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beiden letzteren Staaten sind die Verhandlungen wieder ins Stocken gerathen und haben bis jetzt noch nicht wieder ausgenommen werden können. Ob nun Preußen die Einberufung des Reichstages von dem Abschluß dieser noch schwebenden Verhandlungen abhängig machen, oder bald nach Genehmigung des Reichswahlgesetzes Seiten des Herrenhauses, die Wahlen ausschreiben und die Einberufung erfolgen lassen wird, darüber verlau tet zur Zeit noch nichts Bestimmtes. — Der Bünd- nißvertrag selbst lautet: Art. 1. Die Reqierungen von Preußen, Sachsen-Weimar, Oldenburg, Sachsen-Kobura-Gotha, Anhalt, Schwarzbura-Son- dershausen, Schwarrburg-Rudolstadt, Waldeck, Reuß jüngere Linie, Schaumburg-Lippe, Lippe, Lübeck, Bremen und Hamburg schließen ein Offensiv- und Defensiv-Bündniß zur Erhaltung der Unabbiingigkeit, Integrität und der inneren und äußeren Sicher heit ihrer Staaten, und treten sofort zur gemeinschaftlichen Vcr- theidigung ihres Besitzstandes ein, welchen sie sich gegenseitig durch dieses Bündniß garantiren. Art. 2. Die Zwecke des Bündnisses sollen definitiv durch eine Bundesverfassung auf der Basis der preuß. Grundzüge vom 10. Juni 1866 sicheraestellt werden, unter Mitwirkung eines ge meinschaftlich zu berufenden Parlaments. Art. 3. Alle zwischen den Verbündeten bestehenden Verträge und Übereinkünfte bleiben in Kraft, so weit sie nicht durch gegen wärtiges Bündniß ausdrücklich modifizirt werden. Art. 4. Die Truppen der Verbündeten stehen unter dem Oberbefehl Sr. Maj. des Königs von Preußen. Die Leistungen während des Krieges werden durch besondere Verabredungen ge regelt. Art. 5. Die verbündeten Regierungen werben gleichzeitig mit Preußen die auf Grund des Rcichswahlgesetzes vom 12. April 1849 vorzunehmenden Wahlen der Abgeordneten zum Parlament anordnen und Letzteres gemeinschaftlich mit Preußen einberufen. Zugleich werden sie Bevollmächtigte nach Berlin senden, um nach Maßgabe der Grundzüge vom 10. Juni d. I. dm Bundesver fassungs-Entwurf festzustellcn, welcher dem Parlament zur Be- rathung und Vereinbarung vergelcgt werden soll. Art. 6. Die Dauer des Bündnisses ist bis zum Abschluß des neuen Bundesverhältnisses. event. auf ein Jahr festgesetzt, wenn der neue Bund nicht vor Ablauf eines Jahres geschlossen sein sollte. — Zu den Einzugsfeierlichkeiten in Berlin am 20. und 21. Sept, werden Fenster an den Hauptstraßen zu fabelhaften Preisen ausgeboten; so wird für 2 Fen ster im 2. Stock „unter den Linden," wo die noch dicht belaubten Bäume nicht einmal eine gute unbeschränkte Uebersicht gestatten, die bescheidene Summe von 150 Thlr. (für beide Tage) gefordert. Ein Gesuch in einer Berliner Zeitung bietet für 2 Fenster „unter den Lin den" 20 Friedrichsd'or! Blumenwinderinnen, Gärtner, Decorateure rc. schwitzen bereits den Schweiß des Ge rechten. Alle Läden werden geschlossen sein; die Börse wird an beiden Tagen ausfallen. — Die Stiftung eines neuen Ordenskreuzes für die preußische Armee aus dem Metall eroberter Geschütze ist beschlossen worden. Die Ueberreichung der selben soll am Tage der Truppeneinholung erfolgen. — Es heißt, wenn im Abgeordnetenhause das Anleihegesetz abgelehnt werden sollte, so würde die Regierung die Stände auflösen. — Wie aus bester Quelle versichert wird, ist es richtig, daß mit den entthronten Fürsten von Kurhessen und Nassau Verhandlungen gepflogen werden, die eine freiwillige Berzichtleistung derselben auf ihre Länder herbeisühren sollen, und scheint ein günsti ger AuSgang der Verhandlungen unzweifelhaft zu sein. Es hängt damit wohl auch die Thatsache zusammen, daß der „Staats-Anzeiger" das von der LandeSvertre- tung genehmigte Annexionsgesetz noch nicht veröffentlicht hat. — Die preuß. Regierung hat bekanntlech die Mil lionen StaatS-Effecten, welche König Georg von Han nover nach England schaffte, außer Cours setzen lassen und jede Zahlung aus der hannov. Staatskasse an den König so lange untersagt, bis jene Summen zurücker stattet werden; aber die Privateinkünfte des Königs sind so bedeutend, daß die Entziehung der bisherigen jährlichen Rente wohl kaum einen Einfluß auf seine Entschlüsse auszuüben vermag, denn diese belaufen sich baar auf 1,113,000 Thaler. Der König von Hanno ver hat die „Neue Welt" in Hitzing, wie aus guter Quelle verlautet, um den Preis von 59,000 Fl. ange kauft. Glogau. Die Trautenauer Bürger nebst dem Bürgermeister vr. Roth sind am 14. Septbr. auf Befehl des Kriegsministeriums sreigelassen worden und haben sich nach ihrer Heimath begeben, wo ihnen, sowie in vielen Orten auf ihrer Rückreise, ein festlicher Empfang bereitet wurde. Die bei ihrer Ablieferung an das Glogauer Criminalgefängniß ihnen abgenomme nen 6000 Gulden, Uhren, Ringe rc. wurden ihnen wieder zugestellt. Schleswig-Holstein. Die dänisch-gesinnte Partei sucht, namentlich in Nord-Schleswig, jetzt sehr für einen Anschluß an Dänemark zu wirken. Die städti schen Behörden von Hadersleben haben in entgegenge setzter Richtung eine Adresse an den König von Preußen erlassen, worin die Ueberzeugung dargelegt wird, daß der Stadt und überhaupt dem nördlichen Schleswig nur durch die Bereinigung mit Preußen dauerhafte Zustände und Zeiten des Friedens wiedergegeben werden können. In einer zahlreich besuchten Volksversammlung von Männern aus allen Theilen Nordschleswigs, die am 16. Sept, in Hadersleben abgehalten wurde, sprach man sich ebenfalls allgemein entschieden gegen jede Theilung aus und verlangte volle Vereinigung mit Preußen. Wien. Man kann in dem gegenwärtigen Augen blick der Regierung durchaus nicht zur Last legen, daß sie thatlos sei, die Hände müßig in den Schooß lege und der Zukunft ganz unbesorgt entgegensetze. Im Gegentheil, so fleißig, so über Hals und Kopf wie jetzt, ist schon lange nicht in den Kanzleien des Staats ministeriums gearbeitet worden. Es ist auch ganz natür lich, da der Befehl zur Arbeit persönlich vom Kaiser ausgegangen, mit dem Beisatze noch, daß bis in läng stens 14 Tagen geeignete Vorschläge in Betreff einer Ausgleichung mit den Ländern jenseit der Leitha und ein entsprechender Plan zur Einberufung der Volksver tretung vorgelegt werden müsse. Nun hat aber das Ministerium niemals ernstlich auf eine jemalige Wieder einsetzung des Parlamentarismus gedacht, daher auch keine wie immer geartete Vorbereitung hierzu getroffen, keine Vorarbeiten angeordnet, und man kann sich daher leicht von der Verlegenheit einen Begriff machen, in welcher sich der Staatsminister befindet, der eine neue Verfassung gleichsam aus der Erde stampfen soll. Man hat auch bereits Vieles versucht, um nur so schnell als möglich zum Ziele zu kommen. Man hat sich mit Parteiführern des ungarischen Landtags, mit Staats männern dies- und jenseit der Leitha in Verbindung gesetzt, hat sich Vorschläge erstatten lassen und sogar größere schriftliche Ausarbeitungen durchstudirt. Allein dies alles führte nur vom Ziele noch mehr ab und gab höchstens dem Ministerium nur einen noch klarem Be griff von der Schwierigkeit der Aufgabe, die es in so