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Freitag. Nr. 102. 28. December 1866. Erscheint Dienstags und Freitags. Zu beziehen durch allePost- anstalten. Weißeritz-Zeitung. Prei« pw Quartal 10 Ngr. Inserate die Spalten - Zeil» 8 Pfg. Ms- und Anzeige-Platt der Königlichen Gerichts-Ämter ond Ktadtrathe zv Dippoldiswalde nnd /ranenstein. Veraurw örtlicher Nedacteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. An unsere Leser. Mit der heutigen Nummer schließt der Jahrgang 1866 unseres Wochenblattes. Wie derselbe an Ma terial der umfänglichste, so ist er auch in seiirer Bedeutung für die Nedaction der hervorragendste geworden. Zu den Mühen und Sorgen, welche die durch die Kriegsereignisse herbeigeführten Zustände der Nedaction bereiteten, zu den Täuschungen und falschen Nachrichten, die je nach der Partheifarbe vom Kriegsschauplätze kanten und Verbreitung und Glauben fanden, gesellte sich nun auch noch der unselige Partheihader. Wir haben schon bei verschiedener Gelegenheit unsere Ansicht über die Stellung eines Provinzial- Wochenblattes zu einer bestimmten Parthei ausgesprochen und wiederholen hier nochmals, daß auch unser Blatt, das den verschiedensten Partheien die einzige politische Lectüre bieten soll, eben darum ein eigentliches Partheiblatt nie sein könne und solle, daß es aber in allen Hauptfragen immer zur Parthei des Fort schrittes halten und für denselben einstehen werde. Diese Stellung genügt aber eben den ost ganz erbittert auftretenden Partheien nicht immer, und es ist leicht zu ermessen,'daß die dabei die Vermittlerrolle übernehmende Nedaction oft-in's Gedränge kommt. Das Jahr 1866 hat uns in dieser Hinsicht um manche Erfahrung reicher gemacht, aber auch den Vorsatz in uns befestigt, „trotz Alledem" die bisherige Bahn, die Bahn des Fortschrittes, zu verfolgen und in unserm Leserkreise demselben die alten Freunde zu erhalten nnd neue zu gewinnen. — Folgend dem königlichen Worte, werden wir treu bemüht sein, die Interessen des Norddeutschen Bundes zu vertreten und Alles, was zur Kräftigung und Erweiterung desselben dienen kann, zu befür worten; wir werden aber auch, froh der im Innern erhaltenen Selbständigkeit Sachsens, nicht unterlassen, für die Fortentwickelung seiner inneren Zustände stets warm das Wort zu ergreifen und uns Dessen wahrhaft zu freuen, was im Kreise unseres Vaterlandes wahrhaft Gutes geschehen wird. — Indem wir in diesen wenigen Worten unfern Lesern vorläufig den Standpunkt bezeichnen, den zu be haupten wir uns auch im neuen Jahre angelegen sein lassen werden, danken wir für das bisher geschenkte Vertrauen und bitten, auch künftig uns mit demselben erfreuen und uns in unserer Thätigkeit, namentlich auch durch lebhaften Austausch der politischen Ansichten, unterstützen zu wollen. Die bevorstehenden Parlaments wahlen dürften dazu eine sofortige erwünschte Gelegenheit bieten. Unser Blatt erscheint auch im neuen Jahrgange in der alten Gestalt und wird außer den politischen, Tages- und Local-Nachrichten auch ferner gediegene Leitartikel bringen, wie sich der unterhaltende Theil durch gute Original-Erzählungen rc. auszeichnen wird. Dippoldiswalde, 27. Decbr. 1866. Die Redaction der WeißeriH-Zeitung. Am Schluffe des Jahres 188k. Das Jahr 1866 ist für die Entwickelung der deutschen Verfasinngsfrage entschieden bedentungsreich. Der seit 1815 bestandene deutsche Staatenbund zerfiel zwar schon 1848, lebte aber im Jahre 1850 wieder auf. Das ablaufende Jahr hat diesen Staatenbund wie es scheint für immer beseitigt. Ein BundeS- staat soll an die Stelle treten und in den ersten Mo naten des neuen Jahres der Grund hierzu gelegt werden. Oesterreich bleibt davon ausgeschlossen, den süddeutschen Staaten aber der Eintritt sreigestellt. Im Bundes staate übernimmt Preußen die Führerschaft in militä rischer und mancher anderen Beziehung. Dies sind im großen Ganzen die Resultate des ablaufenden Jahres. So groß der Schritt ist, den die deutsche Ver- fassmigsfrage hiermit gethan hat, so wenig will man andererseits an einen endgiltigen Abschluß dieser An gelegenheit glauben. Biele meinen, daß die Bewegung allmählich zum Einheitsstaate drängen werde. Jndeß der Individualismus der deutschen Nation wird hier gegen noch lange Widerstand leisten, und selbst wenn wir zum Einheitsstaate gelangen sollten, wird eS immer ein Centralstaat mit germanischer Färbung bleiben. Der bisher größte deutsche Staatskörper, Preußen, hat in seinen Provinzen eine so individuelle Gestaltung, daß von einer Cenlralisation nach französischem Muster keine Rede ist. Nicht einmal gleiches Recht existirt in Preußen. Die Rheinlande haben noch französisches Recht, in den übrigen Provinzen gilt das Landrecht. Das eheliche Güterrecht ist je nach den Provinzen verschieden, u. dergl. mehr. Die großen Städte Berlin und Breslau, Königsberg und Cöln sind so verschie dene Individualitäten, daß man sie nicht für Städte eines und desselben Staates halten möchte. Hat sich diese provinzielle Selbstständigkeit im preußischen Staate