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347 Dohnas Untergang, oder das Kastaniendörfchen. Eine historische Erzählung aus dem 14. und 15. Iahrh. (Fortsetzung.) 1400. Ein neues Jahrhundert hatte begonnen, und mit ihm ohnstreitig ein neuer Schritt zur kräftigen, geistigen Entwicklung der Verhältnisse der Staaten und der Menschen. Der von uns betretene Schau platz wurde von zwei Männern regiert und beherrscht. Der Markgraf Wilhelm I. von Meißen, welcher, da er nur ein Auge hatte, der Einäugige genannt wurde, war der Eine. Er war ein tapferer, freundlicher und begabter Fürst; besonders nahm er sich kräftig der Unterdrückten an und suchte in allen Dingen den Rohheiten und Uebergriffen beS Adels der damaligen Zeit zu steuern, und trat besonders dem so überhand genommen Faustrecht, so wie der Wegelagerei und Raubsuchl der Ritter, mit Ernst entgegen. Er suchte hauptsächlich die Regulirung der Grenzen, die bisher, namentlich zwischen Meißen und Böhmen, noch ganz unbestimmt waren, so weit es in damaliger Zeit möglich, festzustellen. Er hatte seine Residenz in Dresden, und obgleich er einer weisen Sparsamkeit sich beflei ßigte, so war sein Hofhalt nicht sowohl für die Stadt, als auch für die Umgegend von wesentlichem Nutzen. Im Allgemeinen trat in den meisten Gegenden der Markgrafschaft ein für die damalige Zeil besserer Zu stand ein. — Ein anderes Bild dagegen giebt sein Zeitgenosse Wenzel, König von Böhmen, der Faule genannt. Ein üppiges, schwelgerisches, rohes Leben ließ ihm die größten Rohheiten und Ungerechtigkeiten begehen. Die Bestechlichkeiten, deren er sich hingab, brachten oft Unbeil, Noth und Elend über das Land und namentlich über die niedere Volksklasse. Da er immer Geld brauchte, so erkauften sich Mächtige und Reiche oft Privilegien mancherlei Art, um Uulerdrük- kungen, Erpressungen, Anmaßungen gegen minder Mächtige und Untergebene ungeschcut begehen zu können. Der RechtSzustand der Böhmen stand noch auf der niedrigsten Stufe, und da, wo sich die Grenzmarken beider Brüder berührten , wußte Niemand genau, unter welchen Schutz sie sich zustellen hatten; denn bald maaßte sich Böhmen, bald Meißen die Herrschaft an und der Adel, welcher damals die Grundherrn jener Gauen war, ging bald bei König Wenzel, bald bei dem Markgrafen Wilhelm, bald bei Beiden zugleich zu Lehen. Bald war ein Ort Böhmisch, bald war er Meißnisch, so z. B. Pirna, Dohna und andere Orte. Die Müglitz scheint von ihrem Ausfluß in die Elbe bis gen Glashütte hinauf in jenen Zeilen die Grenze gebildet zu haben. Das Kirchenregiment führte in damaliger Zeit Papst Bonifazius IX., ein an Geldgier und andern Lastern reicher Mann. Er trieb einen grenzenlosen Ablaßhandel und begünstigte den Verfall der herrschen den Kirche. Unter ihm wurde das Jubelfest des neuen Jahrhunderts mit ungeheurem Pomp und Aufwand in Rom begangen. — Schon begannen die Lehren Wiklef'S, Huß'S und HyronimuS' von Prag, Anhänger in Masse zu finden. Huß besonders trat in Prag auf, eiferte gegen Ablaß, bestrittZehnten, Ohrenbeichte, Bilderdienst, Fasten, tadelte die Entziehung VeS Kel ches beim Abendmahl, als deö Erlösers Stiftung entgegen, empfahl das Abendmahl in beiderlei Gestalt, nannie den Papst einen Antichrist. Schon hatten sich in Böhmen und Mähren einzelne, von der römisch- katholischen Kirche abweichende Sekten gebildet. Ue- der solche fielen die Diener des Papst'S wie eine Meute auf ein flüchtiges Wild — und Drohungen, Martern, Jnlerdict und Bann zwang sie zum AuS- wanbern. Sie siedelten sich in den Wildnissen der Grenzen des Meißner Landes an. Zur Zeit, von welcher wir sprechen, geschah die- nur noch im Einzelnen, aber kaum zehn Jahre später fing die Verfolgung der Ketzer im Großen an, und ganze Züge solcher Unglücklichen bevölkerten Meißen, das Vogtland und das Osterland. In Sachsen, das später die Wiege der Reformation wurde, fanden die Eingewanderlen willige Aufnahme. Sie bevölkerten die noch in Oede und Wildniß liegenden Gegenden, waren ein kräftiger Schlag Menschen und trugen viel zur spätem Aufklärung VeS Geistes und zur Culti- virung des Landes bei. In dieser Zeit unternahm Je sch ke vonDohna einen Zug zum König Wenzel nach Prag. Nicht lange war Wenzel durch seinen Bruder Johann aus der Gefangenschait gerettet worden, in welcher ihn die böhmischen Stände und der mächtige Adel seit mehrern Jahren gehalten. Indem man von ihm das Versprechen erhalten hatte, daß er von nun an seines rüden, lüderlichen Lebenswandels entsage, hatte man ihm die Regierung wieder anvertraut. Jedoch bald hatte er diese Zusage vergessen und trieb eS so arg, als vorher. Im Schlosse zu Prag, und zwar in einer ge heimen Unterredung mit dem König, treffen wir den Jeschke. In einem prachtvollen Gemach sitzt der Böhmerkönig in einem großen Sessel vor einem Tische, der mit Pokalen und Weinkrügen besetzt ist, mit einem abgelebten, gedunsenen Gesicht, in einfacher HauSklei- dung; doch zwei Dolche im Gürtel, ein großes Schwert zur Seite und einen großen Hund zu Füßen. „Ho, ho!" schrie Wenzl den vor ihm stehenden Jeschke an; — „ich hätte Euren Vater mit der Burg Grimmenstein beliehen? Ihr? Nein, das ist nicht so; des Markgrafen Abgesandter hat mir ja dar- gethan, daß es Meißner Lehen sei!" „Halten mein Kaiser und Herr zu Gnaden," sagte Jeschke demüthig, „ich kann Euch die Urkunde darüber Vorzügen; ich habe sie zur Haud!" „Also doch," lachte Wenzl widerlich, —„nun das ist spaShaft, — da haben wir uns geirrt, Jeschke; da geht beim Meißner zu Lehen!" „Dies geht deshalb nicht," sagte Jeschke, „weil der Markgraf will, wir sollen dem Bünau die Veste wieder herauSgeben. Der Markgraf wirb deshalb keine Fehde ansangen, wenn Ihr bei Eurer Meinung beharret; und mein Vater verspricht, wenn Ihr Euch fernerhin feiner annehmet und gegen des Markgrafen immer größer werdende Ansprüche schützt, — 1000 Goldgülven in Eure Hofhaltungscasse zu zahlen!" „So! Will er das? — Ei seht doch, — der Burggraf hat einen größern Säckel, als sein König! — Ja, ja, Jeschke, das iü ein Wort zu seiner Zeit — bas ist gut — daran fehlt mir'S immer. — Nun, da müssen wir es freilich beim Alten lassen und den Markgrafen bescheiden, mit Euch Ruhe zu halten. — Ich kann nur, Jeschke, unter uns gesagt, eS mit dem Meißner Wilhelm nicht ganz verderben;