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Dienstag. 78. 4. October 1864. Erscheint Dienstags und Freitags. Zu beziehen vurch alle Post anstalten. Amts- und Anzeige-Klatt der Königlichen Gerichts-Ämter und Stadträthe zn Dippoldiswalde, /raveasteiu nud Altenberg. Weißerttz-Ieitung Preis pro Quartal 10 Ngr. Inserate die Spalten-Zeile 8 Pfg. Verantwortlicher Redacteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. Zur Ortsgeschichte. Bei dem überaus spärlichen urkundlichen Material für die ältere Geschichte von Dippoldiswalde ist es gewiß von Werth, Alles zu sammeln, was einen, wenn auch entfernten Beitrag zur Aufklärung der dunklen Vorzeit der Stadt liefern kann. Wie in Nr. 21 d. Bl. erwähnt, hatte mir Herr Ger hardt mitgetheilt, daß die Herren von Riesenburg (in Böhmen) ursprünglich den Namen Dipoldiz geführt hätten. Später hat mich Hr. Gerhardt von der Quelle für diese Ansicht in Kenntniß gesetzt. Der bekannte Reisende Kohl erzählt nämlich in seinem Werke: Reisen in den Österreich. Staaten, I. Theil, Böhmen, S. 222, Folgendes: Nach der Schlacht am weißen Berge kam das deutsche Wesen so in Böhmen auf, daß viele böhmische Familien, die bis dahin noch slavische Namen gehabt hatten, nun deutsche annahmen. So hieß z. B. die Familie, aus welcher der berühmte Heilige Johannes von Nepomuk stammte, eigentlich altböhmisch „Hassil." Nepomuk ist ein böhmischer Ort, und der Bischof Johannes nannte sich nach damaliger Sitte Johann Hassil von Nepomuk oder auch oft nut Auslassung des Hassil blos Nepomucenus oder Nepomuk. Nach der Schlacht am weißen Berge nun nannte sich seine Fa milie deutsch: „Löschner," und solcher „Löschners" giebt cs noch heutigen Tages. Uebrigcns war dieses Umdeutschcn der Familien namen, wenigstens beim Adel; zuni Theil auch schon vor der Schlacht am weißen Berge Mode, und in dieser Beziehung war keine Periode einflußreicher als die der Regierungen der Könige Carl I V. und seines Sohnes Wenzel. Unter ihnen und mit ihrer Ermunterung wurden vom böhmischen Adel sehr viele Schlösser nach deutscher Sitte aus Bergen und Felsen gebaut, während sonst die Böhmen mehr in Sümpfen und an Flüssen die Festigkeit und Schönheit ihrer Behausungen suchten. Diese nach deutscher Weise gebauten Schlösser bekamen dann auch wieder gewöhnlich deutsche Name», die sich in —berg und —bürg endigten, und die Familien nannten sich dann auch wohl nach diesen Schloßnamen selbst. So tauften sich z. B. die berülmiten „Witkowy" in Rosenberg um, die Dipoldiz in Riesenburg, die Ransko in Waldstein, die Diwischowzi in Sternberg, und alle diese Familien wurden unter ihrer deutschen Firma weit berühmter in der Welt, als sie es unter der slavischen gewesen waren. Die böhmischen Patrioten reclamiren auch noch jetzt alle diese Familien für das Slaventhum, indem sie sagen, es seien nur deutsch redende Slaven, die dadurch aber ebensowenig zu Deutschen würden, wie die vornehmen Russen deswegen Franzosen würben, weil sie fast ausschließlich nur französisch sprächen. Die Uebertragung slawischer Namen in deutsche, und deutscher in slawische, ist in einem Lande von gemischter Na tionalität wie Böhmen, nichts Auffälliges und eine geschichtlich nachweisbare Thatsache. Es kommt sogar vor, daß die später eindringenden Deutschen, vielleicht um sich bei ihren slawischen Nachbarn beliebt zu machen, ihren Ansiedelungen einen syno nymen deutschen Namen gaben; so haben wir z. B. in der Nähe von Dresden die Dörfer Bila Md Wejßig , Chemnitz und Steinbach. Von Werth an der Erzählung Kohl's ist für uns besonders die Angabe, daß ein böhmisches Geschlecht Dipoldiz existirt haben soll, welches den deutschen Namen Riesenburg angenommen hat. Es ist zu bedauern, daß Kohl eine Quelle für seine Behauptung nicht angegeben hat; indeß läßt sich andererseits nicht voraussetzen, daß die Er zählung ganz aus der Luft gegriffen sein sollte. Jedenfalls hat sich aber der Reisende in der Annahme geirrt, daß Dipol diz ein böhmischer Name sei, indem, wie bereits in Nr. 21 d. Bl.- nachgewiesen worden, nur die Endsilbe dieses Namens auf slawischen Ursprung hinweist, Dippold aber aus Theobald corrumpirt ist. Nebenher kann ich nicht bergen, daß möglicher weise in Kohl's Erzählung eine Verwechselung mit den von Colbitz untergelausen ist, welche im Jahre 1401 die Herr schaft Riesenburg an den Markgrafen Wilhelm verkauften. Vor den von Colbitz war zweifelsohne die Familie Riesenburg im Besitz der gleichnamigen Herrschast, und ein Börse, Porso oder Porsche von Rysinburg soll der Gründer des Schlaffes Purschen- stein sein. Nach verschiedenen Besitzwechseln kauften die Ge brüder Blanke und Börse von Riesenburg im Jahre 1350 Saida und Purschenstein von den Bergaus, welche es damals besahen, zurück. Die historisch nachgewiesene Thatsache, Paß sich die Ort schaften Saida, Frauenstein, Dippoldiswalde, Lauenstein rc. im 14. Jahrhundert im Besitze böhmischer Adelsgeschlechter befanden, machen es im hohen Grade wahrscheinlich, daß der fragliche Theil des sächsischen Erzgebirges von Böhmen aus angebaut worden ist. Wie aber überhaupt die Landesgrenzen in jener frühem Zeit nicht seststanden und oft wechselten, so mag ich namentlich nicht behaupten, daß es flämische Völker waren, welche diese Gegend anbauten; ich bin vielmehr der Meinung, daß die in das Thal von Teplitz bis Karlsbad aus Meißen und Thüringen eingedrungenen Deutschen die ersten Anbauer im sächsischen Erzgebirge wurden, und daß insonderheit das Fündigwerden des Freiberger Bergbaues hierzu Anlaß gab. L. kir. Tagesgeschichte. Dippoldiswalde, den 3. October. Trübe, regne risch und kalt hat daS Wintersemester bei uns und unser« näheren Nachbarn begonnen; bei Frauenstein hat, wie wir hören, sogar schon der Winter dem kaum geborenen Herbste das Regiment streitig machen wollen. Hoffen wir, baß er anderwärts freundlicher austrete, der kräftige Sohn deS Jahres, der Herbst, und sein edles Geschenk, die Traube, nicht bloS — Essig liefern werde. Ueberall rüstet man sich schon, die rauhere Hälft« des Jahres, die die Hausbewohner mehr um „des Lichts gesell'ge Flamme" sammelt, als die so bald entschwundenen „Tage der Wonne" zu empfangen und die lange» Nächte durch gesellige- und belehrende- Beisammensein zu kürzen. Als ein Vorspiel dazu dürfen wir wohl unsere KirmeS betrachten, die unfern