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Freitag. 94 29. Uooember 1861. Weißeritz-Zeitung Lrscheint Dienstags und Freitags. Zu beziehen durch alle Post anstalten. Preis pro Quartal IO Ngr. Inserate die Spalten-Zeile 8 Psg. Ms- und Anzeige- Matt der Königtichen Gerichts-Aemter und Stadträthe Zll Dippotdistvalde. Mueasttin und Altenberg. Verantwortlicher Redakteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. Tagesqefchichte. Berlin. Die Kammerwahlen in Preußen sind im liberalen Sinne ausgefallen. Dieses Wahlergcbniß hat eine bedeutende Tragweite und ist bereits eine Folge der Berufung Fould'S zum Finanzminister Frank reichs. Fould spricht von dein Mißtrauen, welches die Befugniß des Kaisers, zu jeder Zeit außerordentliche Kredite behufs seiner Rüstungen in Anspruch zu nehmen, im Auslande gegen Frankreich erweckt; er folgert daraus, daß die Verzichtleistung aus diese Befugniß den öffent lichen Frieden Europa's in günstigem Sinne beeinflussen müsse, weil die in allen Staaten so zahlreichen Gegner militärischer Ausgaben daraus ein mächtiges Argument für ihre Reklamationen schöpfen würden. — Diese Be merkungen haben in Preußen Nachhall gefunden. In der letzten Session der Preußischen Kammern kam nämlich die Militär Vorlage, welche das ganze Land in die größte Aufregung versetzte, denn cs wurde durch dieselbe nicht nur das nationale Institut der Landwehr sehr beschränkt und die Dienstzeit im stehenden Heere auf drei Jahre erhöht, sondern das Militärbudget durch Vermehrung des stehenden Heeres auf eine Höhe hinaus geschraubt, wie Preußen sie kaum noch erlebt batte. Die Militärvorlage war der erste durchgreifende Act des neuen Regime, und der Umstand, daß dieselbe zugleich der erste Act des neuen Königs war, daß das Ministerium die Vorlage mit der größten Feierlichkeit einbrachte und sie der Kammer gleichsam als eine persönliche Angelegenheit des Monarchen an das Herz legte, vermehrte die Sensation, welche die so gestellte Militärfcage im ganzen Lande erregte. Die Kammer besann sich lange und willfahrte dem Wunsche der Re gierung, allein nicht ohne den Bedenken des Landes Rechnung zu tragen. Sic bewilligte die Vorlage, nachdem sie vom Militärbudget Millionen gestrichen; sie bewilligte aber die Budget-Erhöhung nicht als Definitivum ein für.allemal, sondern nur für ein Jahr, der nächsten neuzuwäblenden Kammer die definitive Austragung der Militärfrage als Erbschaft hinterlassend. Und so wurde die Militär-Organisation die eigentliche Wahlfrage und der Probirstein für die Kandidaten zum neuen Abgeordnetenhause. So hoch auch die monarchischen Gefühle des preußischen Volkes aufwallten, die ent schiedene Betonung des Königthums von Gottes Gnaden auf Kosten des konstitutionellen Königthums mußte bei der liberalen Partei in dem Maße Bedenken erregen, als sie im Lager der Junker endlosen Jubel hervorrief. Der König machte bei verschiedenen Anlässen vor und nach der Krönung kein Hehl aus seiner Gesinnung. Er erklärte wiederholt, an der Verfassung festzuhalten, aber sich nicht drängen zu lassen. Keine Extravaganzen, weder auf dem Felde der inneren noch auf jenem der äußeren Politik; vor allem aber verwahrte sich der König gegen demokratische Kammerwahlen. — Der Inhalt der Napoleon-Fonld'schen Korrespondenz durch kreuzt nun mit einmal die Wahlbemühungen, zu denen der König sich in seinen beiden Haupt- und Residenz städten, sowie jetzt bei seiner Reise nach Schlesien in Sorau, Breslau und anderwärts herbeigelassen. Die Warnungen, welche Se. Majestät aller Orten und bei jeder Gelegenheit feierlich wiederholte, gelten zwar zu nächst immer nur den „Demokraten;" aber eine ganze Reihe klar verständlicher Symptome deutet darauf bin, daß der Fürst unter den gegenwärtigen Verhältnissen, wo sein Ministerium entschieden erklärt hatte, mit der Armeeorganisation leben und sterben zu wollen, unter den „Demokraten" Alle begriff, welche auf die Ver weigerung weiterer Geldmittel zur Vermehrung des stehenden Heeres hinarbeiteten. Es lag in derlei Er klärungen offenbar die Drohung, daß die Krone auch gegen den Willen des Volkes handeln und ein reaktio näres System bcfolgen könnte. — Sei eS nun Zufall oder Absicht, genug an dem: die letzte Finanzmaßregel Frankreichs steht mit der Wahlbewegung Preußens in innigster Verbindung und wird dort Nachwirkungen zur Folge haben, welche von bedeutenden Folgen begleitet sind. — Die Deputation, welche Sr. Majestät dem Könige das Krönungsgeschenk der Provinz Täcksen, eine» Beitrag von 65,000 Tblr. für die Flotte, über brachte, hatte am 22. d. M. die Ehre einer Audienz. Auf eine Ansprache deS Sprechers der Deputation, Oberbürgermeisters Hasselbach, erwiderte der König in einer längern, sehr gnädigen Antwort etwa Folgendes: „Was die Nothwendigkeit einer Flötte anbetreffe, so hätte er sie längst erkannt: er hätte demnach auch bei der Mobilmachung im Jahre 1859 sofort die nöthigen Befehle gegeben, um die erforderlichen Vorkehrungen für die Küstenvertheidigung zu treffen. Leiber treten der neuen Schöpfung, wie fast überall, Schwierigkeiten in den Weg; indessen hoffe er sie zu überwinden. Freilich würde wohl noch mehr geschehen müssen, als durch die laufenden Staatseinnahmen und durch frei willige Gaben möglich sei. Sei jetzt die Marine auch nur noch erst ein junges Kind, so hoffe er, daß dasselbe kräftig heranwachsen und sich einst würdig einreihen werde in die Institutionen der deutschen und preußischen Wehrkraft. Einem Schiffe werde er zur Erinnerung an den ersten Ursprung gern den Namen „Sachsen" ober „Magdeburg" geben." Rußland. Die Verhaftungen in Warschau dauern fort. Die meisten Zunftmeister wurden auf die Kita-