave die dummen Lieder, die sonst der Wind klei nen eitlen Frauen erzählt, denn es bleibt bestehen, auch ohne Pelzmantel und Abendkleid .. ." — Da umarmte Walter seine Frau und draußen flötete jetzt Meister Dompfaff wieder sein erstes Liedchen „Ach, wie ist'S möglich dann ..." — Er kam auch diesmal nicht über die erste Strophe hinaus, dafür sangen die Kerzen von Walter und Ros- marie daS Lied bis zu Ende . . . „daß ich dich lassen kann. Hab dich von Herzen lieb, das glaube mir . . ." rühmten „Terrasse" beglückt noch immer der Blick auf die fernhin schwingenden grünen Höhen deS anderen UferS, auf die stille Neustadt, auf die mannigfaltigen Formen der Schiff fahrt, auf den bunten Verkehr, der die Brücke belebt. Seit dem Mittelalter haben an der Stelle der heutigen AugustuSbrücke Pfeiler und Bogen die Elbflut be zwungen. Seit den ältesten Zeiten wechselt hier deutsches Schicksal über den Strom. Ein Bild für viele Bilder, zugleich ein Stnnbtll»: Drüben, unterhalb der Freitreppe, dicht bei der Hofkirche, hielt vor seinem russischen Feldzug Napoleon und liest die endlose Schlange seiner Regimenter an sich Vorüber drohnen; da unten raste er in entgegengesetzter Richtung bei nächtlichem Schneegestöber fliehend im Schlitten vorbei, als die „große Armee vernichtet war Noch immer gültig aber ist, was in sich selber ruht, die Schönheit deS Sradtprofils, das hier durch die glorreiche Steinkuppel der Frauenkirche seinen höchsten Ausdruck findet. Stoch immer gültig aber ist die Unantastbarkeit der Kunst, die in einer neueingerichteten kleineren Galerie neben modernen die besten Gemälde der Romantik ausstellt. Wir spüren im Angesicht einer der schönsten Städte Euro pas, daß alles, was organisch von innen wuchs, Dauer hat in der Welt, und wir sind gewiß, daß der deutsche Soldat einen Herzpunkt des Reiches verteidigt, wenn er auch für den Kul turbegriff Dresden im Felde steht. Kurt Arnold Akndelsen Langsam schlendere ich über unseren Einsatzhafen an der bretonischen Küste. Es sind noch einige Minuten bis zum Start. Ich gehe auf meine Maschine zu. Dabei fällt mir ein, daß wir einen neuen. Piloten bekommen sollen. Ude steht bereits vor den Motoren. ,Lallo, Hans!" begrüßt er mich, „'n Prima Wet ter heute, was? Werden dem Tommy mal wieder so'n paar dicke Brocken vor der Nase wegschnappen!" — „Wo soll es denn hin gehen?" — „Weiß nicht genau, vermutlich Georgskanal, Rich tung Liverpool.. 'S wird wohl ganz schön klappern heute! Un ser Neuer, Leutnant von Gerka, ist noch drüben beim Alten zur Besprechung." „Mensch", geht es mir durch -en Kopf, „Gerka — etwa Fritz Gerka, der damals in Polen mein bester Kamerad? Er wurde doch qbgeschossen, galt für tot." Seitdem hatte ich nichts mehr gehört. Zu schnell wurde unsere Staffel auseinanderge- rissen. Und jetzt — hier in Frankreich? Das wäre zu schön, um wahr zu sein! Alles von damals wird plötzlich wieder lebendig, sekundenschnell zieht es noch einmal an mir vorüber: Wir flie gen Angriff auf den Bahnhof von Kobryn. Es ist wolkig, wir müssen durch, uw die „Koffer" genau über dem Ziel abladen zu können. Fritz fliegt links neben mir. Die polnische Nak ballert wie irrsinnig. Minuten eiserner Konzentration! Wir fliegen eine Schleife, gehen zum Angriff über. Noch einmal tuende ich kur» den Kopf, da — es durchfährt mich eiskalt, Fritz ist getrof fen! Der linke Motor seiner Maschine brennt, mit einer gro ßen Rauchfahne fliegt er auf einen Wald zu. Mehr sehe ich nicht Fast ein Jahr ist darüber vergangen. Ich habe Fritz nicht vergessen können. Und heute, hier — Fritz lebt? Ist das Wirk lichkeit? Da sagt Ude: „Da ist er ja schon! Nu mal fix 'rin in die Kiste!" Ich komme wieder zu mir. Gespannt blicke ich zu den Hallen hinüber: Dort kommt er. Ruhig schreitet er auf uns zu. Ich erkenne ihn sofort an seiner fast hünenhaften Gestalt. Das linke Bein zieht er etwas nach, seine Haltung aber ist stolz und ungebeugt wie einst. Ich glaube an ein Wunder. Jedem gibt er die Hand, mir als letztem. Da erkennt er mich. „Hans", sagt er bloß, „Hänschen, Mensch, du?" Er schaut mich an, ver sucht zu lächeln. Seine Gedanken sind dabei aber Wohl weit fort. Wir machen uns fertig zum Start. Ein wenig später braust die Staffel über den Platz, fliegt in geschlossener For mation eine Schleife. Bald daraus befinden wir uns über dem Kanal, auf dem Fluge nach England. In der Höhe von Jslc of Man sichten wir den ersehnten „dicken Brocken", einen Groß tankerl Trotz heftigen Abwehrfeuers gelingt cs, ihn durch Voll treffer zum Sinken zu bringen. Gegen Abend landet die Staf fel wieder unversehrt auf dem Platze. Unser Kommodore be glückwünscht unS zu unserem Erfolge. Die nächste Woche verläuft ohne nennenswerte Ereignisse. Die Maschinen müssen überholt werden. Ich bewohne jetzt mit Fritz ein Zimmer. Die Kameraden und ich versuchen immer wieder, ihn froh und heiter zu stimmen. Umsonst. Er bleibt ernst und verschlossen. AltNtt / von*«ätzH/Arttlar Blutrot ist eben die Sonne gesunken. Eine graue Dämme rung breitet ihre Schatten wie riesige Flügel über der Land schaft aus. Doch in uns ist keine Ruhe, auch nicht in der Natur. Eme mächtige Spannung liegt über allem. In der Stuke ist es dunkel. Jeder hängt seinen Gedanken nach. In der Ferne beginnt es leise zu donnern. Sonst ist es totenstill. Da — spricht Fritz nicht etwas? Doch! Jetzt habe ich es deutlich ge hört — „Anna Maria!" Das Flüstern erstirbt, nur noch die Lippen bewegen sich lautlos. „Fritz", rufe ich ihn an, dabei er greife ich unwillkürlich seine Hände. — „Laß, Hans", sagt er, „eS stürmte bloß alles wieder auf mich ein, ist schon gut!" — „Nein, du mußt sprechen! Quäle dich nicht so!" Das Gewitter ist inzwischen näher gekommen. Blitz um Blitz fährt in die Erde. Zwischen den Donnerschlägen hört man das Rauschen des Meeres. „Liebst du sie sehr?" frage ich vorsichtig. „Geht es ihr nicht gut?" Minuten qualvollen Schweigens vergehen. Dann fallen ein Paar Worte, fest und deutlich gesprochen: „Sie lebt nicht mehr." Greller Blitz füllt für Sekunden unsere Augen, ein knal lender Donner zerreißt die Luft. Fritz springt auf, packt mich an der Schulter, deutet hinaus in die gespenstische Helle: „Siehst du — da! Jetzt habe ich sie gesehen! Gleich einem Enget stand sie da und schaute mich an. Ihre Seele hat das ewige Leben!" — Mir stockt der Atem,, ich bin wie gelähmt, er aber schließt ruhig das Fenster. „Zünde eine Kerze an, es ist so dunkel", sage ich endlich. — „Ja", erwidert er, „du sollst es heute wissen, und du wirst mich verstehen! , „Du weißt", fuhr er nach einer Pause fort, „ich wurde da mals abgeschossen. Trotz brennendem Motor flog ich einen in Richtung der Front liegenden Wald an. Ich hatte mit dem Leben schon abgeschlossen, doch gelang es mir als einzigem von meinen Kameraden, rechtzeitig „auszusteigen", mit umgehäng ter Maschinenpistole! Ich sah noch den Ausschlag und hörte die Explosion der Bombenladung. Als ich wieder erwachte, blickte ich in ein Paar wunderschöne blaue Augen. Eine zarte Hand strich mir über die Stirn, wild Mochte mein Herz, gierig trank ich das mir dargebotene Wasser. Langsam kehrte das Leben zurück. „Ach, ja", besann ich mich, „du bist ja abgeschossen!" Ich befand mich in einer großen Scheune, neben mir kniete eine junge, blonde Frau, Anna Maria! Sie war Wolhhniendeutsche. Tagelang war sie bereits auf der Flucht. Ihre Eltern und Geschwister sind von den Po len ermordet worden. Mit Bluthunden hatte man sie nachts gehetzt. Nie war sie zur Ruhe gekommen, bis sie in jenen Wald kam, unweit der deutschen Linien, und in der Scheune Zuflucht fand. Sie Pflegte mich mit rührender Aufopferung und war des Nachts oft stundenlang unterwegs, um Nahrung heranzuschaf fen. Mein verstauchtes Bein besserte sich rasch. Wir verbrach ten die Tage mit Wachen und Hoffen, ständig auf der Hut vor einer Entdeckung. Schwere Tage waren bas, gemeinsam getra gen; das gab Kraft und erleichterte alles. Anna Maria war schön. Hellblondes Haar umrahmte ihr schmales Gesicht. Einen Kopf kleiner nur war sie als ich. Ich brauche Wohl kaum zu sagen, daß wir uns lieb gewannen und glaubten, nie mehr ohne einander leben zu können. Später, in Deutschland, woll ten wir heiraten. Es kam ein nebliger Morgen. Stille rundum. Schwer hingen di« Tautropfen an Bäumen und Sträuchern. Die Sonnenstrahlen kämpften um ihr Dasein. Schwere Artillerie schoß über den Forst hinweg. Stukas zogen ihre Bahn. Die Front konnte also nur noch wenige Kilometer entfernt sein! Wir beschlossen, zu fliehen. Ich lud die Maschinenpistole und sicherte. Noch zwanzig Schuß hatte ich im Magazin. Man konnte nicht wissen! Ab und zu glaubten wir schon, Geräusche in der Nähe gehört zu haben. Leise machten wir uns auf den Weg, Anna Maria dicht neben mir. Unser Ziel war die deut sche Linie; sie konnte nicht weit sein! Bet dem geringsten Knacken im Gehölz zuckten wir zusam men und verbargen uns hinter Büschen. Nur noch etwa hun dert Meter, und wir hatten den Waldesrand erreicht, dort muß ten schon bie ersten Deutschen kommen! Leuchtkugeln stiegen in die Lust, rote, grüne, Weiße! Was dann geschah, kam urplötzlich. Vor uns lag eine kleine Wiese. Anna Maria hatte eine Quelle entdeckt und blieb zu rück, um etwas zu trinken. Ich ging aufi die erhöhte Lichtung zu, um zur Front hinüberzufchauen Da peitschten ganz in der Nähe MG.-Schüsse auf! Durch Schulter und Oberschenkel getroffen, breche ich zusammen. Doch nur für einen Augenblick. „Anna Maria", durchzuckt es mich, „mein Gott, wenn —" Mit letzter Kraft richte ich mich auf, blicke zurück. Da sehe ich Anna Maria! Sie steht umringt von einer Schar polnischer Soldaten, die sie gierig betrachten und ihr die Kleider vom Leibe reißen wollen. Nie werde ich ver gessen können, Wa8 in ihren Augen stand, als sie noch einmal zu mir herüberschaute. Gab es denn keine Rettung? Keinen Ausweg? Doch! Kur» zögere ich, dann reiße ich die Waffe hoch, ziele. Ich habe Anna Maria erschossen. An daS Folgende kann ich mich nur dunkel erinnern. Ein deutscher Spähtrupp, den Polen bereits dicht auf der Spur, hat mich dann gefunden!" Draußen rauscht gleichmäßig der Regen. Der Sturm hat nachgelassen. Es ist Mitternacht, als wir zu Bett gehen. Lange kann ich nicht einschlafen. Noch einmal, ehe ich das Licht lösche, schaue ich zu ihm hin über. Er schläft, feind Züge sind entspannt. Doch noch ein letz tes Mal kommt es wie ein Hauch Mer die Lippen: „Anna M aria Nu deuksches Suufihelllglum Im Semperschen Bau daneben ward dem berühmtesten Gemälde der Welt, der Sixtinischen Madonna Rafaels, ein Altar errichtet, zu dem Kunstgläubige aus allen Erdteilen ge- wallfahnet kamen. Da, wo das Kupferstichkabinett mit dem Nymphenbad in den Wall übergeht, wohnte vor reichlich hun dert Jahren Carl Maria von Weber, der in Dresden den „Freischütz", die „Euryanthe", den „Oberon" schuf. Im präch tigen Opernhaus dicht dabei fand am 20. Oktober 18Ä die erste trmmphhafte Aufführung des „Rienzi" statt, sie dauerte von 6 Uhr bis nach Mitternacht. Bald darauf wurde Wagner in demselben Hause Königlicher Kapellmeister. An der „Premiere" des „Rosenkavatier" von Richard Strauß kurz vor dem Welt krieg nahmen Musikenthusiastcn aus halb Europa teil. Auf dem schön gepflasterten Platz davor begeisterte sich an einem Juniabend des Jahres 1892 eine tausendköpsiae Menge, nach dem der vom jungen Kaiser abgesetzte Bismarck zu ihr geredet hatte. Heute trägt der weitgeräumige stolze Platz den Na men deS Führers. Zwischen Galerie und Schloß klemmt sich in klassizistischer Gebärde, von keinem Geringeren als Schinkel entworfen, die ehemalige Hauptwache. Auf der be- Der Zwinger zu Dresden / Als festes Bollwerk riegelte ebemalS daS Schloß der Wetti- ner die Stadt Dresden nach der Elbe zu ab, zugleich das wich tige Tor, daS heutige dreiteilige Georgentor, bewachend, daS alles, waS auf der berühmten Stembrücke daherkam, in sich einsog. Die riesigen Basteien und Mauerungen der einen Sette, die der Festung nach dem Strom zu Gewicht geben sollten, ver wandelten sich in Garten und hochgelegene Promenaden. Durch 41 Stufen einer verbindlich wirkend«: Freitreppe erschlossen, erlangten sie Weltruhm unter der Bezeichnung Brühlsche Terrasse. Nach der anderen Serie verschwand im Laust der Jahrhunderte der Schloß- und Stadtgraben, den ein Flüßchen speiste. Der Fluß wurde verlegt, der Graben zugeschüttet, eine weite Fläche mit altem Baumbestand schwang sich aus in re- spektvollem Bogen, von den Fensteraugen des Schlosses im Bann gehalten. Hier gedachte jener Augustus, der den Bei namen „der Starke" führte, mit Hilfe seines genialen Baumei sters Daniel Pöpvelmann die riesigen Hofgevrerte eines neuen Fürstenpalastes bis zum Strom vorzutragen. Nur der erste Hof mit Pavtllonen, Prunktoren, Galerien und Balustraden ist fertig geworden, das unvergleichliche Barockwunder des Zwingers. Der Zwinger ist fälschlicherweise lange Zeit als Borhof dies- geplanten Schlosses bezeichnet worden. Tatsächlich ruht die große künstlerische Leistung mess Baues ganz in sich selbst. DaS eigenwillige sandsteinere Rechteck war von vornherein als festliche Umrahmung für die phantasievollen Feste bestimmt, die als Ausdruck barocken Lebenswillens noch in den nachträglichen Beschreibungen etwas Hinreißendes Haven. Hemmungslose Freude am Diesseits und seinen Erscheinungsformen trium phierte, wenn di« vier Elemente, wenn Feuer, Wasser, Luft und Erde in hundert Verkleidungen einen schwingenden Rei gen schlangen. Ueberschäumenüe Daseinslust war kaum zu bän digen, wenn die Völker Europas, von den Sinnbildern ihres Wesens umgaukelt, in märchenhaften Auszügen die Grenze zwi schen Sein und Schein zu verwischen schienen. Die mytholo gischen Figuren, die die Pavillone krönten, die Putten, die die Galerien verzierten, die Karyaditen an den Bogengängen, die Tritonen, bie Seepferde, bie Nymphen an den Brunnen und Wasserfällen spielten mit, und der freie Himmel darüber wölbte die Arena inS Grenzenlose. Alles in allem wurde im Zwinger ein Bauwerk geschaffen, das in seiner Einmaligkeit berufen ist. die Zeiten zu überdauern. Mit seiner Einmalig keit wettertzrn die unvergleichlichen Kostbarkeiten, die im „Grü nen Gewölbe" gehäuft sind und die die weltbekannte Porzel lansammlung ausmachen, deren älteste, unersetzliche Stücke, die altchinesischen Porzellane, der erste Augustus noch zusammenge bracht hatte. Im Auftrage einer späteren Zeit schloß Gottfried Semper den nach der Elbe zu offenen Zwingerhof mit dem ernsten Re naissancebau der Gemäldegalerie ab, zugleich die Pläne für daS Kcl-sssalrund des Opernhauses liefernd, daS bald nach Fertigstellung niederbrannte. Nach einem zweiten Sem perschen Grundriß stieg der heutige Bau empor. Das mit der polnischen Königskrone geschmückte Fürstengeschlecht glaubte nachher nicht ohne eine Hofkirche gedeihen zu können, die ihresgleichen suchte. Aus dieser Familiensorge und der Ge nialität des beauftragten italienischen Baumeisters Gaestano Chiaveri wurde das hinreißendste Barockgotteshaus, das je in einem nordischen Strom sich spiegelte. Ker überlegene Archi tekt wich von der üblichen Ostorientierung der Kirchen ab, legte den Chor südwestlich und stellte das Ganze frei vor die Schloß front, so daß der in großartiger Leichtigkeit sich verjüngende Turm nicht nur die Stromseite vollständig beherrscht, sondern auch vom Innern der Stadt her wichtige Straßenzüge hoheits voll an sich zieht. Die italienischen Bauleute Chiaveris hatten in kleinen Häusern am Ufer gehaust. Eine vielbesuchte Wirts- haüsanlaae, die sich mit Gartenterrassen an derselben Stelle lang hinstreckt, übernahm die Bezeichnung „Italienisches Dörf chen". S:e schließt zwischen Brücke und Oper de» vielgestalti gen Ring, der um den Herzraum Dresdens gelegt ist. .Hm Zwingerhof und den darin abgehaltenen Festen entlmi sich der lebensüberströmende Barockwille Augusts deS Starken, der als König von Polen das Problem der deutschen Ostpolitik auf eine Weise zu lösen versuchte, der Größe und Weitblick nicht abzusprechen sind, Die Figuren Permosers wispern in manchen Mondnächten heute noch von ihrer großen Zeit, besonders wenn gelUentlich der weitberühmten ..Zwin- aerserenaden" Musik und Tanz hoher deutscher Meister sich mit der tänzerischen Musik der Steine vermählen. RoSmarie und -er Dompfaff Von Hanns Lerch Zur Hochzeit hatte eigentlich Fedor, der Freund deS jungen Ehemannes, den besten Einfall gehabt. Er schenkte dem inngen Paar einen richtigen lebendigen Dompfaff in schönen: neuen Gebauer aus Kirschbaumholz, und mit verchromten Gittern. Und dieser Dompfaff war nicht nur fingerzahm, er wurde bald zum erklärten Liebling Rosmaries. — Aber auch Walter, der junge Ehemann, hatte den rotbrüstigen lustigen Gesellen gern. Zunächst war er ein prachtvoller Wecker. Sobald die Spatzen :m Morgengrauen zu lärmen ansingen, rief er fein „Tüüüit" so lange uno anhaltend, bis Walter den Kop» aus den Federn steckte und sich die Augen ri> b AIS die junge Ehe aber ein Paar Monate alt war, entdeckte Walter noch etwas anderes an dem bunten Vogel Ec sonnte ein Liedchen pfeifen. W'i weiß, wer eS ihm mit unendlicher Geduld beigebracht hatte. Und zwar Pfiff der Dompfaff die ersten Töne deS alten LiedeS „Ach wie ists möglich dann...." AIS auch RoSmarie das Liedchen zum ersten Male hörte, tvar sie begeistert. Ja, es ging noch weiter, wenn Walter dem Gimpel einen Leckerbissen reichte, bedankte er sich sofort mit der Strophe „Ach wie ists möglich dann..." So wurde es Spätherbst und Rosmarie wünschte sich einen Herbphut. . . Walter hatte zu rechnen und meinte, ob der alte Herbsthut es nicht auch noch tue . . . Es gab einen Flunsch und ein paar Tränchen. Da trat Walter zum Dompfaff-Käfig und rief: „Nun, Herr Dompfaff, was sagst du zu Frauchens Wunsch?" — Prompt pfiff der Gimpel „Ach, wie rst's möglich dann . . ." — „Siehst du", meinte Walter, „unser Dompfaff ist der gleichen Meinung!" RoSmarie lief zum Bauer und sagte „Dompfaff, «st daS wirklich deine Meinung . . .?" — Und wie auf Bestellung pfiff der Gimpel zum zweiten Male „Ach, wie ist's möglich dann..." — Sie verzog den Mund „Dann muß ich mich bescheiden." — „Sieh mal, Liebling", tröstete Walter Rosmarie, „wir haben noch an den Möbeln abzuzahlen, eS wird noch diese und jene Kleinigkeit gebraucht, aber im nächsten'Jahr bekommst du be stimmt einen ganz funkelnagelneuen Herbsthut..." - Sie schluckte und tröstete sich. Dann ging sie abermals zum Vogel bauer und fragte: ,Run, Dompfaff, wird Herrchen sein Wort halten?" — Walter ließ den Dompfaff nicht zum Antworten kommen und rief „Er wird sogar noch mehr tun. Frauchen be kommt im nächsten Winter sogar noch ein Abendkleid und ein Jabr später einen Pelzmantel..." — Und der Dompfaff pfiff
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