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Wienstag. Ur 38 15 Mai 1866. Erscheint MWeißenh-Zeituug. Preis pro Quartal 10 Ngr. Inserat« die Spalten-Zeile 8 Psg. I«Ir- m» Mngk-Klatt der KSriMe» Menchls-Inalkr «»> ztadttlilhr z, Wppoldisvaldk. MonlKei» aad Mkabrrz. Verantwortlicher Redacteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. Politische Wetterbeobachtungen. s. Zeit gewonnen, Alles gewonnen! Alter Spruch. Wir erinnern uns eines artigen Bildchens von Ludwig Richter, zwei Knaben darstellend, die sich mit geballten Fäusten gegenüberstehen und von denen einer zum andern sagt: „Fange 'mal an!" Der berühmte Maler hat nicht daran gedacht, daß sein Bild einmal die beste Charakteristik der gegenwärtigen Weltlage ab geben kann. Vom Po bis zur Eider, von der Seine bis zur Weichsel steht Alles bis an die Zähne be waffnet da, und Eines sagt zum Andern: „Fange 'mal an!" Keines aber wagt anzufangen. Dieses Zaudern ist von großem Werthe für den Frieden. Die aufgeregten Köpfe haben Zeit, zur Be sonnenheit zurückzukehren und sich zu überlegen, wel ches tolle Hazardspiel Der treibt, welcher anfängt. Inzwischen wird, da in dem bezeichneten Stück von Europa nahe an 2 Millionen Soldaten mit etwa r/2 Million Pferde auf den Beinen stehen, die beispiel lose Kostspieligkeit dieser Rüstungen ein sehr schweres Gewicht für den Wunsch nach baldiger Abrüstung liefern. ausgeschloffen, daß er noch vorher den Krieg eröffnet und die Kammern mit den vollendeten Thatsachen zwingt, seiner unstäten Politik zu folgen. Die Börse, vielleicht durch die starken Truppenanhäufungen bei Halle an der sächsischen Grenze erschreckt, scheint diese Meinung zu haben; indeß wir glauben nicht daran. Vielmehr hat sich nach unsrer Ansicht in der That, für Deutschland wenigstens, der politische Himmel augenblicklich wieder friedlicher gestaltet. Möchten aber auch, wenn sich das Gewitter vor der Hand wieder verzieht, die Regierungen ernstlich an die Ordnung der Verfassungsfrage gehen und dem deutschen Volke das so oft geforderte Parlament nicht länger vorenthalten; möchten insbesondere alle Staaten von ihrer Souveränität so viel zu opfern entschlossen sein, als zu Herstellung einer lebensfähigen Centralgewalt unbedingt nöthig ist. Nur auf diese Weise können wir so bedrohenden und zerstörenden Conflicten, wie der gegenwärtige ist, entgehen und die Achtung gebietende Stellung dem Auslande gegenüber entnehmen, die unserer Nation schon lange gebührt hätte. Leider sind nach den bisherigen Erfahrungen die Hoffnungen auf eine friedliche Erfüllung dieser drin genden Wünsche nicht groß. Ein erfreuliches Zeichen rückkehrender Besonnen heit ist auch die Berufung des preußischen Landtages. Graf Bismarck fühlt, daß er das von ihm so ost ver achtete Volk, die öffentliche Meinung doch für sich braucht, wenn es sich um eine so ernste Action, wie der Krieg ist, handelt. Er hat das alte Abgeordneten haus aufgelöst und hofft ein neues voll kriegslustiger Leute zu bekommen. Das preußische Volk wird ihm mit den Neuwahlen die Antwort nicht schuldig bleiben. Wir sehen schon im Geiste den ehrenwerthen Grabow auf seinem alten Präsidentenplatze und hören, wie er gleich in der Eröffnungsrede mit handfesten Worten dem Herrn Ministerpräsidenten den Standpunkt klar macht und ihm erklärt, daß das preußische Volk keine Lust hat, seine Söhne und sein Geld für einen Krieg des Ehrgeizes und Uebermuthes, der obendrein die Existenz des Staates gefährdet, zu opfern. Wir zwei feln keinen Augenblick, daß die große Majorität des Hauses Beifall rufen wird, denn kaum wird ein Ab geordneter Aussicht haben, gewählt zu werden, der für den Krieg stimmen wollte. Ob auch dann noch Graf Bismarck den Muth haben wird, nach einer parlamentarischen Niederlage gegen den Volkswillen dennoch Krieg zu führen, wird abzuwarten sein. Doch bleibt die' Möglichkeit nicht Was den Conflict mit Italien betrifft, so verlau tete vor einiger Zeit, daß Oesterreich beabsichtige, Ve nedig zu verkaufen. Nachdem dies in öfficieller Weise widerrufen, scheinen neuerlichst Unterhandlungen zwi schen Oesterreich und Frankreich über diesen Gegenstand zu schweben. Wir unsererseits würden es nur billigen, wenn Oesterreich diese kostspielige und fortwährend durch Italien bedrohte Provinz gegen Entschädigung aufgeben wollte. Tagesgefchiehte. Attenberg. ' Die drohende Kriegsgefahr schlägt entsetzliche Wunden; Handel und Wandel stocken; über allhin schädliche Störungen auf gewerblichem und in dustriellem Gebiete. Dazu die schreckliche Verwirrung im Geldverkehr. Alle diese zum Theil durch übertriebene Angst, Schwarzseherei und den Unverstand der Menschen, die so zu sagen, den Kopf verloren haben, noch mehr verwickelten Verhältnisse treten auch bei uns auf und stiften viel Unheil. Ueber Hals und Kopf sucht man sich solcher Zahlmittel zu entäußeru, für welche unter allen Umständen die größte Sicherheit geboten ist; wir rechnen dahin zum Beispiel die preußischen Cassen- und Bankscheine, die Scheine der Bank zu Weimar und Gotha.