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579 München. Wie man hört, sollen in den letzten Tagen dieser Woche in Berlin die Friedens Ver handlungen mit Bayern zum Abschluß gelangen; Preußen hat seine Forderungen bezüglich einer Gebiets abtretung wohl sehr bedeutend ermäßigt, es beharrte aber noch bis dato auf Abtretung der Gebietsstrecke zwischen Lichtenfels und Kulmbach und zwar zu Gunsten Koburgs. Ob es gelingen wird, auch diese Forderung noch zu beseitigen, steht dahin. An Geld wird Bayern wahrscheinlich 20 Mill. Fl. zu bezahlen haben. Wien. Am 20. August ist mittelst eines Sepa- ratlastzuzs der Nordbahn die als Kriegsentschä digung für Preußen bestimmte Silberbaarschaft im Betrage von 20 Millionen Thaler in Begleitung von 10 Beamten, 12 Dienern und 36 Feldjägern von hier über Prag nach Berlin abgegangen. Dieselbe ist in Fässern verladen, und das Abzählen derselben, wel ches von 20 Beamten vorgenommen wurde, erforderte sechs Tage Zeit. Die Baarschaft besteht durchgehend« aus Reichsthalern. Aus Ungarn. Nach brieflichen Mittheilungen. (Schluß.) Um noch einmal zur Jahrmarktsbeschreibung zu rückzukehren, so verdienen die zahlreichen Musikbanden, welche von Zigeunern gebildet werden, eine gewisse Aufmerksamkeit. Geigend und singend ziehen sie von Ort zu Ort, stellen sich vor den Häusern auf, belagern einzelne Menschen, von denen, sie sich eine Gabe er warten, und veranstalten von Zeit zu Zeit auch größere Musikaufführüngen im sogenannten „Hain," einem großen, öffentlichen Garten. Wir haben einem solchen Concert beigewohnt und gefunden, daß diese Musikanten, die natürlich nichts von künstlerischen Leistungen wissen und keinen Begriff von den großen Helden der musikalischen Welt haben, ja selbst nicht einmal wissen, was eine Note ist, doch die Herzen außerordentlich zu rühren verstehen. Ihre Weisen, die alle melancho lisch klagender Art sind, scheinen einen Seelenschmerz, vielleicht das Heimweh auszudrücken, und dann wieder nehmen sie nach einigen grellen Uebergängen, die wie »Verzweiflung klingen, eine Weise an-, die wie tausend verlorene Hoffnungen in die betrügerische Welt hinaus klagt. Mitunter wird diese Musik so wild, so unbän dig, daß es Einem das Herz zusammen schnürt und man mit wahrer Angst des großen Elends der armen, musicirenden Zigeuner, dieser Parias der Gesellschaft gedenkt, sich einbildend, als wütheten sie über ihr eigenes Loos. Doch dem ist nicht so; sie sind mit ihrem Schick sal wohl zufrieden, einige Kreuzer zu Tabak und Brannt wein, der aus Pflaumenkernen gebraut wird, machen sie vollkommen glücklich und was sie nicht haben, das stehlen sie bei erster Gelegenheit, daher mau stets ihr Eindringen in die Häuser auf's Sorgfältigste zu Hinter treiben sucht. Die Mehrzahl dieser Zigeuner darf selbst nicht in der Stadt Wohnung nehmen, nur einigen, die Handwerke treiben, ist es gestattet. Die Jahrmarktstage sind die rechten Erntetage der Zigeuner; erst wird geigend von Haus zu Haus gezogen, und wenn der Abend kommt und der Markt geräumt wird, wenn die hohen Berge von Früchten, besonders Melonen verkauft, die Juden mit den Ueber- bleibseln ihrer Maaren abgezogen sind, dann beginnt das rechte Zigeunerleben iu den Spelunken, die man hier Gasthöfe nennt, hier versammelt sich ein tanz- und trinklustiges Publikum und man springt, singt, lärmt, trinkt und prügelt sich, bis der Morgen graut. Natür lich gilt dies aber nur von der niederen Klasse der hiesigen Bewohnerschaft; die gebildeten Ungarn amü- siren sich auf gesittetere Weise in ihren Häusern, oft gemeinsam mit den reichen Deutschen, die sich ihr Heimwesen so angenehm wie möglich zu gestalten suchen. Da sitzen oft große Gesellschaften beisammen im Salon, einem weiten Gemache, das von dem großen Garten nur durch eine von Schlingpflanzen (die an Drähten empor gezogen werden) gebildete Wand getrennt ist. Hier, bei glänzender Beleuchtung, umgeben ödn Gegen ständen des Luxus, der Mode und der Kunst, genießen sie ihr Leben und geben besonders den Taselfreuden eine hohe Würdigung, so daß ein Abendessen, das nicht wenigstens elf Gänge hatte, für gar nichts gerechnet wird. Die Herrenwelt labt sich an vortrefflichem Un garwein, die Damen studiren Modezeitungen, besprechen die Toilette und flüster» einander Stadtneuigkeiten zu. Tiefere, feine Bildung soll rar sein; Aeußerlichkeiten sind meist immer die Gegenstände der Beachtung. Ueberdieß veranstaltet man auch Bälle, Corcerte, thea tralische Vorstellungen, und man thut wohl daran. Wir haben hier einigen Lustbarkeiten beigewohnt und uns höchlichst an der dabei herrschenden Fröhlich keit ergötzt. Die Ungarn tanzen zu sehen, ist wirklich ein Vergnügen; sie sind so äußerst graciös und so lustig, was, wie wir glauben, beides den rechten Tänzern eigen sein muß; ihre Tänze sind freilich auch viel an- muthiger, wie die deutschen und französischen), sie zeigen viel mehr die Körperformen und Gewandtheit der Tanzenden. In jetziger Zeit ist allerdings auch die Politik bedeutend in den Vordergrund getreten; doch wird sie nur von der kleinen Anzahl der Gebildeten richtig auf gefaßt, die andere Klasse steht noch zu weit hinter allen Kenntnissen zurück, um sich auch nur einen entfernten Begriff von den Zeitverhältnissen zu machen. Wie beschränkt sie sind, beweist, daß sie beständig ihre welt lichen Oberhäupter mit den Schutzheiligen verwechseln und z. B. Maria Theresia als überirdisches Wesen in ihren Gebeten anrufen. Natürlich beweisen sie dabei auch ihren Popen die tiefste Unterwürfigkeit und ver neigen sich ehrfurchtsvoll vor jedem Heiligenbilde, das ihnen vor die Augen kommt. Wir konnten uns An fangs dieses häufige Grüßen nicht sogleich erklären; mehr als einmal geschah es daher, daß wir, in der Meinung, der im Vorübergehen einem Heiligenbilde gespendete Gruß gelte uns, zuvorkommend dankten. Diese Annahme war um so natürlicher, als man hier mit den höflichsten Komplimenten, Handküssen und Titeln äußerst freigebig ist. Die religiösen Ceremonien werden hier auf das Strengste gehandhabt, doch sind sie für den Ausländer oft von eigenthümlichem Eindruck. Am Tage Allerseelen sahen wir Volksmassen mit Figuren aus Pappe, welche Scenen aus Heiligengeschichten darstellten, nach der Kirche und in derselben auf und nieder ziehen, stunden lang lag dann Alles auf den Knien und Abends brannten auf den Gräbern allenthalben Lichter, während die Schul kinder Trauerarien sangen und einige Zigeuner dazu geigten. Letztere« machte einen sehr rührenden Eindruck. Sonderbarer ist eine, bei Begräbnissen vorherrschende Sitte, hierbei pflegen nämlich alle leidtragenden Männer