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. - . Dienstag- AF «7 28. August 1860. Erscheint Dienstag- und Freitag-. Zu beziehen durch alle Post, anstalten. Weißeritz-Zeitung. Prei- pro Quartal 10 Rgr. Inserate die Spalten-Zeile 8 Pfg. Ms- and Anzeige-Matt der Königlichen Gerichts-Jemter nnd Stadträthe zu Dippoldiswalde, /raven^ein nnd Altenberg. Verantwortlicher Redacteur: Carl Ich ne in Dippoldiswalde. Tagesgefchichte. Dippoldiswalde. Der Entwurf des neuen sächsischen Gewerbegesetzes, dem von allen Seiten mit größter Spannung entgegengesehen wurde, ist jetzt erschienen. Ec ist dazu bestimmt, das gewerb liche Leben unseres Vaterlandes in neue Stadien überzuführen. Das große Princip der Gewerbe freiheit ist nicht nur offen ausgesprochen; es ist bis aus wenig Ausnahmen, welche dem Gesetzgeber durch andere Verhältnisse geboten erschienen, zur Thal ge worden: Jedem Inländer steht der Betrieb eines jeden Gewerbes ohne Unterschied des Geschlechts und ohne Beschränkung in der Wahl des Ortes frei; die Aus nahmen von dieser Regel sind auf das Maß reducirt, welches die Rücksichten auf andere, schon bestehende Gesetze, welches polizeiliche Bedenken und die Sorge für die Gesundheit und allgemeine Wohlfahrt in den meisten gewerbefreien Ländern gleichfalls angenommen haben. Der Unterschied zwischen Stadt und Land ist dadurch hinweggcfallen. Anerkannt ist der wichtige Grundsatz, daß die Berechtigung zum Gewerbebetriebe im Allgemeinen dispositionsfähigen Personen weder durch richterliche, noch durch administrative Entscheidung entzogen werden kann. Verbietungsrechte finden nicht mehr statt, sie können auch künftig weder verliehen, noch durch Verjährung gewonnen werden. Die Ent schädigung gewisser Verbietungsrechte (Realrechte) ist durch ein besonderes Gesetz geregelt worden. Die Ausübung eines freien Gewerbes kann nicht nur in mehreren Werkstätten und Verkaufslocalen desselben Ortes oder verschiedener Orte des Landes zugleich durch denselben Unternehmer erfolgen, es ist auch die Ver einigung verschiedener Gewerbe in der Person eines und desselben Unternehmers gestattet. Mas das ge werbliche Hilfspersonal betrifft, so ist jeder Gewerb- treibende in der Wahl seiner Arbeiter unbeschränkt; nur die Beschäftigung von Kindern unterliegt aus vollkommen zu billigenden Gründen einer mäßigen Beschränkung. Aufgehoben sind der Wander- und Hecbergözwang; der Lehrvertrag ist vollkommen Sache der freien Vereinbarung; ebenso findet keine Beschrän kung bei der Annahme von Lehrlingen Statt. Mit der jetzigen Verfassung der Innungen zugleich kommen die Meisterprüfungen in Wegfall. An die Stelle jener treten entweder freie Vereine, auf welche bloS die Vorschriften der Gesetzgebung über das Vereins, und Versammlungsrecht Anwendung leiden, oder gewerbliche Genossenschaften im engern Sinne, für welche der Name der Innungen beibehalten werden soll, welche aber mit den jetzt bestehenden zünftigen Vereinen nur den Namen gemein haben, da ein Zwang zum Beitritt nicht statt findet, andererseits keinem Gewcrbsgenoffen, welcher die statutarischen Bedingungen zu erfüllen bereit ist, die Aufnahme verweigert werden darf. Die Einsprüche von Privaten gegen die Anlage gewerblicher Etablisse ments find geregelt und auf das richtige Maß zurück geführt — kurz, eS ist dem Principe der vollständigsten Gewerbefreiheit insoweit gefolgt worden, als diese im Staate neben anderen Rücksichten als berechtigt betrach tet werden kann. Der Entwurf soll am 1. Januar 1862 in Kraft treten. Wie werden die Innungen dies neue Gewerbegesetz aufnehmen? Sind auch seit dem Erscheinen des letzten Entwurfs nur 3 Jahre verflossen, so ist in dieser kurzen Zeit doch so Vieles durch die Gewerbevereine, die volls- wirthschaftlichen Schriften, wie durch die Tagespresse, durch Wanderversammlungen, durch mündliche Erörte rungen rc. für die Läuterung der . Ansichten geschehen, daß die Gewerbefreiheit in Sachsen nicht mehr unvor bereitet eintreten wird. Die gewerbfreien Verfassungen, welche in unfern Nachbarstaaten Preußen und seit wenig Monaten auch in Oesterreich zum Heile der Industrie bestehen, das Beispiel Nassau's, Oldenburgs, die Be strebungen in Würtemberg, Baden und Baiern, wie in ganz Deutschland, machten es vollends zur Gewißheit, daß auch Sachsen nicht zurückbleiben könne, und Dank unsrer Regierung, es ist nicht lange gezögert tporden! Der entscheidende große Schritt ist geschehen: möge er von allen Seiten so gewürdigt werden, wie es das Vor wärtsschreiten zum Besseren jederzeit verdient. Glashütte. Zur Einweihung des neuen, reizend an der Straße im Müglitzthal gelegenen Turnplatzes, den die hiesige Turngemeinde mit einem Opfer von 200 Thlrn. heschafft hatte, sand Sonntag, den 19. Ang., ein recht ansprechendes Turnfest gatt, wozu sich auch aus den benachbarten Städten Dresden, Pirna, Lieb stadt und Dippoldiswalde rüstige Turner eingefunden hatten. Das Fest begann Nachmittag >/,3 Uhr mit einem Auszug sämmtlicher Turner durch die Stadt nach dem Turnplatz, das Stadtmusikchor voran, wo nach dem Gesänge eines kräftigen Liedes und einer Ansprache des Turnvorstehers, die mit einem Gut Heil! endete, Hr. Bürgermeister Lange nach einer tief em pfundenen, zum Herzen dringenden Rede, ein mit Be geisterung aufgenommenes Hoch auf unfern König ausbrachte. Hierauf fand unter Musikbegleitung bis Abends 7 Uhr ein fröhliches Turnen der männlichen nnd weißgekleideten weiblichen Schuljugend und der Erwachsenen statt, wobei namentlich bei den Barren-, Reck- und Springübungen Proben außerordentlicher Kraft und Gewandtheit abgelegt wurden. Ein Ball in dem festlich decorirten Gasthof zur Stadt Dresden