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SSL umher. Nach einer Berechnung, die in jenen Zimmern angestellt wurde, müssen 70,000 bi« 88,000 Stück da selbst gelegen haben. Davon waren Hunderte umher- geworfen, zertreten und die Gänge dicht damit bedeckt. Jeder nahm, so viel er konnte, mit sich. Im französischen Lager sah man andere Hunderte von Stucken. Einige bewahrten sie aus, Andere benutzten den Stoff als Lein zeug und Bettdecken. Am 7. October Nachmittags ging eine Anzahl mit Stöcken bewaffneter Franzosen durch die Zimmer und zerschlug Alles, waö nocb darin befindlich war: Spiegel, Schirme, Holzcinfassungen re. Man sagt, sic hätten da mit die barbarische Behandlung, welche ibreu gefangenen Landsleuten zn Tbeil geworden, vergelten wollen. Ein grotzer Borrath von Gold« und Silberbarren ist unter der Obhut einer Wache und soll zwischen den Englän dern und Franzosen getheilt werden. Der ganze Werth dcS zerstörten EigcnthumS übersteigt beträchtlich Alles, was man überhaupt beanspruchen konnte. Die gänzliche Zerstörung des Innern des Sommer palastes, wo im Anfänge des Jahrhunderts Lord Amhcrst, der englische Gesandte, insnltirt wurde, ist nur eine ge ringe Strafe für des Kaisers Weigerung und für die Behandlung jener Männer, die bei einer friedlichen Mission zu Gefangenen gemacht wurden; doch wenn auch die Heimsuchung des Palastes von Peking eine verdiente ist, kann sie doch leicht eine unpolitische sein. Sie wird die gegenwärtige Regierung nicht zu Grunde rickkcn, aber die Bildung einer neuen unter englischer Pro tection, wenn dies wünschcnöwcrth sein sollte, verhindern können. Als die Franzosen gegen de» Palast vorrückten, wur den zwei Offiziere von den Eunuchen verwundet. Am andern Tage sah man von den Angreifern keine Spur; die Engländer feuerten 21 Kanonenschüsse ab, nm ihre Aufmerksamkeit zu erregen, und später erfuhr der Ober befehlshaber, wo sic waren. Lord Elgin, Herr Wade, Sir H. Grant, Sir R. Napier und ihr Stab gingen auf den Palast zu und fanden dort die Franzosen comfor- tabel eingerichtet und einen großen Theil der werth- vollern Mobilien bereits fortgetragen, die schweren da gegen für die Engländer zurückgelassen. Keine Beschrei bung läßt sich von dem Glanze des kaiserlichen Aufent haltes machen. Der Eingang zur Empfangshalle ist mit Marmor gepflastert, Wände und Decken sind mit Gold, himmelblau und scharlach in dem prachtvollsten Style gemalt. Der Thron dcS Kaisers ist auö dem schönsten dunkeln Holze geschnitzt, die Polster sind mit goldnen Drachen bestickt und zogen die allgemeine Bewunderung auf sich. Eine goldne Krücke, deren sich der Kaiser bedient zu haben scheint, fand sich gleichfalls vor. Die inner» Zimmer und Salons waren prachtvoll ausge stattet. Rollen von Seidenzeug, Satin und Krepp, alle von glänzender Arbeit, waren von den französischen Soldaten bereits wüst durcheinander geworfen worden. Geschirr aus Jaspis und Porzellan von großem Werthe fand man vor und darunter auch manches Sevresgeschirr aus Ludwig's XIV. Zeit, das die Augen von Curiositäten- sammlern höchlich erfreut hätte; ein Staatsschwert mit dem englischen Wappen und mit Steinen besetzt, offen bar von hohem Alter, wurde Gegenstand vielen Nach denkens. Die ungeheure Menge von Beute aller Art machte cS fast unmöglich, Das zn berechnen, was die Franzosen forttrugen. Einigen Begriff von der Menge von Seidcnvorrath kann man sich machen, wenn man sich vergegenwärtigt, daß Geflügel, alte Töpfe und aller lei Gegenstände in die kostbarsten Satins gewickelt wur den. Alle Frauen waren verschwunden, doch liefen ihre kleinen japanesischen Hnnde, die den Pinschern König Karl's gleichen, in trübseliger Stimmung umher. Herr Wade rettete einige wrttbvolle Bücher und Papiere für das britische Museum. Der Kaiser batte sie am Tage zuvor noch benutzt; was sie enthalten, ist inbeß noch unbekannt. — Man sagt, ein panischer Schrecken sei später aus unbekannten Ursachen über die Franzosen gekommen und sie räumten den Palast. Eins ist sicher, sagt ein bcrichterstatteuder Engländer, unsre Alliirten sorgten für sich selber. Zur Naturkunde. Der Zeitunterschied auf her Erde. Als am t. Novbr. die Kaiserin-Mutter gestorben war, wurde 12 Uhr 50 Minuten die diesen Todesfall anzeigende Depesche aufgegeben, und um 12 Uhr 58 Minuten langte dieselbe schon in Dresden an. Sie hatte den Weg also, der in gerader Richtung ungefähr 200 Meilen beträgt, scheinbar in 8 Minuten zurückgelegt. Könnte allerdings eine telegraphische Depesche ohne Unterbrechung an dem electrischen Drahte von Petersburg bis Dresden gleiten, so würde rin Zeitraum von 8 Minuten mehr als hinrei chend dazu sein, da die Schnelligkeit der Electricität für irdische Entfernung fast unmeßbar ist. Allein durch die nöthizen vielen Zwischenstationen wird die Sache etwas verzögert, und jene Depesche hat in Wirklichkeit zu ihrer Reise bis Dresden 1 Stunde 14 Minuten gebraucht. ES läßt sich das leicht berechnen. Bekanntlich rührt der Zeit unterschied auf der Erde von ihrer kugelförmigen Gestalt und ibrer Umdrehung um sich selbst her. Diese Um drehung erfolgt von Westen nach Osten binnen 24 Stunden. Da nun unsere Lichtbringerin, die Sonne, in Beziehung auf die Erde feststehl, (— ein absoluter Stillstand ist freilich nicht denkbar —) so wird sie nicht allen Bewohnern der Erde gleichzeitig sichtbar werden, d. h.. sie wird für verschiedene Punkte der Erde zu verschiedene» Zeiten auf gehen, für Diejenigen, welche weiter nach Westen liegen, später, als fstr die östlicher gelegenen, und zwar wird dieser Unterschied gerade eine Stunde betragen, wenn ein Ort um den 24. Theil des Erdumfanges weiter nach Westen zu liegt. Der 24. Theil des Erdumfanges aber beträgt 15 Grad, da dieser, wie jeder andere Kreis bekanntlich in 360 Grade eingetheilt wird. Ttr 60. Theil von 15 Graden, das ist 15 Grad-Minuten,*) die ein Ort weiter nach Westen liegt, als ein anderer, würden einem Zeitunterschied I Minute entsprechen, d. h., die Sonne würde hier I Minute später aufgehen und folglich auch die Mittagsstunde um eine Minute später eiutreten. Man kann daher mit Hülfe einer Landkarte, worauf die Grade genau angegeben find, den Zeitunterschied zweier Orte genau berechnen. So liegt Dresden z. B. unter dem 31. Grad 24 Min. (östlich von der Insel Ferro) und Petersburg unter dem 47. Grade 58 Min., also 16 Grad 34 Min. weiter nach Osten. ES wird folglich in Petersburg 1 Stunde 6 Min. früher Mittag sein, als in Dresden. Wenn also die obengenannte Depesche in Petersburg um 12 Uhr 50 Min. aufgegeben wurde, so war cS zu derselben Zeit bei uns erst I I Uhr 44 Min., und sie war daher bis 12 Uhr 58 Min., wie schon er wähnt 1 Stunde 14 Min. unterwegs. *) Ein Längengrad, der unlerm Aequator 15 geographische Meilen beträgt, ist in unserer nördlichen Breite (von 51«) ungefähr 9'/, geographische Meilen, 15 Grad-Minuten also, oder >/» Grad, gegen 2'/, Meilen.