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Dienstag. Ur. 30. 17. April 1866. Erscheint Dienstags und Freitags. Zu beziehen durch alle Post anstalten. Amts- und Anzeige-Matt der Dinglichen Gerichts-Ämter und Itadtrithe zu Dippoldiswalde, /raueusteiu und Altenberg. Weißerih-Zeitung. R Verantwortlicher Redacteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. Politische Wetterbeobachtungen. 2. Mancher meint auch, er gehe fischen, — und er krebst. lton (juixotv. Wie am natürlichen, so am politischen Himmel noch immer Aprilwetter! Theils Sonnenstrahlen des Friedens, theils Gewitterwolken des Kriegs. In der Geschäftswelt glaubt Niemand an die Möglichkeit eines Krieges. Der beiderseitige Geldmangel, meint man, sei die beste Garantie des Friedens. Inzwischen ist Preußen mit seinem Bundesreformprojecte herausge rückt. Zwar glaubt man nicht an den Ernst desselben, indeß denkt doch Jedermann, daß inzwischen die Waffen ruhen, daß somit Zeit gewonnen ist, viel Zeit — und interim nligniä tit. In der Diplomatie scheint man die Sache nicht so rosig anzusehen. Der Friede hängt an einem Fäd chen, sagt man dort. Wir möchten uns fast dieser letz teren Ansicht anschließen. Es ist bekanntlich das Tra gische im Menschenleben, daß, wenn man sich in einer Angelegenheit zu weit vorgewagt hat, dann nichts übrig bleibt, als der jähe Sprung, oder der blamirte Rückzug. Auch dem Grafen Bismarck ist es so gegangen. Er hat sich in der schleswig-holsteinischen Frage so weit vorgewagt, daß ihm nur noch übrig bleibt, das Schwert zu ziehen. Mag man noch so sehr den sittlichen Cha rakter des edlen Grafen in Frage ziehen, ein sittliches Moment muß in ihm stecken, — das ist die Ehre — und gerade dieses kommt in vorliegendem Conflicte be denklicher Weise ins Gedränge. Glaubt Jemand, so fragen wir, an die Möglichkeit, daß Preußen gegenwärtig noch die Herzogthümer räu men und dies Land dem Herzog Friedrich übergeben — oder daß umgekehrt Oesterreich seine Zustimmung zur Annexion der Herzogthümer an Preußen geben könne? Wir halten Beides für unmöglich, weil mit der beider seits engagirten staatlichen Ehre unvereinbar. Ein österreichischer Minister, der Holstein ohne Weiteres aufgäbe, würde gehängt werden, schreibt man der Kreuz- Zeitung. Gleichwohl muß eine dieser beiden Eventua litäten eintreten, wenn der Friede erhalten bleiben soll; denn ewig kann das beiden Theilen immer unerträgli cher werdende Provisorium doch nicht dauern. Zieht man in Rechnung die beiderseitigen Rüstungen, ferner die gereizte Sprache des officiellen Schriftenwechsels, welcher den Charakter einer Meinungsverschiedenheit bereits aufgegeben und den leidenschaftlichen Standpunkt eingenommen hat, so wird man bekennen müssen, daß die Hoffnungen auf einen friedlichen Aus gleich der Sache nicht bedeutend sind. Doch noch ein Gesichtspunkt kommt in Frage. Es fehlt nicht an Leuten, die von Anbeginn des Con- flictes behauptet haben, daß die Großmächte unter einander im Wesentlichen einig seien, und der ganze Conflict nur angezettelt sei, um eine Theilung Deutsch lands zu maSkiren. Dem letzteren Argwohn hat das neueste preußische Bundesreformproject Nahrung gegeben. So schreibt der Berliner Berichterstatter der Leipziger Zeitung: „Der ursprüngliche Gegenstand des Streits, Schleswig-Holstein, ist verlassen, und von preußischer Seite wird, wenn wir nicht irren, eine Auseinander setzung mit Oesterreich angestrebt, welche ganz Deutschland zum Objecte hat. Die übrigen deutschen Staaten werden vor beiden Großmächten auf ihrer Hut sein müssen. Denn wenn in diplomati schen Verhandlungen oder im Kriege die eine oder die andere sich zur Nachgiebigkeit gezwungen sähe, würden sich die Dispositionen der Mächte nicht bloS ans Schles wig-Holstein beziehen." Es liegt allerdings im Bereiche der Möglichkeit, daß der unter der Firma „Schleswig-Holstein" geführte Streit der Großmächte um die Oberherrschaft in Deutsch land zunächst mit einer Theilung Deutschlands endigt, und die kleineren Staaten befinden sich gar nicht in Zweifel darüber, daß es sich im vorliegenden Falle um ihre Existenzfrage handelt. Indeß vom nationalen Standpunkt aus würden wir eine solche Abmachung nur beklagen können. Der Widerstreit der Groß mächte würde dadurch nicht beseitigt werden, und wir würden daher nur die Schattenseiten des centra- lisirten Staates ohne dessen Hauptvortheil — Sicher heit nach Außen — eintauschen; — und nach welchen Geburtswehen würde eine solche Vereinigung erst ins Leben treten? Darum muß es in dem bevorstehenden großen Conflicte Aufgabe und Ziel der Regierungen und Völker in den Kleinstaaten sein, den nun einmal historisch gewordenen deutschen Föderativstaat zu retten. Gern wird man hier zu Gunsten einer deut schen Centralgewalt auf Rechte verzichten, die wie uns von Preußen handgreiflich genug demonstrirt worden ist, doch nur auf dem Papiere stehen, und viel lieber wird man ein, wenn auch untergeordnetes, doch berechtigtes Glied eines großen Ganzen sich fühlen, als immer und immer von der Gnade der Großmächte leben wollen. Aber — werden die deutschen Großmächte sich einer Centralgewalt unterordnen? Wir müssen dies leider bezweifeln, und darum sehen wir keinen andern Ausweg aus diesem unseligen Wirrsal der deutschen Frage, als — das Schwert, wenn auch vielleicht noch geraume Zeit vergeht, ehe es gezogen wird.