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154 -f- Bom Gebirge. In Nr. 18 d. Bl. sprach sich in dem Gevatterbriefe aus Dresden der Gevatter Pietzsch sehr mißliebig, doch mit Recht darüber aus, „daß, wäh rend in katholischen Ländern mit der Aschermittwoche alle geräuschvollen Vergnügungen aufhören müssen, in protestantischen Ländern das Jagen nach Zerstreuung und Vergnügungen bis zum Palmsonntag fortdauere." Lieber Pietzsch, diese Vergnügungssucht ließe man sich in der Residenz wohl immer noch gefallen. Was soll man aber dazu sagen, wenn dieselbe auf eine auffallende Weise auch das Gebirge ergreift? Des Schmaußens ist auch hier kein Ende, und Bälle, Concerte jagen einander und der jungen Welt wird nur zu oft Gele genheit geboten, bei Tanzvergnügungen die mühsam erworbenen paar Groschen zu verthun. — Zur Arbeit sind diese jungen Leute, die leider sehr oft bis zum Morgen jubeln, in der Regel nicht aufgelegt und dann wird auch noch blauer Montag gemacht. Wo soll das hin? Da brauchen wir der Wahrsagerin in Zinnwald nicht, um so Manchem ein düsteres Bild von seiner Zukunft zu entwerfen. — Vergangenen Donnerstag ist in Zinn wald ein Haus abgebrannt. Eine Katze, die mit einem Brande aus dem Ofen gesprungen und auf den Boden in das Heu gekrochen, soll diesen Brand veranlaßt haben. Dresden. Herr Ministerialdirektor I)r. Weinlig ist von der Reise nach Paris, welche er in seiner Ei genschaft als Vorsitzender der Centralcommission deut scher Bundesstaaten in Gemeinschaft mit dem königl. baierischen Ausstellungscommissar, Herrn von Haindl, unternommen hatte, zurückgekehrt. Es ist gelungen, die kaiserlich französische Ausstellungscommission zu solchen Abänderungen ihrer letzten Verfügungen zu be stimmen, daß eine Schmälerung des früher zugetheilten Raumes nicht eintreten wird. Daran, daß eine Ver größerung erlangt werden könne, war überhaupt nicht zu denken. Anch in andern Punkten wird das Resul tat der persönlichen Verhandlung als zufriedenstellend bezeichnet. — Am 20. April wird die Zollvereins-Conferenz in Dresden eröffnet werden. Preußrn. Ueber die in letzter Zeit in Berlin stattgehabten Ministerberathungen verlautet noch gar nichts Gewisses. Es läßt sich aber aus dem Umstande, daß der König, der Kronprinz, der preußische Bot schafter in Paris,, der Gouverneur von Schleswig, der Ches des Generalstabs der preußischen Armee, die Spitzen des Militär-CabinetS rc. zu den Berathungen hinzugezogen wurden, die Folgerung ziehen, daß es sich um sehr ernste Dinge handelt. Die Einen prophezeien Krieg mit Oesterreick,, die Andern friedliche Auseinan dersetzung der Alliirlen wegen Holstein, nach Art des Lauenburger Kaufes. Bismarck soll dem König er klärt haben: entweder ein neues Ministerium oder Krieg mit Oesterreich. Auf beide Alternativen soll der König mit Nein geantwortet haben. Man sagt, daß nun Oesterreich durch den Bund die Initiative er greifen und nun an Preußen eine Aufforderung we gen der Herzogthümer ergehen lassen wolle. Die Ge rüchte wegen Mobilmachung der preußischen Armee sind unbegründet ; dagegen soll in diesem Jahr die Land- wehrcavallerie bei 6 Armeecorps zur Uebung einge zogen werden. Es fällt dies um so mehr auf, als man bisher die Landwehr durch die Armee-Reorganisation als aufgehoben betrachtete, während aus obiger Be stimmung das Gegentheil hervorgeht, woraus man auf kriegerische Absichten der Regierung schließen will. Karlsruhe. Nach einer Abwesenheit von mehr als drei Monaten kehrte am 4. März unser Groß herzog in sein Land zurück. Der Aufenthalt am Genfer See hat seine Gesundheit vollständig hergestellt, und er ist so wohl und frisch als je. Die Reise von der Schweizer Grenze bis hierher war eine förmlich fest liche; auf jeder Station wurde er von den Gemeinde vertretern und einer froh bewegten Menschenmenge begrüßt. In Karlsruhe empfingen die Großherzogin, die fürstlichen Kinder und die übrigen Glieder der Behörden und sehr zahlreiche Deputationen aus allen Gegenden des Landes den geliebten Fürsten. Alle Straßen der Stadt waren festlich beflaggt und das bewegte Treiben in den Straßen dauerte bis zum Abend spät. Der überaus herzliche Empfang wird dem Großherzog wohl am besten sagen, welche Stim mung im Lande herrscht, und er wird überzeugt blei ben, daß die weit überwiegende Mehrheit des Volkes seine freisinnige Regierung als ein hohes Glück em pfindet und sich ihm zum tiefen Danke verpflichtet fühlt. Nassau. Die Klagen über den Handel mit ar men Knaben und halbreifen Mädchen mehren sich in neuerer Zeit wieder. Diese unglücklichen Kinder wer den nach Rußland und Skandinavien getrieben, um daselbst mit Musiciren, Handel mit Holz- und Korb- waaren, meistentheils aber durch Betteln ihrem unsau- bern Principale, auf deutsch Seelenverkäufer, volle Taschen und faule Tage zu verschaffen. Wenn die Unglücklichen ihre Bettelmission erfüllt haben, kehren sie Physisch und moralisch in einem höchst bedauerns- werthen Zustande nach der Heimath zurück, um dort die Demoralisation fortzupflanzen. Leider geschieht von der nassauischen Regierung sehr wenig, um diesen Krebsschaden zu beseitigen. Schleswig-Holstein. Die „Schlesw.-Holst.-Ztg." schreibt: Die Auswanderung aus Schleswig-Holstein scheint noch nie so stark gewesen zu sein, wie sie in diesen, Jahre beginnt; selbst nach Beendigung unsers dreijährigen Krieges mit Dänemark sah man nicht so viele Heimathmüde. Ganz besonders aus Schleswig, und dort wieder aus den reichen Distrikten AngelnS und Friedlands gehen Massen nach Nordamerika, um in den Staaten Iowa und Wisconsin neue Heimath zu finden. Die Mehrzahl dieser Auswanderer sind kräftige junge Leute, welche die Furcht vor dem preu ßischen Kriegsdienste forttreibt. Armuth und Mangel an Erwerb im Vaterlande zwingt die Leute nicht zur Auswanderung, dieselben sind vielmehr Alle mehr oder weniger begütert, manche von ihnen sogar wohlhabend. Das Dux-Frauensteiner Eifenbahnprojeet ist nach öffentlichen Mittheilungen in das Stadium getreten, daß mit den Vorarbeiten begonnen werden soll. So sehr wir dem Unternehmen im eigenen Inter esse Erfolg wünschen, so sehr müssen wir bezweifeln, daß es möglich sein wird, das erforderliche Bau kapital durch Aktienemission aufzubringen, wenn nicht die Co- miteemitglieder selbst mindestens «st» des Capitals zeich nen. Auf die Theilnahme des großen Publikums ist bei diesem Projecte ebensowenig zu rechnen, als bei dem DippoldiSwaldaer. Das Dippoldiswaldaer Comitee theilt unsres Wissens diese Ansicht, und wird, obwohl