Volltext Seite (XML)
im Zimmer auf und ab, — erst schweigend; dann sprach Konrad: „Ich denke von uns Beiden zu bedeutend, — theure Rosa! als daß ich mich daran stoßen könnte, daß Sie sehr reich sind; daß ich Ihrem Vermögen ein äußeres Glück zu verdanken baden würde." — „Das konnte auch nicht anders sein," — warf Rosa einfach und sicher dazwischen und drückte leise den Arm des Geliebten, der nun forlfuhr: „Aber bedenken Sie, der Unterschied —" Rosa fuhr betroffen auf, sah betroffen den Re denden an und dieser sprach ruhig weiter: „Ich meine nicht den äußern Stanbeöunterschied, liebes Herz! — aber ich meine die tiefgewurzelten und darum so natürlich berechtigte» Lebens- und Richtungs- Gewohnheiten, die in jenem Unterschiede begründet sind, das liegt viel tiefer, ist viel bedeutsamer, als es sich so von Außen mit den Blicken einer schönen Liebe ansieht, — und das mußt Du wohl bedenken." „Weiter, Konrad! weiter!" — sprach Rosa ruhig ernst und dankte dem Geliebten sein erstes, hier so unbewußt gegebenes Du mit einem strahlende» Blick. „Du hast bisher gelebt wie eine ganz unabhängige, wie eine reiche, junge, schöne Gräfin, mit schönen Passionen mancherlei Art, das wirst Du nicht mehr können, — Du müßtest ganz anders leben —" „Ich weiß das, — weiß das recht wohl," — erwiedcrte Rosa mit tiefem, festen Klang der Stimme. „Und ich bin ernst, — sehr ernst, — Du bist von Natur aus fröhlich. —" „Du auch, Du auch-, Konrad!" — rief da liebe Weib, mit unendlich reizender Gemächlichkeit und glücklicher Sicherheit aus. — „Und meine Mutter, Rosa! meine Mutter, — die darf ich nicht von mir lassen." „Das sollst Du auch nicht." „Aber Du kennst sie »och nicht; Du weißt nicht, was es heißt, eine solche Mutter um sich zu haben, die Dich mehr haßt als liebt." „Ich kenne sie, — ich weiß es, aber das müßte keine echte Liebe sein, die den Haß nicht in Liebe wandeln könnte." — „Und nun Deine Verwandten sie können damit nicht zufrieden sein: dürfen es nicht, wie nun einmal die Welt stehet; sie werden zürnen." — „Ich werde ihnen desto mehr gut sein." „Und wenn sie Dich verwerfen, verstoßen —" „Dann bedaure ich sie —" „Rosa! Rosa! es ist nicht leicht, den Fluch, den Haß der Nächsten zu ertragen." „Doch, wenn er so häßlich, so unnatürlich ist; — ich werbe Schmerzen tragen darum — und dann desto glücklicher Dir angehören. — Konrad, o mein ge liebter Freund: Alles, — — Alles, was Du mir sagtest: glaube mir, es ist in seiner ganzen Bedeutung mir vor Empfindung und Gedanken getreten, und ich habe nicht die Schärmerei, aber ich habe die Macht der Liebe ihm entgegen gestellt, und tief und klar fühlte ich in mir: sie ist stärker als Alles, Alles!" In sprachloser Rührung standen jetzt Beide da; Keines wagte sie zu lösen, durch einen Blick oder gar durch ein Wort da trat Klara hin, und gleich ¬ sam, als ob das fast schon verklärte Kind eine Ahnung von Dem empfand, was hier die Herzen bewegte: eS trat zwischen Beide hin, sah Beide unendlich zärtlich und glückselig an und faßte Beider Hände still in die seinigen. Da beugten sich Konrad und Rosa über dem Haupte des Kindes zusammen, so daß ihre Wan gen sie berührten; sie legten ihre Hände auf des Kin des Haupt und schwuren, als auf einem Altar, den Schwur einer Liebe, stark genug, um die Welt und die Hölle in derselben bezwingen zu können; dann küßten sie des Kindes Stirne, und Thränen trunkenen Glückes waren bas Tauswasser ihres heilig-starken Bundes. — 12. Zu derselbe» Stunde, wo diese Scene im Zimmer ter Gräfin vor sich ging, saß Monsieur Baptiste wieder bei der Witwe Mauritius. Er hatte diese sonst ganz gescheidte und mit gesunden Sinnen begabte Frau nach und nach so für sich einznnehmen, ihr so zu imponiren und mit seinem Orient so den Kopf zu verrücken gewußt, daß sie ihm Dinge zutraute und glaubte, die sonst Niemand ihr hätte sagen dürfen. Auch heute hatte er der athemloS Zuhörenden schon die ungeheuerlichsten Dinge ans seinem Orient erzählt, zuletzt auch mit tiefer Rührung bekannt, daß er dort mit der Tochter eines Hottentotten «Königs verehelicht gewesen sei. Die Vorstellung von der Tochter eines Hot- tentotten-Königs war für die arme Zimmermannswitwe eine so außerordentliche, daß sie vor lauter Erstaunen nur die gewöhnliche Frage thun konnte: „Hatten Sie denn auch Kinder?" „O ja, — zwölf!" — erwiederte Baptiste mit ruhiger Rührung. — Zwölf Hottentottenkinder, und der Vater derselben saß da vor ihr, — es wirbelte ihr förmlich im Kopf herum und sie fragte halb tonlos: „Leben sie auch noch Alle?" „Nein!" — antwortete Baptiste mit stoischer Sicherheit, indem er eine aufsteigende Thräne vor den Blickender alten Frau zu verbergen suchte. — „Nein! mein roher Schwiegervater hat sie alle gefressen." — Die Frau konnte den unglücklichen Schwiegersohn nur unstarren, und dieser fuhr gleichmüthig, doch ge rührt fort: „Ich setzte ihn oft bart zur Rede, wenn er mir ein Kind gefressen hatte; er iah dann auch seine Un schicklichkeit ein, fiel mir auch wohl weinend um den Hals und versprach mir heilig: seine rohe Natur ab- zulegen; aber kaum hatte seine Tochter wieder ein Kind zur Welt gebracht — schwapp, hatte es mein Schwiegervater schon wieder weg." — Unbeschreibbar war die Sicherheit, mit der Monsieur Baptiste die Geschichte erzählte (und schon hundertmal erzählt hatte), unbeschreibbar bas Gemisch von Zweifel, Staunen und Mitleid, womit Frau Mauritius den Erzähler nun anschaute, womit sie dessen jetzt folgende Nutzanwen dung seiner Geschichte anhörte, als er meinte: „Sehen Sie, meine liebe Frau Mauritius, das sind die Folgen einer Mißheirath ober auch nur einer Liebe zwischen zwei so gänzlich ungleichen Menschen, und deshalb, meine verehrungswürdige Freundin, lassen Sie uns auch fest zusammenhalten und wirken, um d^r unglückseligen Neigung zwischen Ihrem Herrn Sohn Hauslehrer und meiner hochgeborenen Herrin, der Frau Gräfin, ein Ende zu machen." Damit war Frau Mauritius nun wieder auf sicheren Boden gekommen, den die Hottentottenkinder ihr gänzlich unter den Füßen weggezogen hatten, ' (Fortsetzung folgt.)