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578 Jahre auszusuchen, und so hat auch die freundliche Badestadt Teplitz, obgleich sie von dem blutigen Schlach tengewühl glücklich verschont geblieben, unter den ge genwärtigen Verhältnissen viel zu leiden. Die Saison hatte einen recht erfreulichen Anfang genommen; am 10. Juni zählte die Curliste hereits 479 Parteien mit 638 Personen, Ziffern, die sich bis zum 14. Juni auf 532 Parteien und 705 Personen erhöhten. Aber mit diesem Tage, an welchem der Telegraph den bekannten Bundesbeschluß über die Mobilisirung rc. mit Blitzes schnelle verbreitete, waren für Teplitz die schönen Tage von Aranjuez vorüber. Alles rüstete sich zur Abreise, und als wenige Tage später der Einmarsch der köngl. preußischen Truppen in das Königreich Sachsen bekannt wurde, stoben die Badegäste, weniger um ihre eigene Sicherheit, als um das Schicksal der Ihrigen in der Heimath besorgt, nach allen Richtungen aus einander, um die noch ununterbrochenen Bahnlinien und Fahrge legenheiten benutzen zu können. Seitdem sieht es öde und traurig aus in der sonst zur Sommerszeit so be lebten Badestadt. Die zahlreichen, für Curgäste be stimmten freundlichen Wohnungen sind zum großen Theil geschloffen; dasselbe gilt von vielen Verkaufsläden, welche sonst mit ihren bunten Auslagen das Publikum anlockten. Die trefflichen Concerte im Cur- und im Schloßgarten, sonst die Sammelpunkte der eleganten Welt, sie leben nur noch in der Erinnerung und ihre wiederholt in Aussicht gestellte Wiederaufnahme ist bis heute noch nicht zur Wahrheit geworden. Daß dieser Zustand, welcher überdies durch die Lasten wiederholter Einquartierung empfindlich gesteigert wird, in einem Badeorte, die lediglich auf den Fremdenverkehr ange wiesen ist, von tiefgreifenden Folgen sein muß, bedarf keiner weiteren Begründung und die hiesige Einwohner schaft wird voraussichtlich mehrere Jahre brauchen, ehe sie sich von dieser Calamität vollständig erholt. Seit etwa acht Tagen beginnt es übrigens etwas besser zu gehen. Die einem definitiven Abschlüsse sich zuneigen den Friedensverhandlungen haben Manchem Muth ge macht, trotz der vorgeschrittenen Jahreszeit die verlas senen Heilquellen aufzusuchen. In der That wird eS auch Niemanden gereuen, die Reife nach hier unter nommen zu haben; man lebt bequemer und, was die Wohnungen anlangt, auch meist billiger, als in einer überfüllten Saison, und in Betreff der sonst so be schränkten Badestunden entscheidet jetzt lediglich das Be lieben des CurgasteS. So gestaltet sich der Aufenthalt für Jeden, der nicht rauschende Vergnügungen sucht, zu einem höchst angenehmen, und wenn die seit Kurzem eingetretene etwas freundlichere Witterung sortdauert, sollte sich Niemand abhalten lassen, seinen alten Lieb lingsort aufzusuchen. Ein wesentliches Hinderniß besserer Frequenz bildet allerdings der gestörte Bahn verkehr; die Linie Außig-Teplitz wird erst seit drei Tagen von zwei gemischten Zügen befahren, von denen der eine früh 7^/» Uhr hier eintrifft, und der andere Nachmittags 2^/, Uhr nach Außig abgeht, so daß nur der Anschluß an die zwischen Prag und Dresden ver kehrenden Nachtzüge möglich ist. Hoffentlich wird aber auch in dieser Beziehung durch Herbeischaffung ver mehrter Betriebsmittel recht bald eine Aenderung zum Besseren eintreten. — Die hier befindliche kgl. preu ßische Einquartierung besteht au« circa 800 Mann Landwehr (24. Regiment) und einer Abtheilung von 50 Mann, welche zusammen auf circa 670 Häuser vertheilt sind, denn die Einquartierung gilt hier noch al« Reallast. Seit einigen Tagen hat sich das vom Generalleutnant v. d. Mülbe befehligte zweite Reserve corps von Prag aus in Marsch gesetzt und die Spitzen desselben sind bereits gestern in Dux angelangt, wo das Hauptquartier aufgeschlagen wird; von einer Ver legung des letzteren nach Teplrtz ist hier zur Zeit nichts bekannt. Vielmehr verlautet, daß jene Truppen, deren Stärke auf 20,000 Mann angegeben wird, bei Dux ein Lager beziehen werden, um von dort aus successive abzurücken und unter Benutzung der sächsisch-böhmischen Bahn rc. durch Sachsen heimzukehren. — Mitte dieser Woche fuhr eine große Anzahl sächsischer Spannwagen, deren Führer gar Vieles erzählen können, aus dem Innern Böhmens nach der Heimath zurück. Einzelne Wagen waren zusammengekoppelt, was auf den Verlust der Pferde hindeutete; die Mehrzahl der letzteren be fand sich in einem Zustande, der ihren Eigenthümern keine Freude machen wird, denn es hat nicht an Stra- patzen, wohl aber gar oft an Futter gefehlt, und oft mußten die Führer froh sein, wenn sie etwas Weizen stroh als Fütterung für die abgematteten Thiere vor fanden. — Die sächsische Presse, sonst durch zahlreiche Organe, namentlich an öffentlichen Orten vertreten, ist gegenwärtig hier nur spärlich repräsentirt. Die Schuld mag mit an der zeitweilig gestörten Postverbindung liegen, welche ein rechtzeitiges Abonnement unmöglich machte; andererseits hört man aber auch nicht selten die Bemerkung: die sächsischen Blätter seien „zu preu ßisch" gehalten. Die guten Leute! Wenn sie wüßten, wie überaus schwierig es ist, mitten im Kriegszustände ein politisches Blatt zu redigiren, würden sie gerechter urtheilen. Schließlich sei noch bemerkt, daß die pünkt liche Ankunft österreichischer Blätter gar oft durch ver fügte Beschlagnahmen unterbrochen zu werden Pflegt. Halle a. d. S>, 19. August. Leider sind gestem hier allein 72 an der Cholera Verstorbene beerdigt worden. Berlin. Die förmliche Besitzergreifung von Hannover, Kurhessen, Nassau und Frankfurt wird unmittelbar nach der Erledigung der Annexions vorlagen Seiten des Landtages durch königliches Patent erfolgen. Etwa 14 Tage später wird der König in den Hauptstädten der betreffenden Länder die Huldi gung entgegennehmen. — Der Prinz von Augustenburg wird in den näch sten Tagen die Schleswig-Holsteiner von dem Huldigungseide entbinden. Prag. Die Bevollmächtigten Oesterreichs und Preußens hielten am 20. August eine dreistündige Conferenz. Es heißt, daß es sich zur definitiven Beendigung des Friedenwerkes zwischen Oesterreich und Preußen nur noch um Auffindung der Form han delt, um auch ohne den gleichzeitigen Friedensschluß zwischen Oesterreich und Italien, dem König von Preußen Garantien zu bieten, daß seinem Alliirten der Besitz Venetiens gesichert sei Es dürfte demnach dem defi nitiven Friedensschlüsse zwischen Oesterreich und Preußen zu Ende dieser Woche oder längstens in der ersten Hälfte der künftigen mit einiger Gewißheit entgegen zu sehen sein. Diese Annahme scheint auch in den, die Verhandlungen leitenden Kreisen vorherrschend zu sein, indem die Militärbevollmächtigten Oesterreichs und Preußens mit großem Eifer an den Vereinbarun gen wegen möglichst schneller Räumung der occupirten österreichischen Gebietstheile und zwar mit beide Theile befriedigendem Erfolge arbeiten.