Volltext Seite (XML)
Die Erfahrungeu des Kriegs haben diesen Zweig der Ausbildung als besonders wichtig erscheinen lassen. — Dem preußischen Kriegsministerium gehen fort während Modelle zu verbesserten Hinterladungs gewehren zu. Sogar ein Pastor hat eine solche Mordwaffe eingereicht. Als von wirklichem Werthe wird eine verbesserte Henry-Büchse mit Mazazinlauf für 12 Kugeln bezeichnet; dieses Modell rührt von einem, in einem preußischen Militär-Etablissement be schäftigten Büchsenschmied her. — Die süddeutsche militärische Einheit macht furchtbare Fortschritte, zunächst in der Bewaffnung. Der König von Würtemberg hat sich, nachdem er Ver suchen in der Schweiz persönlich beigewohnt, für eins der dort zahlreich in Vorschlag und Probe begriffenen Muster entschieden. Das bairische Kriegsministerium läßt nach dem Vorschläge von Podewils arbeiten. In Baden ist man, wie zu erwarten, für preußisches Muster. Also: Viel Köpfe, viel Sinne! Hannover. Die hiesigen Offiziere haben eine Commission niegergesetzt, welche die Interessen der Offi ziere, Unteroffiziere und Mannschaften bei der bevor stehenden neuen Organisation wahren soll. Die Com mission wird auch mit dem König Georg Verhandlungen anknüpfen, um die Entbindung vom Diensteide zu er langen, gleichzeitig aber auch für diejengen Offiziere, welche in den Ruhestand treten wollen, höhere Pensions sätze in Berlin beantragen. — Das preuß. Militär strafgesetz ist hier eingeführt worden. Würtemberg. Unter den B ewohnern derFestung Ulm wirkt man sehr eifrig für Beseitigung der Fe stungswerke. Die städtischen Behörden haben eine Eingabe an die Regierung gerichtet, worin behauptet Wird, daß es nicht im Interesse Würtembergs liege, die zu einer erfolgreichen Vertheidigung noch nothwen- digen Vorwerke mit einem Aufwand von vielen Milli onen zu beschaffen und daß nach gemachten Erfahrungen die europäischen Kriege mit wenigen großen Schlägen geführt würden, ohne daß man sich viel um die Festun gen kümmere. Schleswig-Holstein. Der Oberpräsident Barow v. Scheel-Plessen hat den „Schleswiger Nachrichten", welche als Organ der national-liberalen Partei nach Möglichkeit für die Einverleibung der Herzogtümer in Preußen agitirt haben, mit ConcessionS-Entziehung gedroht, weil dieselben ihre Bedenken darüber geäußert, daß alle höheren Beamtenstellen mit entschiedenen Re- actionären besetzt werden. — In Kiel haben in letzter Zeit mehrfache Excesse zwischen Civil und Militär stattgefunden. — Im Herzogthum Lauenburg ist man mit Einführung des preußischem Militär-Systems be- schäfttigt. Oesterreich. Vielfache Beunruhigung veranlaßt die, an die Direktionen der Staatsbahnen ergangene Weisung, 200 Waggons für den Transport von Mili tär bereit zu halten. Während man allgemein glaubt, diese Vorbereitungen seien gegen Galizien gekehrt, wird von einigen scheinbar Unterrichteten behauptet, daß diese Vorsichtsmaßregeln gegen Ungarn gerichtet seien. Der Hauslehrer und die Gräfin. Ein Charakter-Gemälde von A. Schlönbach. (Fortsetzung.) 11. Während auf solche Welle die Liebe des Pfarrers und der Gräfin betrachtet und bedroht war, entfaltete und beicstigte sich dieselbe immer schöner und klarer. Sie hatten sie nicht werden, nicht kommen sehen; aber jetzt aut einmal stand sie vor ihnen: ganz und voll, als unabweisbare Thatsachc. Und so faßten sie nun auch ihre Liebe auf: sie erschracken nicht davor, sie bangten, bebten, zitterten nicht; Keines von ihnen sah dem Andern erröthend ins Auge oder senkte verschämt den Blick zu Boden; Keine« von ihnen flüsterte dem Anderen ein geheimnißvolleS Wort zu und Keines von ihnen brach in überschwengliches Jauchzen aus. Wie sich zwei schön und tiefverdundenen Menschen auf ein mal ein großartiges Naturschauspiel darbietet, wie man oft nach langer, einsamer Wanderung plötzlich vor einer unbeschreiblich schönen Fernsicht steht, — wie man auf dem ruhigen, gleichförmigen Meere fährt und dann oft mit einem Male die ganze Pracht und Herrlichkeit der aufsteigcnden oder untergehenben Sonne betrachtet: — so sahen Rosa und Konrad ihre Liebe auf ein Mal vor ihr Bewußtsein treten. „Sie sprang da aus unseren Seelen heraus, fertig, vollendet, wie Minerva aus dem Haupt Jupiters," — sagte Konrad, und Rosa erwiederte: . „Eine Minerva wird sie uns auch sein müssen, — denn wir werden noch Kämpfe zu bestehen haben; — wohlan, sie wird ihre Waffen erproben!" Konrad wußte im ersten Augenblick nicht recht, was Rosa damit meinte; dann aber fiel ihm ein: Sie meint damit jedenfalls die Kämpfe, die diese Liebe gegen die Welt, die Menschen, die Verhältniste noch bestehen muß;" — und wie er so dachte: da plötzlich dachte er auch erst daran, daß diese Kämpfe doch auch zu einem Siege führen sollten; daß sterben nur dieses Sieges wegen da sein würden; — daß Rosa also schon an eine Verbindung mit ihm gedacht habe, — ui.d da, — da, — so natürlich, so als sich ganz von selbst verstehend er dies auch mit empfand, — da wurde es ihm doch auf einmal seltsam bang und heiß zu Muthe und der starke, ernste Mann er- röthete wie ein zarter schöner Jüngling. Das war das herrlichste Himmelsroth der echten Männerkeusch heit; noch heiliger uud zarter als das keusche Roth der Jungfrau. — Die Liebe ist die eigentliche Kraft des Hellschenö; wozu es sonst der weitesten und tiefsten Untersuchungen, Erklärungen, Besprechungen bedarf: die Liebe erkennt es mit einem ihrer Götterblicke, der das Undurchdringliche durchschaut: So fühlte Rosa in jenen Augenblicken Alles nach, was Konrad be wegt hatte, und wenn auch einen Moment lang ein Hauch des Erröthens über ihr Gesicht fuhr, so strahlte es doch sofort in freiem, kühnem Glanze auf und sie trat hin zu dem schweigend dastehenden Freund, nahm seine Hand in die ihrige nnd sagte dann mit einem herrlich schönen Gemisch von kindlich weiblicher Demuth und dem Stolze einer freien, kühnen, großliebenden Frauenseele: „Da wir uns ja doch wohl verbinden werden, — so müssen wir uns auch wohl wappnen gegen alle die Stürme, die man noch gegen uns führen wird." — Da drückte Konrad glücklich, zärtlich, fest ihre Hand; dann wurde er ernst, — er nahm Rosa'« Arm unter den seinigen, — sie gingen mit einander