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Herr Kraut führte mich zunächst in das, an die geräumige, Helle Lergschmtede des Schachtes anstoßende ExpeditionSlocal, wo fich eine vollständige, sorgfältig ge ordnete Sammlung aller bei dem Abteufen des Schachtes durchsunkenen Gesteins formation en befindet. Die selben bestehen vorzugsweise aus, der Formation des Roth- liegenden angehörigen, rothen und grünen Schieferthonen in verschiedenen Nuancen »ud congiomeratartigen Sand- steinen. Auch Spuren von Steinkohle, sogenannte Kohlen- blüthe, d. h. einzelne Kohlenbrocken in einem röthlich grauen Schieferlctten, hatte man bereits in einer Tiefe von etwas über 420 Ellen gefunden. Ein einzelnes, Bcsorg- niß erweckendes Vorkommen war bei einer Tiefe von 550 Ellen eine, ungefähr 12 Ellen starke Schicht eines ziemlich harten ThonsteinporphyrS mit eingemcngten dunkelbraunen Glimmerblättchcn gewesen. Allein die Sache war nicht so schlimm, wie es aussah. Der Obersteiger Kraut hatte ruhig weiter arbeiten lassen und bald kam man wieder auf günstiges, kohlenverheißcndes Gestein. Wir wechselten in der Expedition die Anzüge — es hängen hier jeder Zeit eine Anzahl Bergmannsanzüge zur Disposition der Besuchenden — und ich wandelte mich, gleich meinem bärtigen Begleiter, in einen „vom Leder" nm. So kehrten wir in das Maschinenhaus zurück, wo eine Hochdruckdampsmaschine von 36 Vferdekraft mit liegendem Cylinder in ruhig gleichmäßigem Gange ein großes Rad von 18 Ellen Umfang in Bewegung setzt, worauf das ^4 Zoll starke und 600 Ellen lange, 10 Ctr. schwere Drahtseil fich aus- und abwindet, welches aus der Tiefe des Schachtes in einer eisernen Tonne die losge arbeiteten Gesteine emporhebt. Diese, mir ihrer Ladung über 12 Centner wiegende Tonne wird, wenn sie oben angekommen ist. mit Leichtigkeit von zwei Mann auf einen kleinen, niedrigen, eisernen Wagen dirigirt und aus einer Eisenbahn bis an den Rand der Halde gefahren, wo sie durch Umkippen von ihrem Inhalte enllehrt wird. Mit dem etwas verlängerten Wellenzapfen des vorhin erwähnten Seilrades steht durch eine Schnur und Rollen eine sehr sinnreiche Vorrichtung in Verbindung, nämlich ein kleines Modell einer Tonne, welche im verjüngten Maaßstabe alle Bewegungen jener großen eisernen Förder-Tonne mitmacht, so daß der Maschinenwärter, der, je nach den aus der Tiefe heraufgegebenen verschiedenartigen Klingelsignalen, die Dampfmaschine bald vorwärts, bald rückwärts gehen läßt, bald die Dämpfe zu größerer Kraftanstrengung an spannt, bald durch Entweichenlaffen derselben die Malchine zum augenblicklichen Stillstand zwingt — daß also dieser Maschinenwärter mit Hilfe einer, hinter dem Tonnenmodell angebrachten Zeichnung von den einzelnen Abtheilungen des Schachtes, in jedem Augenblick wissen kann, an welcher Stelle im Schachte sich eben die auf- und abgehende Förder- Tonne befindet. Wir zündeten nun unsere vor der Brust Hangenden Grubenlichter an, begaben uns in das, an das Maschinen haus anstoßende Schachthaus und traten unsere Reise in das Innere der Erde an. Der Schacht selbst ist außer ordentlich weit angelegt. Derselbe bildet nämlich im wag rechten Durchschnitt ein Rechteck von 10 Ellen Länge und 31/2 Ellen Breite und ist von oben bis unten mit dicht an einander stoßenden, 7 Zoll starken Hölzer» sorgfältig ausgezimmert, um einem Hereindrängen der Seitenwände und dadurch einem mögliche» Zusammenstürzen des Schachtes vorzubeugen. Den» durch den Druck der oberen Gesteins schichten ans die unteren werden die letzteren immer nach dem Schacht herein zu gedrängt, und dieser Druck wirkt selbst auf die Bodenschicht des Schachtes, so daß, wie mir Herr Kraut mittheilte, eS nicht selten vorkommt, daß, wenn auch dieselbe ganz eben abgearbeitet worden ist. sie binnen Kurzem durch den von allen Seiten wirkenden Druck in der Mitte gewöibartig in die Höhe getrieben wird. Der Schacht besteht aus vier Abtheilungen neben einander, nämlich zwei Förderschächten, wovon aber gegenwärtig nur erst der eine zur Herausförderung der Gebirgsmaffen benutzt wird; einem Fahrschacht für das An- und AuSfahreu der Bergleute und einem Kunstschacht mit den nöthigen Kunstgestängen und Röhren zum Auspumpen des Wassers durch die Dampfmaschine. Wir stiegen in den Fahrschacht ein, mein Begleiter voraus. Fast senkrecht hängende Leitern von 24 Ellen Länge, Fahrten genannt, bildeten unsere Fahrbahn. Mit ihrem untern Ende stehen die Leitern auf den sogenannten Ruhebühnen, d. h. hori zontalen Lattenverschlägen aus, auf denen der ermüdet« Wanderer zu seiner Erholung ein wenig abtreten kann. Das hatten wir beiden rüstigen Männer allerdings nicht nöthig, sondern wir stiegen die 25'/, aufeinander folgen den Fahrten bis zu einer Tiefe von 610 Ellen fast ohne Unterbrechung hinab, sobald es nicht unterwegs etwas Interessantes zu beobachten gab. Wir halten zu dieser Thalfahrt ungefähr ^4 Stunde gebraucht. Um sich eine Vorstellung von dieser Tiefe zu machen, so denke man fich den Thurm der Kreuzkirche zu Dresden viermal über einander gesetzt, dann würde er von dem Grunde des Schachtes bis zu seiner AuSmündung reichen. Unten be grüßten uns 9 Bergleute (Häuer, Probehäuer und Lehr häuer) mit ihrem Glückauf. Sie hatten ihre Grubenlichter an den Wänden herum angebracht und waren damit be schäftigt, das Gestein loSzuhacken und damit die von oben herabgelassene Tonne zu füllen, was ziemlich schnell ging. Das Gestein war gegenwärtig theils ein weicher, grauer, fettiger Letten, theils ein im Wasser nach einiger Zeil zerfallender rother und grünlicher Schieferthon. Die Leute arbeiten im Accord und erhalten gegenwärtig — es ist dies nach der Härte des Gesteins verschieden —) für die Lachter (3^2 Ellen) Tiefe 30Thlr. als „General-Gedinge," was aus die Cubikelle ungefähr 6 Ngr. betragen würde. Meine mitgenommenen beiden Thermometer, die oben im Freien bei ziemlich rauher, unfreundlicher Witter ung blcs 4 Grad Wärme (li.) angezeigt hatten, waren in dieser Tiefe auf etwas über 15 Grad Wärme, gestiegen. ES wurde mir dadurch die durch viele wissenschaftliche Beobachtungen bereits festgestellte Thatsache von der grad weisen Zunahme der Wärme in den Tiefen der Erde be stätigt. Man hat nämlich gefunden, daß bei einer Tiefe von 30 Ellen das Thermometer Sommer und Winter stets dieselbe Temperatur zeigt, welche der Mittlern Jahrestem peratur*) des Ortes entspricht. Von da an beträgt die Zunahme der Wärme nach dem Innern der Erde zu auf jede 75 Ellen 1 Grad (k.). Nun beträgt die mittle Jahrestemperatur der Dresdner Gegend ungefähr 7 Grad Wärme (k.). Rechnet man in unserm Schachte von 30 Ellen Tiefe an auf je 75 Ellen tiefer 1 Grad Wärme, so würde eine Tiefe von 610 Ellen ungefähr eine Tem peratur von 15 Grad Wärme, wie wir sie in der That hier fanden, entsprechen. (Jene 610 — 30 — 580 Ellen; 580: 75 — gegen 8"; 8 -j- 7 ----- 15 Grad Wärme.)**) *) d. h. derjenigen Temperatur, welche man erhält, wenn mau aus deu täglichen Beobachtungen des Thermometers am Schluß des Jahres das Mittel zieht. **) Da derartige Untersuchungen über die innere Erdwärme von großem wissenschaftlichen Interesse sind, so ersuche ich hiermit freundlichst die geehrten bctresscndcn Beamten, ähnliche Thermo meter-Beobachtungen in verschiedenen Tiefen während dcsNbtcufens von Schächten zu machen, und die Resultate derselben entweder an mich oder an die Redaktion dcr Wcißerih-Zeitung gütigst ge langen- zu lasse».